stem zu schaffen. Man benutzt solche Ergebnisse aber auch -
was für die Originalsubstanz eines Denkmals verhängnisvoll
sein kann um die Unmöglichkeit substanzerhaltender Kon-
servierungen zu begründen, oder mit anderen Worten, um das
Überarbeiten von Fassadenoberflächen zu rechtfertigen.
Eine in diesem Sinne exemplarische Untersuchungsge-
schichte erlebte die Westfassade der Hofkirche in Luzern, die
man schließlich unter Aufgabe der früher restaurierten, zum
Teil aber noch ursprünglichen und bemalten Oberflächen, ent-
gegen dem Willen der Denkmalpflege, vollflächig auf den ge-
sunden Kern der Steine zurückgearbeitet hat. Da das ent-
scheidende Gutachten in einer deutschen Zeitschrift für Bauin-
standstellung und Denkmalpflege5 sowohl als Methode wie
als Fallstudie publiziert wurde, mag eine kritische Wertung hier
nützlich sein.
Zwischen zwei spätgotischen Türmen aus steinsichtigem, ge-
mischtem Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderverbänden,
Gurten und Fenstereinfassungen aus Molassesandstein (gra-
nitischer Sandstein von Hertenstein), steht eine aus Quadern
eines anderen Molassesandsteins (Plattensandstein) gefügte,
feingliedrige Renaissancefassade, die ihrerseits 1785 durch
einen schweren Uhrengiebel aus Putz und Molassesandstein
überhöht wurde. Die Fassade hat das Schicksal mehrfacher
Restaurierung erlebt mit viel Steinersatz an exponierten Stel-
len, hatte aber noch gut erhaltene und gestrichene, wohl ur-
sprüngliche Oberflächenbereiche.
Nachdem einige Steinfragmente herabgefallen waren, wurde
vor etwa zehn Jahren eine Voruntersuchung über Verwitte-
rungsschäden, Steinarten und Polychromie gemacht und ein
Steinrestaurator erstellte für den Mittelrisalit einen differenzier-
ten Restaurierungs- und Konservierungsvorschlag. Da man
diesen offensichtlich nicht als wissenschaftlich genug begrün-
det einschätzte, kam eine Firma und baute ganze Sandstein-
quader und einen Bruchstein aus dem Mischmauerwerk aus,
um sie im Labor auf ihre Eignung für die Festigung und Hydro-
phobierung zu prüfen.
Darauf folgte die entscheidende, von der Kirchengemeinde
eigenmächtig in Auftrag gegebene und bereits publizierte Un-
tersuchung. Dazu wurden 26 (!) Bohrkerne mit einem Durch-
messer von 75 mm und einer Tiefe von 100 mm entnommen.
Die Kernproben wurden in 12.5 mm dicke Scheiben aufge-
trennt, an denen jeweils Eigenschaften wie Druck- und Zugfe-
stigkeit, Kapillarporosität, Dampfdiffusion, kapillare Wasser-
aufnahme, Raumbeständigkeit, lösliche Salze, Rißzustand
und allgemeiner Steinzustand bestimmt wurden. Aus den so
im Verwitterungsprofil ermittelten Kennwerten wurde abgelei-
tet, daß, weil die Steinverwitterung und die Versalzung soweit
fortgeschritten seien, die Oberfläche am Nordturm auf eine
Tiefe von 10-15 mm und am Südturm auf eine solche von
3-6 mm nicht mehr zu erhalten und deshalb bis auf den ge-
sunden Kern abzubauen sei, was auch getan wurde. Für den
Mittelrisalit, der in den Grundflächen wenig chemische Verwit-
terung zeigte, wurde neben viel Steinersatz an den Ornamen-
ten ein Überschleifen der ganzen Oberfläche empfohlen.Da
beim Vorgehen der gesunde Steinkern an den Tag gebracht
wurde, erübrigten sich eine Reinigung und Festigung. Der Mit-
telrisalit wurde mit einem grauen Anstrich versehen.
Unabhängig vom eigenmächtigen Entscheid der Eigentümerin
und seinem denkmalpflegerischen Aspekt, der außerhalb un-
serer Kompetenz liegt, stellt sich die Frage nach der prakti-
schen Relevanz und Brauchbarkeit der Methode als Entschei-
dungsgrundlage. Dabei werden zunächst zwei Fragen aufge-
worfen:
1. Stimmt die der Methode zugrunde liegende Aussage, daß
homogene Materialien witterungsbeständiger seien als in-
homogene?
2. Sind die Resultate der Bohrkernuntersuchungen repräsen-
tativ für die Beschreibung des Erhaltungszustandes?
Bei der ersten Frage geht es um die Beurteilung der Witte-
rungsbeständigkeit im allgemeinen und der höheren Bestän-
digkeit homogener Materialien im speziellen.
Die Beurteilung der Witterungsbeständigkeit durch quanti-
tative Kriterien ist ein uraltes Postulat das, nehmen wir es vor-
aus, heute nicht erfüllt werden kann, obwohl Verwitterungs-
tests wie die Salzsprengung seit Beginn des 19. Jahrhunderts
gemacht werden. Man sucht heute noch, genau gleich wie vor
150 Jahren, nach chemischen und physikalischen Kriterien,
nach Materialkennwerten und nach geeigneten Testmetho-
den, um die Witterungsbeständigkeit oder Verwitterungsresi-
stenz quantitativ zu beschreiben. Und es ist noch keine Lö-
sung in Sicht. Trotz aller wissenschaftlichen Möglichkeiten, die
uns heute zur Verfügung stehen, ist es uns zurZeit noch nicht
möglich, von Materialkennwerten und Testergebnissen quanti-
tativ auf ihre Witterungsbeständigkeit zu schließen. Und es ist
fraglich, ob dies allgemein - ohne Beschränkung auf ganz
bestimmte Expositionsweisen - je möglich sein wird. Voraus-
sagen sind heute nur möglich, wenn man bestimmte Verwitte-
rungsprozesse verstanden, die spezifischen Ursachen bzw.
das Ursachengefüge erkannt hat und weiß, wie man reagieren
muß, um die Ursachen zu beheben oder deren Wirkung zu mil-
dern. Von den Materialien und ihren Eigenschaften aus gese-
hen können wir nicht wesentlich mehr aussagen, als es erfah-
rene Steinhauer, Bildhauer und Restauratoren tun. Beim Stein-
metzen wie beim Naturwissenschaftler beruht die Beurteilung
letztlich auf der positiven oder negativen Erfahrung am Objekt,
also auf der Bewährung. Materialkennwerte und Beständig-
keitstests unterstützen die Empirie, ersetzen sie aber bei wei-
tem nicht.
Gegen die der Bohrkernmethode zugrunde gelegte Behaup-
tung, homogene Materialien seien beständiger als inhomo-
gene, können zwei Argumente angeführt werden. Das erste ist
die Tatsache, daß es viele sehr inhomogene Materialverbände,
wie z. B. weiche Kalkmörtel auf harten Steinen gibt, die im
Freien - was zahlreiche Beispiele belegen - ohne weiteres
Jahrhunderte überlebt haben. Das zweite ist ein Widerspruch
in der Behauptung selbst. Mit der Angleichung der Material-
eigenschaften bei der Konservierung will man den ursprüng-
lich homogenen Zustand angenähert wieder herstellen. Dieser
homogene Zustand war aber nicht witterungsbeständig,
sonst wäre er gar nicht durch Verwitterung inhomogen gewor-
den. Diese Argumente schränken den Geltungsbereich der
Behauptung zumindest stark ein.
Die Antwort auf die zweite Frage, ob die Proben für die Beurtei-
lung des Objektes repräsentativ seien, hängt ab von der Ge-
samtuntersuchung. Wenn Bohrkernproben nach einer gesam-
ten Bestands- und Zustands- bzw. Schadenaufnahme und in
Funktion der dabei beobachteten Schadenformen und -Situa-
tionen genommen werden - und nur dann - , können sie zu-
sätzliche brauchbare Informationen z.B. über Festigkeiten in
der Tiefe oder Salzkonzentrationen liefern. Wenn die Bohrkern-
proben aber nicht in Ergänzung, sondern anstelle der flächen-
deckenden Schadenaufnahme entnommen werden, stehen
sie voll unter den Bedingungen zufälliger Stichproben. Daran
ändert sich auch nicht viel, wenn an der Fassade viele Bohr-
kerne entnommen werden. Wer weiß, wie kompliziert das
Schadenbild an einer gegliederten und geschmückten Fas-
sade ist, weiß auch, daß einige Bohrkerne nie deren Erhal-
tungszustand zuverlässig wiedergeben können. Entspre-
chend sind auch die Resultate zufällig und nicht repräsentativ
für die gesamte Fassade.
Die Probenahme erfolgte an der Hofkirche in Luzern nicht als
Ergänzung, sondern anstelle einer Zustandsaufnahme durch
das untersuchende Labor. Die Bohrkerne wurden nicht in
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was für die Originalsubstanz eines Denkmals verhängnisvoll
sein kann um die Unmöglichkeit substanzerhaltender Kon-
servierungen zu begründen, oder mit anderen Worten, um das
Überarbeiten von Fassadenoberflächen zu rechtfertigen.
Eine in diesem Sinne exemplarische Untersuchungsge-
schichte erlebte die Westfassade der Hofkirche in Luzern, die
man schließlich unter Aufgabe der früher restaurierten, zum
Teil aber noch ursprünglichen und bemalten Oberflächen, ent-
gegen dem Willen der Denkmalpflege, vollflächig auf den ge-
sunden Kern der Steine zurückgearbeitet hat. Da das ent-
scheidende Gutachten in einer deutschen Zeitschrift für Bauin-
standstellung und Denkmalpflege5 sowohl als Methode wie
als Fallstudie publiziert wurde, mag eine kritische Wertung hier
nützlich sein.
Zwischen zwei spätgotischen Türmen aus steinsichtigem, ge-
mischtem Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderverbänden,
Gurten und Fenstereinfassungen aus Molassesandstein (gra-
nitischer Sandstein von Hertenstein), steht eine aus Quadern
eines anderen Molassesandsteins (Plattensandstein) gefügte,
feingliedrige Renaissancefassade, die ihrerseits 1785 durch
einen schweren Uhrengiebel aus Putz und Molassesandstein
überhöht wurde. Die Fassade hat das Schicksal mehrfacher
Restaurierung erlebt mit viel Steinersatz an exponierten Stel-
len, hatte aber noch gut erhaltene und gestrichene, wohl ur-
sprüngliche Oberflächenbereiche.
Nachdem einige Steinfragmente herabgefallen waren, wurde
vor etwa zehn Jahren eine Voruntersuchung über Verwitte-
rungsschäden, Steinarten und Polychromie gemacht und ein
Steinrestaurator erstellte für den Mittelrisalit einen differenzier-
ten Restaurierungs- und Konservierungsvorschlag. Da man
diesen offensichtlich nicht als wissenschaftlich genug begrün-
det einschätzte, kam eine Firma und baute ganze Sandstein-
quader und einen Bruchstein aus dem Mischmauerwerk aus,
um sie im Labor auf ihre Eignung für die Festigung und Hydro-
phobierung zu prüfen.
Darauf folgte die entscheidende, von der Kirchengemeinde
eigenmächtig in Auftrag gegebene und bereits publizierte Un-
tersuchung. Dazu wurden 26 (!) Bohrkerne mit einem Durch-
messer von 75 mm und einer Tiefe von 100 mm entnommen.
Die Kernproben wurden in 12.5 mm dicke Scheiben aufge-
trennt, an denen jeweils Eigenschaften wie Druck- und Zugfe-
stigkeit, Kapillarporosität, Dampfdiffusion, kapillare Wasser-
aufnahme, Raumbeständigkeit, lösliche Salze, Rißzustand
und allgemeiner Steinzustand bestimmt wurden. Aus den so
im Verwitterungsprofil ermittelten Kennwerten wurde abgelei-
tet, daß, weil die Steinverwitterung und die Versalzung soweit
fortgeschritten seien, die Oberfläche am Nordturm auf eine
Tiefe von 10-15 mm und am Südturm auf eine solche von
3-6 mm nicht mehr zu erhalten und deshalb bis auf den ge-
sunden Kern abzubauen sei, was auch getan wurde. Für den
Mittelrisalit, der in den Grundflächen wenig chemische Verwit-
terung zeigte, wurde neben viel Steinersatz an den Ornamen-
ten ein Überschleifen der ganzen Oberfläche empfohlen.Da
beim Vorgehen der gesunde Steinkern an den Tag gebracht
wurde, erübrigten sich eine Reinigung und Festigung. Der Mit-
telrisalit wurde mit einem grauen Anstrich versehen.
Unabhängig vom eigenmächtigen Entscheid der Eigentümerin
und seinem denkmalpflegerischen Aspekt, der außerhalb un-
serer Kompetenz liegt, stellt sich die Frage nach der prakti-
schen Relevanz und Brauchbarkeit der Methode als Entschei-
dungsgrundlage. Dabei werden zunächst zwei Fragen aufge-
worfen:
1. Stimmt die der Methode zugrunde liegende Aussage, daß
homogene Materialien witterungsbeständiger seien als in-
homogene?
2. Sind die Resultate der Bohrkernuntersuchungen repräsen-
tativ für die Beschreibung des Erhaltungszustandes?
Bei der ersten Frage geht es um die Beurteilung der Witte-
rungsbeständigkeit im allgemeinen und der höheren Bestän-
digkeit homogener Materialien im speziellen.
Die Beurteilung der Witterungsbeständigkeit durch quanti-
tative Kriterien ist ein uraltes Postulat das, nehmen wir es vor-
aus, heute nicht erfüllt werden kann, obwohl Verwitterungs-
tests wie die Salzsprengung seit Beginn des 19. Jahrhunderts
gemacht werden. Man sucht heute noch, genau gleich wie vor
150 Jahren, nach chemischen und physikalischen Kriterien,
nach Materialkennwerten und nach geeigneten Testmetho-
den, um die Witterungsbeständigkeit oder Verwitterungsresi-
stenz quantitativ zu beschreiben. Und es ist noch keine Lö-
sung in Sicht. Trotz aller wissenschaftlichen Möglichkeiten, die
uns heute zur Verfügung stehen, ist es uns zurZeit noch nicht
möglich, von Materialkennwerten und Testergebnissen quanti-
tativ auf ihre Witterungsbeständigkeit zu schließen. Und es ist
fraglich, ob dies allgemein - ohne Beschränkung auf ganz
bestimmte Expositionsweisen - je möglich sein wird. Voraus-
sagen sind heute nur möglich, wenn man bestimmte Verwitte-
rungsprozesse verstanden, die spezifischen Ursachen bzw.
das Ursachengefüge erkannt hat und weiß, wie man reagieren
muß, um die Ursachen zu beheben oder deren Wirkung zu mil-
dern. Von den Materialien und ihren Eigenschaften aus gese-
hen können wir nicht wesentlich mehr aussagen, als es erfah-
rene Steinhauer, Bildhauer und Restauratoren tun. Beim Stein-
metzen wie beim Naturwissenschaftler beruht die Beurteilung
letztlich auf der positiven oder negativen Erfahrung am Objekt,
also auf der Bewährung. Materialkennwerte und Beständig-
keitstests unterstützen die Empirie, ersetzen sie aber bei wei-
tem nicht.
Gegen die der Bohrkernmethode zugrunde gelegte Behaup-
tung, homogene Materialien seien beständiger als inhomo-
gene, können zwei Argumente angeführt werden. Das erste ist
die Tatsache, daß es viele sehr inhomogene Materialverbände,
wie z. B. weiche Kalkmörtel auf harten Steinen gibt, die im
Freien - was zahlreiche Beispiele belegen - ohne weiteres
Jahrhunderte überlebt haben. Das zweite ist ein Widerspruch
in der Behauptung selbst. Mit der Angleichung der Material-
eigenschaften bei der Konservierung will man den ursprüng-
lich homogenen Zustand angenähert wieder herstellen. Dieser
homogene Zustand war aber nicht witterungsbeständig,
sonst wäre er gar nicht durch Verwitterung inhomogen gewor-
den. Diese Argumente schränken den Geltungsbereich der
Behauptung zumindest stark ein.
Die Antwort auf die zweite Frage, ob die Proben für die Beurtei-
lung des Objektes repräsentativ seien, hängt ab von der Ge-
samtuntersuchung. Wenn Bohrkernproben nach einer gesam-
ten Bestands- und Zustands- bzw. Schadenaufnahme und in
Funktion der dabei beobachteten Schadenformen und -Situa-
tionen genommen werden - und nur dann - , können sie zu-
sätzliche brauchbare Informationen z.B. über Festigkeiten in
der Tiefe oder Salzkonzentrationen liefern. Wenn die Bohrkern-
proben aber nicht in Ergänzung, sondern anstelle der flächen-
deckenden Schadenaufnahme entnommen werden, stehen
sie voll unter den Bedingungen zufälliger Stichproben. Daran
ändert sich auch nicht viel, wenn an der Fassade viele Bohr-
kerne entnommen werden. Wer weiß, wie kompliziert das
Schadenbild an einer gegliederten und geschmückten Fas-
sade ist, weiß auch, daß einige Bohrkerne nie deren Erhal-
tungszustand zuverlässig wiedergeben können. Entspre-
chend sind auch die Resultate zufällig und nicht repräsentativ
für die gesamte Fassade.
Die Probenahme erfolgte an der Hofkirche in Luzern nicht als
Ergänzung, sondern anstelle einer Zustandsaufnahme durch
das untersuchende Labor. Die Bohrkerne wurden nicht in
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