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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Umgang mit dem Original — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 7.1988

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Kloß, Klaus-Peter; Schneider, Ursula; Roseneck, Reinhard: Arbeitsgespräch: Industriebau
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https://doi.org/10.11588/diglit.51140#0103
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mit zwei gegen den Hang gestellten Giebeln optisch entge-
genwirkt, wird durch die im Tal anschließenden Bauten noch
verstärkt. Diese wurden gestalterisch in die Gesamtlage mit-
einbezogen. Verwaltungsgebäude, Magazin, Eingangsflügel
und Stützmauer wurden so gruppiert, daß ein Innenhof in der
Art einer „cour d’Honneur“ entsteht. Für die optische Wirkung
mitentscheidend ist, daß die gesamte Anlage streng axial auf-
gebaut ist und die einzelnen Bauelemente symmetrisch geglie-
dert wurden. Die Spitzen der Giebeldreiecke, die Anordnung
der Fenster, die Gruppierung der Blendbögen der Stützmauer,
die Pflasterung des Innenhofes, das dreibogige Portal bis hin
zur darüber zentral angeordneten Leuchte sind allesamt exakt
an der Mittelachse orientiert. Der Zugang zur Verwaltung
wurde so geschickt organisiert, daß sich der Besucher beim
Betreten des Innenhofes der architektonischen Wirkung der
Gesamtanlage nicht entziehen kann.
Es ist deutlich, daß die Hangaufbereitung nicht nur technisch,
sondern vor allen Dingen auch gestalterisch-optisch das zen-
trale Element des gesamten Bergwerkes darstellt. Alle Bau-
lichkeiten sind gestalterisch auf sie bezogen, und zwar in ihren
einzelnen Architekturen, vor allem aber in ihrer räumlichen Zu-
ordnung. Ein Fehlen der Hangaufbereitung hätte damit den
Zusammenbruch des gesamten gestalterischen Gefüges der
Übertageanlagen des Rammeisberges zur Folge.
Besonders wichtig sind neben der Aufbereitungsanlage auch
die sonstigen technischen Einrichtungen des Rammelsber-
ges. Zusammen mit der Hangaufbereitung wurde 1935 ein
Schrägaufzug fertiggestellt, der den Zechenplatz mit dem
obersten Niveau der Aufbereitung verbindet und auf ca. 110 m
Länge einen Höhenunterschied von ca. 43 m überwindet
(Abb. 6). Besaßen im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahr-
hundert noch zahlreiche am Hang liegende Erzbergwerke der-
artige, auch Bremsberge genannte Einrichtungen, so handelt
es sich nach deren Stillegung beim Bremsberg des Rammeis-
berges um das letzte Exemplar dieser Förderanlagenart im
deutschen Erzbergbau.
Wichtig für die technische Bedeutung des Rammeisberges ist
auch, daß die beiden Schachtfördereinrichtungen aus der
Erstellungszeit voll funktionsfähig erhalten sind. In einem unter-
tägigen Maschinenraum befindet sich die elektrischeTrommel-
fördermaschine aus dem Jahr 1935 (Abb. 7). Die Anordnung
dieser Fördereinrichtung stellt ein klassisches Beispiel für
Blindschachtförderungen dar. Komplette unter Tage instal-
lierte und funktionstüchtige Fördereinrichtungen dieses Alters
und dieses Typs sind heute im deutschen Bergbau kaum noch
erhalten. Die zweite Fördermaschine des Bergwerkes besitzt
der Rammeisbergschacht. Es handelt sich bei dieser um eine
Trommelfördermaschine der gleichen Bauart wie die untertä-
gige Maschine am Richtschacht. Das eiserne Fördergerüst
wurde über dem neu abgeteuften Rammeisbergschacht im
Jahr 1937 als deutsches Strebengerüst errichtet. Die Höhe
des Gerüstes beträgt genau 20 m (Abb. 8).
Als Resümee dieser Darstellung bleibt festzustellen, daß sich
in Goslar auf engstem Raum Denkmale des Bergbaues erhal-
ten haben, die diesen nahtlos von seiner Aufnahme im Mittel-
alter bis in die heutige Zeit mit all seinen Auswirkungen auf die
Goslarer und sogar die deutsche Geschichte vor Ort nachvoll-
ziehbar machen. In den übrigen deutschen Bergbau-Land-
schaften, wenn vielleicht von Freiberg im Erzgebirge einmal ab-
gesehen wird, haben sich, wenn überhaupt, nur vereinzelt und
über große Gebiete verstreut, Bergbau-Denkmale unter-
schiedlicher Zeiten erhalten, die freilich in vielen Fällen nicht die
Bedeutung der Rammeisberger Denkmale besitzen.
Im Rammeisberg als dem ältesten deutschen Bergwerk kann,
um dieses nochmals zu betonen, ein Jahrtausend Bergbauge-
schichte mit all ihren Auswirkungen über und unterTage an Ort
und Stelle nachvollzogen werden. Hinzu kommt, daß sich das
unmittelbare Produkt dieses Bergbaues, nämlich die histori-


7 Untertägige elektrische Trommelfördermaschine aus dem Jahre
1935.

sehe Altstadt der Stadt Goslar, vollständig erhalten hat. Dieses
zusammen ist ein einzigartiger Umstand, der die mindestens
nationale Bedeutung des Erzbergwerkes Rammeisberg be-
gründet (Abb. 9).
Es ist im Anschluß an die Darstellung dieses komplexen Kultur-
denkmales leider nicht - wie in den vorangegangenen Vorträ-
gen - möglich, über Resultate denkmalpflegerischen Han-
delns zu berichten. Im Gegensatz dazu sollen an dieser Stelle

8 Fördergerüst des Rammeisbergschachtes aus dem Jahre 1937.


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