Arbeitsgespräch: Farbige Fassungen und Ausmalungen
Rathaus Celle-
Wiederherstellung der historischen Architekturfarbigkeit
Peter Königfeld
Architekturfarbigkeit ist ein Bestandteil des Baudenkmals als
ganzheitlichen Originals. Ihrer Wiederherstellung kommt daher
in der denkmalpflegerischen Praxis große Bedeutung zu.
Doch welches historische Bauwerk hat nicht auch in seinem
Äußeren Veränderungen durch Um- und Anbauten hinnehmen
müssen, welches hat nicht durch kontinuierliche Bauunterhal-
tung immer neue malermäßige Überarbeitungen erfahren?
Daß eine Rückführung von Architekturfarbigkeit auf den
ursprünglichen, als den unmittelbar nach Fertigstellung des
Gebäudes erreichten Zustand einen Verlust bedeuten würde,
da mit der Beseitigung bzw. Nichtberücksichtigung jüngerer
Fassungen eine gravierende Minderung des künstlerischen
und geschichtlichen Aussagewertes in Kauf genommen
würde, möchte ich an einem Beispiel aus Niedersachsen zur
Diskussion stellen.
Bei malermäßigen Vorarbeiten für einen Neuanstrich der Rat-
hausfassaden in Celle traten Anfang 1984 großflächige Reste
ornamentaler Bemalung zutage. Die Ergebnisse der nachfol-
genden restauratorischen Untersuchungen belegten, daß das
Äußere des seit 1562 unter Einbeziehung gotischer Teile eines
Vorgängerbaues neu errichteten Rathauses bis in das 19. Jahr-
1 Celle, Rathaus. Vorzustand, um 1960.
hundert hinein immer wieder, zum Teil sehr aufwendig farbig
gestaltet worden ist. Archivalische Quellenbelege sowie alte
Ansichten und Fotografien bestätigen und ergänzen diese
Feststellungen:
1600 erhielt der Maler Asmus Zahlungen für den Anstrich der
Pfeiler unter dem Rathaus. Für das Jahr 1602 ist eine Farbge-
bung ("das Rathaus zu witken") belegt. Besonders ausführlich
stellt eine Malerrechnung von 1610 die vorgenommenen Maß-
nahmen dar; sie überliefert sogar die Menge des Leinöls (133
Pfund) für den Anstrich ("ganz und gar unten und oben zuuer-
mahlen“). Noch deutlicher spricht der Rechnungsbeleg des
H.J. Süersen von 1697 über die ausgeführten Arbeiten (“daß
Rathauß außwendig hümmer ist Von Öhlfarben Grau in grau
gemahlet worden. Die Fenster Ramenß und Dühren sein Öhl-
holzfarbe Angestrichgen und geadert worden“). - Ein Ge-
mälde auf einem Uhrenkasten im Bomann-Museum Celle
zeigt das Rathaus um 1790 in Hellgrau. Ebenso gibt es um
1840 ein Stahlstich wieder. Auch in der Folge ändert der Bau
seine Farbigkeit nur wenig. Erstmals 1938/39 wird es dann in
rötlichem Ockergelb gestrichen. Diese Farbigkeit ist in der
Folge (1960 und 1971) nur leicht modifiziert worden.
in der Abfolge der 13 nachweisbaren Farbfassungen des „Al-
ten Rathauses“ verdienen zwei frühere Schichten (Schicht 2
und 4) besondere Aufmerksamkeit. Sie sind im Unterschied zu
den anderen, die mehr oder weniger aufwendige Anstriche, al-
lerdings teilweise mit Fugengliederungen, darstellen, reich
ausgebildete Fassadenmalereien:
Schicht 2: eine Diamantquaderung, die - wohl nicht so kristal-
lin wie in der Rekonstruktionszeichnung, sondern mit Orna-
menten aufgelockert - die Außenflächen insgesamt überzieht.
Es kann angenommen werden, daß die Malerei mit der Rech-
nung von Tobias Olpken vom 19. Juli 1610 in Verbindung steht;
Schicht 4: eine Dekorationsmalerei mit Quaderungen im Erd-
geschoß, Pilastergliederungen, Nischen- und Rankenorna-
menten im Obergeschoß. Vermutlich stammt sie vom Maler-
meister Süersen, dessen Rechnungsbelege vom 9. Dezember
1697 sich im Stadtarchiv Celle befinden.
Das Institut für Denkmalpflege als zentrale Denkmal-Fach-
behörde empfahl der Stadt, die überregional bedeutsame,
qualitätvolle Fassadenmalerei der Barockzeit freizulegen und
zu restaurieren. Es ließ sich dabei vor allem von den techni-
schen Gegebenheiten leiten: Da der Bestand der kunst- und
kulturgeschichtlich bedeutsamen älteren Fassungen durch die
darüberliegenden, im Zustand mangelhaften Anstriche gefähr-
det waren, ergab sich die Notwendigkeit, auf die Beseitigung
aller jüngeren Schichten, Zementausflickungen und Spachtel-
massen sowie die Freilegung der bis auf Fehlstellen intakten
Malschicht 4 zu dringen.
Die kunstgeschichtliche Analyse und Einordnung der Renais-
sance- und Barockfassungen des Geller Rathauses werden
dadurch erschwert, daß vergleichbare Bauwerke in Nieder-
sachsen - die Hamelner Hauptbauten um 1600 (Hochzeits-
haus, Rattenfängerhaus und Rattenkrug), die vielen anderen
116
Rathaus Celle-
Wiederherstellung der historischen Architekturfarbigkeit
Peter Königfeld
Architekturfarbigkeit ist ein Bestandteil des Baudenkmals als
ganzheitlichen Originals. Ihrer Wiederherstellung kommt daher
in der denkmalpflegerischen Praxis große Bedeutung zu.
Doch welches historische Bauwerk hat nicht auch in seinem
Äußeren Veränderungen durch Um- und Anbauten hinnehmen
müssen, welches hat nicht durch kontinuierliche Bauunterhal-
tung immer neue malermäßige Überarbeitungen erfahren?
Daß eine Rückführung von Architekturfarbigkeit auf den
ursprünglichen, als den unmittelbar nach Fertigstellung des
Gebäudes erreichten Zustand einen Verlust bedeuten würde,
da mit der Beseitigung bzw. Nichtberücksichtigung jüngerer
Fassungen eine gravierende Minderung des künstlerischen
und geschichtlichen Aussagewertes in Kauf genommen
würde, möchte ich an einem Beispiel aus Niedersachsen zur
Diskussion stellen.
Bei malermäßigen Vorarbeiten für einen Neuanstrich der Rat-
hausfassaden in Celle traten Anfang 1984 großflächige Reste
ornamentaler Bemalung zutage. Die Ergebnisse der nachfol-
genden restauratorischen Untersuchungen belegten, daß das
Äußere des seit 1562 unter Einbeziehung gotischer Teile eines
Vorgängerbaues neu errichteten Rathauses bis in das 19. Jahr-
1 Celle, Rathaus. Vorzustand, um 1960.
hundert hinein immer wieder, zum Teil sehr aufwendig farbig
gestaltet worden ist. Archivalische Quellenbelege sowie alte
Ansichten und Fotografien bestätigen und ergänzen diese
Feststellungen:
1600 erhielt der Maler Asmus Zahlungen für den Anstrich der
Pfeiler unter dem Rathaus. Für das Jahr 1602 ist eine Farbge-
bung ("das Rathaus zu witken") belegt. Besonders ausführlich
stellt eine Malerrechnung von 1610 die vorgenommenen Maß-
nahmen dar; sie überliefert sogar die Menge des Leinöls (133
Pfund) für den Anstrich ("ganz und gar unten und oben zuuer-
mahlen“). Noch deutlicher spricht der Rechnungsbeleg des
H.J. Süersen von 1697 über die ausgeführten Arbeiten (“daß
Rathauß außwendig hümmer ist Von Öhlfarben Grau in grau
gemahlet worden. Die Fenster Ramenß und Dühren sein Öhl-
holzfarbe Angestrichgen und geadert worden“). - Ein Ge-
mälde auf einem Uhrenkasten im Bomann-Museum Celle
zeigt das Rathaus um 1790 in Hellgrau. Ebenso gibt es um
1840 ein Stahlstich wieder. Auch in der Folge ändert der Bau
seine Farbigkeit nur wenig. Erstmals 1938/39 wird es dann in
rötlichem Ockergelb gestrichen. Diese Farbigkeit ist in der
Folge (1960 und 1971) nur leicht modifiziert worden.
in der Abfolge der 13 nachweisbaren Farbfassungen des „Al-
ten Rathauses“ verdienen zwei frühere Schichten (Schicht 2
und 4) besondere Aufmerksamkeit. Sie sind im Unterschied zu
den anderen, die mehr oder weniger aufwendige Anstriche, al-
lerdings teilweise mit Fugengliederungen, darstellen, reich
ausgebildete Fassadenmalereien:
Schicht 2: eine Diamantquaderung, die - wohl nicht so kristal-
lin wie in der Rekonstruktionszeichnung, sondern mit Orna-
menten aufgelockert - die Außenflächen insgesamt überzieht.
Es kann angenommen werden, daß die Malerei mit der Rech-
nung von Tobias Olpken vom 19. Juli 1610 in Verbindung steht;
Schicht 4: eine Dekorationsmalerei mit Quaderungen im Erd-
geschoß, Pilastergliederungen, Nischen- und Rankenorna-
menten im Obergeschoß. Vermutlich stammt sie vom Maler-
meister Süersen, dessen Rechnungsbelege vom 9. Dezember
1697 sich im Stadtarchiv Celle befinden.
Das Institut für Denkmalpflege als zentrale Denkmal-Fach-
behörde empfahl der Stadt, die überregional bedeutsame,
qualitätvolle Fassadenmalerei der Barockzeit freizulegen und
zu restaurieren. Es ließ sich dabei vor allem von den techni-
schen Gegebenheiten leiten: Da der Bestand der kunst- und
kulturgeschichtlich bedeutsamen älteren Fassungen durch die
darüberliegenden, im Zustand mangelhaften Anstriche gefähr-
det waren, ergab sich die Notwendigkeit, auf die Beseitigung
aller jüngeren Schichten, Zementausflickungen und Spachtel-
massen sowie die Freilegung der bis auf Fehlstellen intakten
Malschicht 4 zu dringen.
Die kunstgeschichtliche Analyse und Einordnung der Renais-
sance- und Barockfassungen des Geller Rathauses werden
dadurch erschwert, daß vergleichbare Bauwerke in Nieder-
sachsen - die Hamelner Hauptbauten um 1600 (Hochzeits-
haus, Rattenfängerhaus und Rattenkrug), die vielen anderen
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