wird, und darunter versteht man auch noch sehr weit gehende
Eingriffe, wie das Auswechseln von Dachbelägen und von Fen-
stern mit allen Folgeerscheinungen für die anstoßenden Bau-
teile. Diese Probleme muß der Konservator allein bewältigen
können.
Es überrascht mich etwas, daß von selten der Konservatoren
nicht einmütig die Forderung nach Einrichtung oder Verstär-
kung vorhandener selbständiger Bauforschungsreferate erho-
ben wird. Das wäre doch eine Entlastung für sie. Aber entwe-
der hat die Bauforschung den Nutzen aus IhrerTätigkeit für die
praktische Denkmalpflege nicht deutlich genug machen kön-
nen oder die Konservatoren befürchten in ihrer Entschei-
dungsfreiheit beeinträchtigt zu werden, wenn als mögliche
Kontrollinstanz andere beteiligt werden, die eine sehr detail-
lierte Kenntnis von den Gebäuden bekommen. Wahrschein-
licher ist aber, und das ist mir auf dieserTagung bei einigen Re-
feraten bewußt geworden, sie befürchten, daß wir Baufor-
scher ihnen gerade den Teil ihrer Arbeit abnehmen, der ihnen
noch etwas Befriedigung an ihrer Tätigkeit gibt. Darüber kann
man weitere Vermutungen anstellen, aber das möchte ich jetzt
der Diskussion überlassen.
Worin liegt der Nutzen von Inventarisation und Bauforschung
in der Denkmalpflege?
Tilmann Breuer
Das ursprünglich vorgesehene Thema dieser Arbeitsitzung -
Bauforschung und Inventarisation - wäre, wie ich glaube,
durchaus nicht ganz konfliktfrei gewesen; und gerade der
soeben gehörte Vortrag von Herrn Masuch hat gezeigt, daß wir
nicht ganz ohne Konflikte leben. Ich meine, daß gerade durch
sein Konfliktpotential dieses Thema so wichtig gewesen wäre,
daß es in einer Plenarsitzung hätte behandelt werden sollen -
denn es geht uns Denkmalpfleger alle an. Ich war daher etwas
traurig, als ich erfahren mußte, daß wir uns wieder nur in einer
Tagungssektion über dieses Thema unterhalten. Auch war ich
etwas konsterniert, daß gerade nicht das Verhältnis Inventari-
sation, Bauforschung, praktische Denkmalpflege zum Thema
gemacht worden ist, sondern die Frage nach dem Nutzen ge-
stellt wurde. Vor langer Zeit habe ich einmal ein Buch zu lesen
versucht, das ein berühmter Philosoph auch mit der Absicht
geschrieben hat, von einer Nutzensethik loszukommen, wobei
er dann einen kategorischen Imperativ formuliert hat. Trotz-
dem habe ich aus zwei Gründen dann doch die Gelegenheit
gern wahrgenommen, hierein paar Worte zu sagen. Einmal ist
das Generalthema dieserTagung - der Umgang mit dem Origi-
nal - doch ein Thema, welches gerade den Denkmalinventari-
sator interessiert, denn Inventarisation ist ja nichts anderes als
Umgang mit dem Denkmal und daher mit der Frage, was „das
Original“ sei. Und dann möchte ich mich eigentlich doch der
Frage des Nutzens und damit auch des Schadens stellen.
Wenn ich als Inventarisator gefragt werde, welchen Nutzen ich
der praktischen Denkmalpflege bringe, dann empfinde ich das
natürlich als eine gewisse Aggression, gegen die ich mich
wehre. Ich glaube zwar, daß ich als Inventarisator auch dann
nicht ganz ohne Sinn auf dieser Welt bin, wenn ich der prakti-
schen Denkmalpflege nichts nutzen sollte. Trotzdem gehe ich
zum Gegenangriff über und frage: Was nutzt eigentlich die
praktische Denkmalpflege der Inventarisation? Einmal im An-
griff, frage ich dann weiter: Inwiefern schadet die praktische
Denkmalpflege der Inventarisation? - und komme dabei dann
doch auf eine ganze Reihe von möglichen Schädigungen. Zu-
nächst tritt die praktische Denkmalpflege immer wieder mit
neuen Forderungen an die Inventarisation heran; ihr Forde-
rungsspektrum ist allumfassend geworden. Der Inventarisator
soll alles wissen; weiß er nicht alles, dann nutzt er nichts. Zwei-
tens hat die praktische Denkmalpflege im Laufe ihrer Ge-
schichte unendlich viel getan, dem Inventarisator das Original
und damit auch das Denkmal zu verschleiern - vielleicht wird
das in der Gegenwart etwas anders. Drittens macht die prakti-
sche Denkmalpflege der Inventarisation unendlich viel Arbeit,
wobei ich z. B. daran denke, wieviel Dokumentation ich jetzt
durcharbeiten muß, um endlich zu begreifen, daß die erschei-
nende Farbfassung eines Denkmals in Wahrheit ein wiederher-
gestellter Befund ist (Der Widerspruch in dieser Formulierung
ist sicher bemerkt worden.) Und was ich schließlich als den
schlimmsten Schaden bezeichnen möchte, den die prakti-
sche Denkmalpflege der Inventarisation zufügt, ist der dau-
ernde Entzug von Kräften, das Ausblutenlassen der Inventari-
sation zugunsten der Praxis.
Es gibt allerdings vielleicht auch Nutzen, den die praktische
Denkmalpflege der Inventarisation bringt. Immerhin hätten wir
ohne die ständige Bemühung um die Erhaltung unserer Denk-
male nur noch abgegangene zu inventarisieren. Das wäre
zwar durchaus nicht nur frustrierend - abgegangene Denk-
male zu inventarisieren ist eine höchst interessante Tätigkeit -
aber doch nicht unsere Hauptaufgabe. Dann nutzt die prakti-
sche Denkmalpflege der Inventarisation zweitens ungeheuer
dadurch, daß sie ihre Tätigkeit ganz genau und durchsichtig
dokumentiert - wovon ich doch ausgehen kann -, damit dann
der Inventarisator alles genau nachschlagen und nachlesen
kann, was mit dem Original geschehen ist. Das ist ein Nutzen,
der dem Inventarisator, wie dargesteilt, zwar Arbeit macht, den
ich mir aber doch erhoffe.
Außerdem bringt uns die praktische Denkmalpflege mit der
Bauforschung, wenn ich diese einmal auf die praktische Seite
setze, drittens neue „Texte“ zum Studium, die unsere Neugier
anregen, und Neugier ist moralisch ja gar nicht so negativ - ich
gehe manchmal nur aus Neugier und zum Zeitvertreib ins Mu-
seum. Museum war für mich immer ein lateinisches Wort für
Zeitvertreib, und auch Denkmale können in gewisser Hinsicht
der Muse dienen. Und dann ist schließlich ein vierter Nutzen zu
nennen, welchen die praktische Denkmalpflege der Inventari-
sation bringt: sie gibt immer wieder Interpretationsanstöße,
denn sie interpretiert ja dauernd das Denkmal. Es ist ein unge-
heuer interessanter Dialog, den die Inventarisation in dieser
Hinsicht laufend mit der praktischen Denkmalpflege führt. Ge-
rade die praktische Denkmalpflege macht deutlich, wie der
Mensch von 1987 die überlieferte bauliche Umwelt versteht.
Wenn ich jetzt Nutzen und Schaden, die der Inventarisation
von der praktischen Denkmalpflege gebracht werden, abge-
wogen habe, dann muß ich mich nun wirklich auch fragen las-
sen, welchen Nutzen die Inventarisation über die praktische
Denkmalpflege den Denkmalen bringt, denn darum nur kann
es gehen, wenn schon von Nutzen gesprochen sein soll. Und
dann muß natürlich auch wieder gefragt werden, ob die Inven-
tarisation der praktischen Denkmalpflege nicht auch Schaden
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Eingriffe, wie das Auswechseln von Dachbelägen und von Fen-
stern mit allen Folgeerscheinungen für die anstoßenden Bau-
teile. Diese Probleme muß der Konservator allein bewältigen
können.
Es überrascht mich etwas, daß von selten der Konservatoren
nicht einmütig die Forderung nach Einrichtung oder Verstär-
kung vorhandener selbständiger Bauforschungsreferate erho-
ben wird. Das wäre doch eine Entlastung für sie. Aber entwe-
der hat die Bauforschung den Nutzen aus IhrerTätigkeit für die
praktische Denkmalpflege nicht deutlich genug machen kön-
nen oder die Konservatoren befürchten in ihrer Entschei-
dungsfreiheit beeinträchtigt zu werden, wenn als mögliche
Kontrollinstanz andere beteiligt werden, die eine sehr detail-
lierte Kenntnis von den Gebäuden bekommen. Wahrschein-
licher ist aber, und das ist mir auf dieserTagung bei einigen Re-
feraten bewußt geworden, sie befürchten, daß wir Baufor-
scher ihnen gerade den Teil ihrer Arbeit abnehmen, der ihnen
noch etwas Befriedigung an ihrer Tätigkeit gibt. Darüber kann
man weitere Vermutungen anstellen, aber das möchte ich jetzt
der Diskussion überlassen.
Worin liegt der Nutzen von Inventarisation und Bauforschung
in der Denkmalpflege?
Tilmann Breuer
Das ursprünglich vorgesehene Thema dieser Arbeitsitzung -
Bauforschung und Inventarisation - wäre, wie ich glaube,
durchaus nicht ganz konfliktfrei gewesen; und gerade der
soeben gehörte Vortrag von Herrn Masuch hat gezeigt, daß wir
nicht ganz ohne Konflikte leben. Ich meine, daß gerade durch
sein Konfliktpotential dieses Thema so wichtig gewesen wäre,
daß es in einer Plenarsitzung hätte behandelt werden sollen -
denn es geht uns Denkmalpfleger alle an. Ich war daher etwas
traurig, als ich erfahren mußte, daß wir uns wieder nur in einer
Tagungssektion über dieses Thema unterhalten. Auch war ich
etwas konsterniert, daß gerade nicht das Verhältnis Inventari-
sation, Bauforschung, praktische Denkmalpflege zum Thema
gemacht worden ist, sondern die Frage nach dem Nutzen ge-
stellt wurde. Vor langer Zeit habe ich einmal ein Buch zu lesen
versucht, das ein berühmter Philosoph auch mit der Absicht
geschrieben hat, von einer Nutzensethik loszukommen, wobei
er dann einen kategorischen Imperativ formuliert hat. Trotz-
dem habe ich aus zwei Gründen dann doch die Gelegenheit
gern wahrgenommen, hierein paar Worte zu sagen. Einmal ist
das Generalthema dieserTagung - der Umgang mit dem Origi-
nal - doch ein Thema, welches gerade den Denkmalinventari-
sator interessiert, denn Inventarisation ist ja nichts anderes als
Umgang mit dem Denkmal und daher mit der Frage, was „das
Original“ sei. Und dann möchte ich mich eigentlich doch der
Frage des Nutzens und damit auch des Schadens stellen.
Wenn ich als Inventarisator gefragt werde, welchen Nutzen ich
der praktischen Denkmalpflege bringe, dann empfinde ich das
natürlich als eine gewisse Aggression, gegen die ich mich
wehre. Ich glaube zwar, daß ich als Inventarisator auch dann
nicht ganz ohne Sinn auf dieser Welt bin, wenn ich der prakti-
schen Denkmalpflege nichts nutzen sollte. Trotzdem gehe ich
zum Gegenangriff über und frage: Was nutzt eigentlich die
praktische Denkmalpflege der Inventarisation? Einmal im An-
griff, frage ich dann weiter: Inwiefern schadet die praktische
Denkmalpflege der Inventarisation? - und komme dabei dann
doch auf eine ganze Reihe von möglichen Schädigungen. Zu-
nächst tritt die praktische Denkmalpflege immer wieder mit
neuen Forderungen an die Inventarisation heran; ihr Forde-
rungsspektrum ist allumfassend geworden. Der Inventarisator
soll alles wissen; weiß er nicht alles, dann nutzt er nichts. Zwei-
tens hat die praktische Denkmalpflege im Laufe ihrer Ge-
schichte unendlich viel getan, dem Inventarisator das Original
und damit auch das Denkmal zu verschleiern - vielleicht wird
das in der Gegenwart etwas anders. Drittens macht die prakti-
sche Denkmalpflege der Inventarisation unendlich viel Arbeit,
wobei ich z. B. daran denke, wieviel Dokumentation ich jetzt
durcharbeiten muß, um endlich zu begreifen, daß die erschei-
nende Farbfassung eines Denkmals in Wahrheit ein wiederher-
gestellter Befund ist (Der Widerspruch in dieser Formulierung
ist sicher bemerkt worden.) Und was ich schließlich als den
schlimmsten Schaden bezeichnen möchte, den die prakti-
sche Denkmalpflege der Inventarisation zufügt, ist der dau-
ernde Entzug von Kräften, das Ausblutenlassen der Inventari-
sation zugunsten der Praxis.
Es gibt allerdings vielleicht auch Nutzen, den die praktische
Denkmalpflege der Inventarisation bringt. Immerhin hätten wir
ohne die ständige Bemühung um die Erhaltung unserer Denk-
male nur noch abgegangene zu inventarisieren. Das wäre
zwar durchaus nicht nur frustrierend - abgegangene Denk-
male zu inventarisieren ist eine höchst interessante Tätigkeit -
aber doch nicht unsere Hauptaufgabe. Dann nutzt die prakti-
sche Denkmalpflege der Inventarisation zweitens ungeheuer
dadurch, daß sie ihre Tätigkeit ganz genau und durchsichtig
dokumentiert - wovon ich doch ausgehen kann -, damit dann
der Inventarisator alles genau nachschlagen und nachlesen
kann, was mit dem Original geschehen ist. Das ist ein Nutzen,
der dem Inventarisator, wie dargesteilt, zwar Arbeit macht, den
ich mir aber doch erhoffe.
Außerdem bringt uns die praktische Denkmalpflege mit der
Bauforschung, wenn ich diese einmal auf die praktische Seite
setze, drittens neue „Texte“ zum Studium, die unsere Neugier
anregen, und Neugier ist moralisch ja gar nicht so negativ - ich
gehe manchmal nur aus Neugier und zum Zeitvertreib ins Mu-
seum. Museum war für mich immer ein lateinisches Wort für
Zeitvertreib, und auch Denkmale können in gewisser Hinsicht
der Muse dienen. Und dann ist schließlich ein vierter Nutzen zu
nennen, welchen die praktische Denkmalpflege der Inventari-
sation bringt: sie gibt immer wieder Interpretationsanstöße,
denn sie interpretiert ja dauernd das Denkmal. Es ist ein unge-
heuer interessanter Dialog, den die Inventarisation in dieser
Hinsicht laufend mit der praktischen Denkmalpflege führt. Ge-
rade die praktische Denkmalpflege macht deutlich, wie der
Mensch von 1987 die überlieferte bauliche Umwelt versteht.
Wenn ich jetzt Nutzen und Schaden, die der Inventarisation
von der praktischen Denkmalpflege gebracht werden, abge-
wogen habe, dann muß ich mich nun wirklich auch fragen las-
sen, welchen Nutzen die Inventarisation über die praktische
Denkmalpflege den Denkmalen bringt, denn darum nur kann
es gehen, wenn schon von Nutzen gesprochen sein soll. Und
dann muß natürlich auch wieder gefragt werden, ob die Inven-
tarisation der praktischen Denkmalpflege nicht auch Schaden
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