gibt, wird der Denkmalpfleger auch heute noch antworten:
Selbstverständlich; jeder einzelne Abbruch ist immer ein Ab-
bruch zuviel.
Aber hier werden auch unsere eigentlichen Sorgen spürbar: Es
ist unendlich schwierig geworden, in das Erfolgsbild einer heu-
tigen Denkmalszene hinein zu differenzieren und in der Denk-
malpraxis die Schwelle zwischen Denkmalvorteil und dem für
das Geschichtsdenkmal Nachteiligen zu vermitteln oder gar
bewußt zu machen. In der Tat: Gäbe es nicht gleichzeitig die
Berufungsmöglichkeit auch auf die überzeugenden und vor-
bildhaften Beispiele einer substanzschonend-handwerklichen
Baureparatur und einer intelligenten Nutzungsauseinanderset-
zung auch mit dem undatierbaren Innenleben eines Denkmal-
hauses, unsere hier kritisch vorgetragenen Anliegen müßten
sich als realitätsfremde Ideologie des Nichtstuns und mithin
als Beleg für einen wieder einmal überzogenen Denkmal-
schutz abtun lassen.
Das Denkmalgeschen ist weithin zu einer klaffenden Schere
geworden: Die massierten Erneuerungseingriffe in der gegen-
wärtigen Denkmalaktivierung werden von einem an der opti-
schen Wirkung orientierten Denkmalverständnis offensichtlich
so sehr als Denkmalgewinn bestätigt und so weitab von jedem
Besorgnisanlaß gesehen, daß es kaum eine Chance gibt, die
Verlusttatsachen auch nur zur Auseinandersetzung zu brin-
gen, d.h. zu jener konstruktiven Auseinandersetzung zwi-
schen einerseits den Denkmalbelangen und andererseits den
sogenannten Gegenwartsbedürfnissen, die ja nicht nur Denk-
malbewußtsein mitbildet, sondern schon ursächlich das We-
sen der Denkmalpflege überhaupt trägt.
Für ein Verständnis von Denkmalpflege als „Pflege des Schö-
nen“ kann sich heute selbst der rabiate Denkmaleingriff noch
als Denkmalvorteil behaupten. Selbst die totale Denkmalaus-
kernung und damit der rücksichtslose Raubbau am geschicht-
lich-materiellen Innenleben eines Denkmalhauses kann sich
immer noch legitimiert sehen durch die Verweismöglichkeit auf
die Fassade, die „als das doch Wesentliche am Denkmal“
gerade durch die „zeitgerechte“ Nutzung dahinter schließlich
erhalten wird.
Aber einmal abgesehen vom Vorsätzlichen dieser Art Denk-
malausbeutung: für die Mehrheit dieser Probleme gibt es
heute keine plakativen Feindbilder mehr auszumachen, wie
noch in den 60er Jahren. Die offenen Fragezeichen im „Um-
gang mit dem Original“ sind auch nicht nur unbequeme Fragen
an das politisch und fachlich mitverantwortliche Partnerfeld,
sondern zunächst auch unbequeme Fragen an die eigene Dis-
ziplin.
So beispielsweise die Frage: Wie weit haben wir unter dem täg-
lichen Verweis auf „Befund“, auf „historisch-befundgetreu“ die
Fassadeninstandsetzung nicht nur fachlich untersuchend und
dokumentierend begleitet, sondern ungewollt dem Erneuern
damit ein Berufungsfeld geschaffen und dem möglicherweise
vermeidbaren Substanzaustausch auch noch das Denkmal-
gerechte bestätigt.
Oder eine andere, ganz simple Frage an unseren sprachlichen
Umgang im Denkmalthema, mit dem wir uns an die Öffentlich-
keit wenden: Die längst suspekt gewordene Floskel vom Re-
novierungsergebnis „erstrahlt in neuem Glanze“ wäre in der
Heimatbeilage immer noch ein Indiz für eine naive Denkmal-
begeisterung. Aber als Würdigung einer Denkmalmaßnahme
im offiziellen Denkmalschrifttum - und dort ist sie aktuell zu
lesen - setzt sie für die nächste Sanierungsmaßnahme die Er-
gebnisse selbst der gründlichsten Bauforschung und der auf
Substanzforschung ausgerichteten Befunderhebungen von
vornherein glatt außer Kraft.
Oder an die Fachpartner gerichtet: Wie sollen wir dem Stadt-
politiker unsere Probleme mit den Tiefgaragen vermitteln
(soweit sie überhaupt schon vermittelbar sind), wenn auf der
als denkmalbewußt bekannten Tagung „Die alte Stadt“ ein
namhafter Historiker, ein Fachpartner also, die Kompetenz der
Stadtkernarchäologie als zu weitreichend einklagt; Stadtbo-
denforschung, so heißt es da, die nur verzögert, und wortwört-
lich: „wem nützt das, wenn nach umständlicher Grabung viel-
leicht feststeht, daß die Stadt nicht erst 1017 sondern schon
1014 gegründet wurde“.
Was haben wir in all diesen Fragen möglicherweise auch selbst
versäumt gegenüber unserem Partner Öffentlichkeit, wenn
Stadtdenkmalpflege weithin nur noch als Stadtbildfrage be-
griffen wird, wenn heute überall, wie beispielsweise am Ulmer
Münsterplatz, ein leidenschaftliches Bürgerbegehren darüber
ist, einen Neubau, einen für die Stadtfortschreibung wichtigen
und in überlegter Auseinandersetzung geplanten Neubau ve-
hement zu verhindern, und statt dessen für den stadtrepräsen-
tativen Großbau altstädtische Kleingiebel zu fordern. Was ha-
ben wir möglicherweise mitversäumt in unserer Neubaubera-
tung als eine Art Tekturbüro „in Sachen historisch“?
Gibt es überhaupt noch wirkliche Denkmalverluste? Im Ver-
hältnis zum heute emotionellen Eintreten in Stadtbildfragen ist
das ehedem leidenschaftliche Aufbegehren gegen den mani-
festen Denkmalabbruch doch ganz offensichtlich fast zur
Harmlosigkeit verkümmert. Nahezu jeder Abbruchantrag wird
schon vorsorglich mit der Zusage des kopiegetreuen Wieder-
aufbaues versehen. Dazu als prominentes Beispiel nur das
bekannte Hotel Petersberg: der weitgehende Abbruch ist
schlimm. Aber eigentlich irritierend daran ist doch, daß öffent-
lich zur Abbruchnotwendigkeit selbst nur wenig gesagt, um so
mehr aber versichert wurde, daß alles originalgetreu wieder-
aufgebaut wird.
Gerade vor diesem Hintergrund kann ich jene Konservatoren-
auffassung - es ist keine niedersächsische!- nicht teilen, wo-
nach Denkmalrekonstruktion, wie jetzt auch die weithin be-
kannte Wiederaufbaumaßnahme in Hildesheim, mit Denkmal-
pflege und Denkmalschutz nichts zu tun habe; das Ganze sei
eine Neubaufrage, ein Problem der Neuarchitektur.
Die Frage ist grundsätzlich. Und schon deswegen gehe ich da-
von aus, daß das Folgende in seiner Bezugnahme auch auf Hil-
desheim, auf eine im stadtpolitisch geschehenen Beschluß
selbstverständlich respektierte Wiederaufbauentscheidung
nicht als Mißbrauch des Gastrechtes in diesem Land verstan-
den werden kann.
Aber: ob in Frankfurt, in Mannheim oder in Saarbrücken (um
nur an einige der prominenten Rekonstruktions-Vorgänge zu
erinnern): wo ein zerstörtes Baudenkmal als Rekonstruktion
wiedererrichtet, am historischen Ort wiedererrichtet werden
soll, kann der Konservator diese Tatsache aus dem Denkmal-
geschehen seines Verantwortungsbereiches nicht einfach
ausgrenzen oder den Vorgang lediglich als Neubaufrage im hi-
storischen Zusammenhang behandeln.
Ich lasse hier die Vielfalt der bekannten Ursachen und Motive
vor der Tür, die in der Geschichte und auch in der Chronik der
Denkmalpflege immer wieder Anlaß gewesen sind für die Wie-
derherstellung verlorener Denkmale, - Identitätsnot oder bloß
angewandte Kunst-Wissenschaft, Verlusterfahrung oder Un-
behagen an der Gegenwartsarchitektur. Vielfältige Ursachen
also, die auch Anlaß sein müßten für eine differenzierte Beurtei-
lung all dieser Maßnahmen. Aber in jedem Fall gehört es doch
zu den festen Erfahrungen, daß sich mit der Rekonstruktion
stets auch die mehr oder minder bewußte Assoziation von der
Wiederholbarkeit nicht nur der alten Architektur, sondern der
Ersetzbarkeit auch der Denkmäler verbindet oder daß sie
zumindest naheliegt.
Eben dieser Sachverhalt berührt den Konservator nicht nur
selbst in seiner Kernaufgabe, die mögliche, auch die indirekt
mögliche Gefährdung bestehender Denkmale zu verhindern;
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Selbstverständlich; jeder einzelne Abbruch ist immer ein Ab-
bruch zuviel.
Aber hier werden auch unsere eigentlichen Sorgen spürbar: Es
ist unendlich schwierig geworden, in das Erfolgsbild einer heu-
tigen Denkmalszene hinein zu differenzieren und in der Denk-
malpraxis die Schwelle zwischen Denkmalvorteil und dem für
das Geschichtsdenkmal Nachteiligen zu vermitteln oder gar
bewußt zu machen. In der Tat: Gäbe es nicht gleichzeitig die
Berufungsmöglichkeit auch auf die überzeugenden und vor-
bildhaften Beispiele einer substanzschonend-handwerklichen
Baureparatur und einer intelligenten Nutzungsauseinanderset-
zung auch mit dem undatierbaren Innenleben eines Denkmal-
hauses, unsere hier kritisch vorgetragenen Anliegen müßten
sich als realitätsfremde Ideologie des Nichtstuns und mithin
als Beleg für einen wieder einmal überzogenen Denkmal-
schutz abtun lassen.
Das Denkmalgeschen ist weithin zu einer klaffenden Schere
geworden: Die massierten Erneuerungseingriffe in der gegen-
wärtigen Denkmalaktivierung werden von einem an der opti-
schen Wirkung orientierten Denkmalverständnis offensichtlich
so sehr als Denkmalgewinn bestätigt und so weitab von jedem
Besorgnisanlaß gesehen, daß es kaum eine Chance gibt, die
Verlusttatsachen auch nur zur Auseinandersetzung zu brin-
gen, d.h. zu jener konstruktiven Auseinandersetzung zwi-
schen einerseits den Denkmalbelangen und andererseits den
sogenannten Gegenwartsbedürfnissen, die ja nicht nur Denk-
malbewußtsein mitbildet, sondern schon ursächlich das We-
sen der Denkmalpflege überhaupt trägt.
Für ein Verständnis von Denkmalpflege als „Pflege des Schö-
nen“ kann sich heute selbst der rabiate Denkmaleingriff noch
als Denkmalvorteil behaupten. Selbst die totale Denkmalaus-
kernung und damit der rücksichtslose Raubbau am geschicht-
lich-materiellen Innenleben eines Denkmalhauses kann sich
immer noch legitimiert sehen durch die Verweismöglichkeit auf
die Fassade, die „als das doch Wesentliche am Denkmal“
gerade durch die „zeitgerechte“ Nutzung dahinter schließlich
erhalten wird.
Aber einmal abgesehen vom Vorsätzlichen dieser Art Denk-
malausbeutung: für die Mehrheit dieser Probleme gibt es
heute keine plakativen Feindbilder mehr auszumachen, wie
noch in den 60er Jahren. Die offenen Fragezeichen im „Um-
gang mit dem Original“ sind auch nicht nur unbequeme Fragen
an das politisch und fachlich mitverantwortliche Partnerfeld,
sondern zunächst auch unbequeme Fragen an die eigene Dis-
ziplin.
So beispielsweise die Frage: Wie weit haben wir unter dem täg-
lichen Verweis auf „Befund“, auf „historisch-befundgetreu“ die
Fassadeninstandsetzung nicht nur fachlich untersuchend und
dokumentierend begleitet, sondern ungewollt dem Erneuern
damit ein Berufungsfeld geschaffen und dem möglicherweise
vermeidbaren Substanzaustausch auch noch das Denkmal-
gerechte bestätigt.
Oder eine andere, ganz simple Frage an unseren sprachlichen
Umgang im Denkmalthema, mit dem wir uns an die Öffentlich-
keit wenden: Die längst suspekt gewordene Floskel vom Re-
novierungsergebnis „erstrahlt in neuem Glanze“ wäre in der
Heimatbeilage immer noch ein Indiz für eine naive Denkmal-
begeisterung. Aber als Würdigung einer Denkmalmaßnahme
im offiziellen Denkmalschrifttum - und dort ist sie aktuell zu
lesen - setzt sie für die nächste Sanierungsmaßnahme die Er-
gebnisse selbst der gründlichsten Bauforschung und der auf
Substanzforschung ausgerichteten Befunderhebungen von
vornherein glatt außer Kraft.
Oder an die Fachpartner gerichtet: Wie sollen wir dem Stadt-
politiker unsere Probleme mit den Tiefgaragen vermitteln
(soweit sie überhaupt schon vermittelbar sind), wenn auf der
als denkmalbewußt bekannten Tagung „Die alte Stadt“ ein
namhafter Historiker, ein Fachpartner also, die Kompetenz der
Stadtkernarchäologie als zu weitreichend einklagt; Stadtbo-
denforschung, so heißt es da, die nur verzögert, und wortwört-
lich: „wem nützt das, wenn nach umständlicher Grabung viel-
leicht feststeht, daß die Stadt nicht erst 1017 sondern schon
1014 gegründet wurde“.
Was haben wir in all diesen Fragen möglicherweise auch selbst
versäumt gegenüber unserem Partner Öffentlichkeit, wenn
Stadtdenkmalpflege weithin nur noch als Stadtbildfrage be-
griffen wird, wenn heute überall, wie beispielsweise am Ulmer
Münsterplatz, ein leidenschaftliches Bürgerbegehren darüber
ist, einen Neubau, einen für die Stadtfortschreibung wichtigen
und in überlegter Auseinandersetzung geplanten Neubau ve-
hement zu verhindern, und statt dessen für den stadtrepräsen-
tativen Großbau altstädtische Kleingiebel zu fordern. Was ha-
ben wir möglicherweise mitversäumt in unserer Neubaubera-
tung als eine Art Tekturbüro „in Sachen historisch“?
Gibt es überhaupt noch wirkliche Denkmalverluste? Im Ver-
hältnis zum heute emotionellen Eintreten in Stadtbildfragen ist
das ehedem leidenschaftliche Aufbegehren gegen den mani-
festen Denkmalabbruch doch ganz offensichtlich fast zur
Harmlosigkeit verkümmert. Nahezu jeder Abbruchantrag wird
schon vorsorglich mit der Zusage des kopiegetreuen Wieder-
aufbaues versehen. Dazu als prominentes Beispiel nur das
bekannte Hotel Petersberg: der weitgehende Abbruch ist
schlimm. Aber eigentlich irritierend daran ist doch, daß öffent-
lich zur Abbruchnotwendigkeit selbst nur wenig gesagt, um so
mehr aber versichert wurde, daß alles originalgetreu wieder-
aufgebaut wird.
Gerade vor diesem Hintergrund kann ich jene Konservatoren-
auffassung - es ist keine niedersächsische!- nicht teilen, wo-
nach Denkmalrekonstruktion, wie jetzt auch die weithin be-
kannte Wiederaufbaumaßnahme in Hildesheim, mit Denkmal-
pflege und Denkmalschutz nichts zu tun habe; das Ganze sei
eine Neubaufrage, ein Problem der Neuarchitektur.
Die Frage ist grundsätzlich. Und schon deswegen gehe ich da-
von aus, daß das Folgende in seiner Bezugnahme auch auf Hil-
desheim, auf eine im stadtpolitisch geschehenen Beschluß
selbstverständlich respektierte Wiederaufbauentscheidung
nicht als Mißbrauch des Gastrechtes in diesem Land verstan-
den werden kann.
Aber: ob in Frankfurt, in Mannheim oder in Saarbrücken (um
nur an einige der prominenten Rekonstruktions-Vorgänge zu
erinnern): wo ein zerstörtes Baudenkmal als Rekonstruktion
wiedererrichtet, am historischen Ort wiedererrichtet werden
soll, kann der Konservator diese Tatsache aus dem Denkmal-
geschehen seines Verantwortungsbereiches nicht einfach
ausgrenzen oder den Vorgang lediglich als Neubaufrage im hi-
storischen Zusammenhang behandeln.
Ich lasse hier die Vielfalt der bekannten Ursachen und Motive
vor der Tür, die in der Geschichte und auch in der Chronik der
Denkmalpflege immer wieder Anlaß gewesen sind für die Wie-
derherstellung verlorener Denkmale, - Identitätsnot oder bloß
angewandte Kunst-Wissenschaft, Verlusterfahrung oder Un-
behagen an der Gegenwartsarchitektur. Vielfältige Ursachen
also, die auch Anlaß sein müßten für eine differenzierte Beurtei-
lung all dieser Maßnahmen. Aber in jedem Fall gehört es doch
zu den festen Erfahrungen, daß sich mit der Rekonstruktion
stets auch die mehr oder minder bewußte Assoziation von der
Wiederholbarkeit nicht nur der alten Architektur, sondern der
Ersetzbarkeit auch der Denkmäler verbindet oder daß sie
zumindest naheliegt.
Eben dieser Sachverhalt berührt den Konservator nicht nur
selbst in seiner Kernaufgabe, die mögliche, auch die indirekt
mögliche Gefährdung bestehender Denkmale zu verhindern;
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