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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Umgang mit dem Original — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 7.1988

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Schulze, Heiko K. L.; Worbs, Dietrich; Masuch, Horst; Breuer, Tilmann; Wulf, Walter: Arbeitsgespräch: wo liegt der Nutzen von Inventarisation und Bauforschung in der praktischen Denkmalpflege?
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51140#0108
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Arbeitsgespräch: Wo liegt der Nutzen von Inventarisation
und Bauforschung in der praktischen Denkmalpflege?

Vorbemerkungen
Urs Boeck

Das Thema dieses Arbeitsgesprächs lautet: ,Wo liegt der Nut-
zen von Inventarisation und Bauforschung in der praktischen
Denkmalpflege?' Ich wurde von mehreren Seiten auf den plat-
ten Pragmatismus angesprochen, der sich in dieser Frage aus-
drückt. Ich muß bekennen, das Ärgernis lag in meiner Absicht.
Hartwig Beseler hat es 1968 als ureigenste Aufgabe des Kon-
servators definiert, die Verhältnisse zwischen Öffentlichkeit
und Denkmalen zu ordnen. Er verwies damit nicht auf die an-
gewandte Wissenschaft Denkmalerhaltung, an die wir vorder-
gründig beim Motto dieser Tagung denken mögen, sondern
auf die Denkmalkunde und ihre Vermittlung, die wir in den
Spielarten Inventarisation und Bauforschung betrachten wol-
len.
Bauforschung wendet sich dem Original als Individuum und in
möglicher Vertiefung zu. Dies dient einmal der Diagnose im
Vorfeld denkmalpflegerischen Handelns, aber genauso
drschließung des Denkmals für die fachliche und breitere Öf-
fentlichkeit. Ein Röntgenbild zur Diagnose? Ein Röntgenbild
oder ein anatomisches Präparat? Durch eine zusätzliche
Gruppe von Spezialisten? Oder als gebündelte Teamarbeit?
Wie unabdingbar und wie öffentlichkeitsnah?
Inventarisation geht vom Original als Individuum beschreibend
und analysierend aus, um die Denkmalwelt generalisierend
darzustellen. Diese Daueraufgabe begründet sich weniger aus

der stets zuwachsenden Zahl würdig werdender Artefakte, als
aus dem steten Wandel der Öffentlichkeit in allen Spielarten.
So wird die Verfügbarkeit der aktualisierten Denkmalkenntnis
ihre instrumentale Lösung fordern, wie die Vermittlungsauf-
gabe sich nicht an Äußerlichkeiten der Veröffentlichung fest-
machen kann, ob nun Liste oder Inventar, ob Denkmaltopo-
graphie oder Corpuswerk, Gutachten oder Fernsehserie.
Ist die Vermittlung der Denkmalkunde wirksam? Hier sind
Zweifel anzumelden. In den Wertfragen wie in den Grundbe-
griffen begegnen wir neben viel Zuwendung in der gesamten
Breite der Öffentlichkeit, fachlich, politisch, viel Ignoranz und
Indolenz. Frage: Verteilen wir die Gewichte unserer Arbeit rich-
tig? Welche Chancen vernachlässigen wir? Wo sind wir zu
penetrant als Spezialist? Ich will hier abbrechen. Ein Arbeits-
gespräch - und das unterscheidet es von den geschliffenen
und gewinnenden Vorträgen der vergangenen zwei Tage -
muß auf Spontaneität setzen. Auch oder gerade angesichts
eines unerträglich utilitaristischen Themas.
Die folgenden Kurzbeiträge wollen die Besichtigung des Patri-
zierhauses Am Ochsenmarkt 1 ergänzen und sich dann abge-
hobenen Überlegungen zuwenden. Sie sind ein offenes Pro-
gramm. Stören sie den Ablauf, unterbrechen sie ihn, formen
sie mit - im Dienste des Originals!

Herrenhaus Heiligenstedten bei Itzehoe
Heiko K. L Schulze

Am Beispiel des ehemaligen Herrenhauses Heiligenstedten
wurden Art und Möglichkeiten der Bauforschung aufgezeigt.
In dem Herrenhaus werden durch eine geplante Nutzungs-
änderung und gravierende Bauschäden Bauuntersuchungen
und tiefgreifende Sanierungen zwingend notwendig.
Das Haus wurde ab 1769 durch den Architekten Nikolas Henri
Jardin errichtet, der einen Vorgängerbau von 1717 mit einbe-
zog. In den Jahren 1851-53 führten Umbauten vor allem zu
einer Aufstockung.
Die im Vorfeld der ersten Maßnahmen einsetzenden Bauunter-
suchungen als vorbereitende Bauforschung helfen den Ent-
scheidungsträgern, den Statikern und Architekten bei ihrer
Planung. Während des Umbaues bzw. der Sanierung müssen
weitere Untersuchungen als begleitende Bauforschung1
durchgeführt werden, die im günstigsten Fall die laufenden
Maßnahmen noch beeinflussen können.
Die Problematik einer Restaurierung ergibt sich aus der Tat-
sache, daß für die 1851 -53 vorgenommene Aufstockung des
Gebäudes minderwertiges Material verwendet und schlechte
handwerkliche Arbeit geleistet wurde. Da deshalb eine Grund-

sanierung notwendig ist, stellte der Referent drei Möglichkei-
ten zur Erhaltung des Baudenkmales zur Debatte:
1. Die Renovierung des jetzigen Zustandes mit allen Einbau-
ten, die nach 1926 vorgenommen wurden, nachdem das
Gebäude in den Besitz des Landes Schleswig-Holstein
kam. Die Lösung werde jedoch im Grunde nicht akzeptiert,
da Zwischendecken eingezogen und Türen vermauert wur-
den.
2. Die Wiederherstellung des Baues des 19. Jahrhunderts mit
den Aufstockungen aus den Jahren 1851-53. Gegen die-
ses Vorhaben spräche der schlechte Erhaltungszustand
des Obergeschosses.
3. Entfernung der Aufstockung des 19. Jahrhunderts und Wie-
derherstellung des Jardin-Baues von 1769. Dieses Vorha-
ben sei ausführbar, da die Baupläne noch existieren. Für die
Rekonstruktion von Baudetails könnte man noch erhaltene
Bauwerke des Architekten Jardin in Dänemark konsultie-
ren.

1 Anm. d. Red.: Nach Aussage des Referenten sind die Bauuntersu-
chungen z. Zt. noch nicht so weit vorangekommen, daß sich die be-
reits vorhandenen Ergebnisse zur Publikation eignen würden.

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