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Wandlungen im Heidelberger Stadtbild
über dem Graben, entstand bald nach 1500 das Zeug-
haus (heute Marstall) mit hohem Dach und trutziger,
bis an die Flußsohle reichender Nordwand. 1468 wurde
da, wo heute die Anatomie steht, das Dominikanerkloster
gegründet, über eine beträchtliche Fläche der Vorstadt
dehnte sich der von der Mitte des 16. Jahrhunderts an
entstehende Herrengarten aus. Während aber die Vor-
stadt noch bis ins 19. Jahrhundert hinein ihren länd-
lichen Charakter bewahrte, lag der Schwerpunkt der
städtischen Entwicklung nach wie vor in der Altstadt.
Mitten auf dem Marktplatz hatte Kurfürst Ruprecht III.,
der deutsche König, an Stelle einer älteren Kirche den
großartigen Bau der Heiliggeistkirche begonnen, die das
Bild der Stadt wesentlich mitbestimmen sollte.
Eine erste deutliche Vorstellung vom Aussehen und Umfang
des mittelalterlichen Heidelberg vermittelt uns der große
Holzschnitt Sebastian Münsters von 1550. Mächtig und
beherrschend überragt der gotische Spitzturm der Hei-
liggeistkirche die zwischen Fluß und Berg eingeengte
Altstadt. Aus dem Gewirr der hochgiebeligen, schmalen
Fachwerkhäuser heben sich da und dort deutlich erkenn-
bar die Helme und Erker reicher Bürgerhäuser oder
die Dachreiter kirchlicher Bauten heraus. Ein fester
Mauerring mit Türmen und Toren umschloß die Alt-
stadt. Vom Klingenteich zog die Stadtbefestigung die
heutige Graben- und Marstallstraße herunter, wandte
sich am Zeughaus, das bereits vor dem Graben lag, in
rechtem Winkel neckaraufwärts bis zum Tränk- und
Leyertor, schwenkte von hier aus am oberen Tor der
Hauptstraße vorbei wieder dem Berg zu, um an der
Nordostecke des Schlosses zu endigen. Die südliche Stadt-
seite war unbefestigt, sie wurde durch Berg und Burg
geschützt. Der einzige freie Platz der Altstadt war da-
mals der Markt, um den sich seit alters eine Reihe statt-
licher Gebäude gruppierte. Dem hochaufragenden Chor
der Heiliggeistkirche gegenüber stand das Rathaus, ein
eindrucksvoller Giebelbau mit Altan und zwei Toren.
Südlich schloß sich daran das städtische Salzhaus und
nördlich die vornehmste Herberge der Stadt, das Gast-
haus zum Hirschen, an. Abgesehen von dem Casimiria-
num, einer Studentenburse, treten die Gebäulichkeiten
der Universität nirgends besonders in Erscheinung. Denn
Hörsäle und Internate der Studierenden waren in ver-
schiedenen nach der Reformation freigewordenen Klö-
stern oder in andern Häusern untergebracht. In der Vor-
stadt, wo einzelne dichtere Gebäudegruppen noch mit
Gärten und Ackerland abwechselten, gab es eigentlich
nur entlang der Hauptstraße eine einigermaßen geschlos-
sene und durchgehende Häuserzeile. Das äußere Speie-
rer Tor schloß die durch einen uneinheitlichen und
lückenhaften Mauerzug nur dürftig geschützte Vorstadt
nach Westen ab. Das Stadtbild am Neckar war durch
mehrere Mühlen belebt, über den Fluß führte die reiz-
volle, auf acht Steinpfeilern ruhende Brücke mit holz-
gedeckter Fahrbahn und hohen Tortürmen auf beiden
Uferseiten. Wie Merian berichtet, wurde diese Brücke
am 2. Februar 1565 „durch eine eißschwellung und
daherrührende gewaltige Wasserflut zerrissen und hin-
weggeführt“. Hoch über der Stadt auf dem Jettenbühl
zeigt Münsters Holzschnitt zwischen festen Türmen und
wuchtigen Mauern die Wohnbauten des Pfalzgrafen-
schlosses. Und dort, wo sich heute die Molkenkur be-
findet, sind noch Reste der 1537 durch Blitzschlag zer-
störten oberen Burg zu erkennen.
Mit dem Aufstieg der Kurpfalz zum führenden Territo-
rium innerhalb der protestantischen Union erreichte die
Stadt in den beiden ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhun-
derts den Höhepunkt ihrer Entwicklung. Größeren Glanz
hat sie später nicht wieder entfaltet. Zwei fast gleich-
zeitige bildliche Darstellungen haben architektonisch ge-
treu das Bild der Stadt zur Zeit ihrer Blüte festgehal-
ten, das große Ölgemälde von Jacques Fouquieres (zwi-
schen 1616 und 1618) und der berühmte Stich von Mat-
thäus Merian (1620). In ihrem Umfang zeigt die Stadt
keine Veränderung. Noch umzieht sie die türmereiche
Befestigung, die an der südlichen Mauer der Vorstadt
seit 1600 verstärkt wurde. Das Gelände der Vorstadt
scheint jetzt mehr ausgenutzt. Ihre Gärten, der ältere
Herrengarten und der Garten des 1613 erbauten Schöm-
berger Hofes, sind ganz im Stile der italienischen Gar-
tenkunst zu kunstvollen Anlagen mit Hecken, Zierbeeten,
Brunnen und Gartenhäusern entwickelt. Offensichtlich
unter dem Einfluß der neueren Schloßbauten hielt der
Renaissancestil seinen Einzug auch unten in der Stadt.
Damit setzte sich eine repräsentativere Bauweise durch.
An Stelle mancher unscheinbarer Fachwerkhäuser aus
dem Mittelalter traten mehrgeschossige Giebelbauten
mit vorkragenden Stockwerken oder prachtvolle Stein-
bauten, wie das Haus des aus Tournai zugewanderten
wohlhabenden Handelsherrn, Charles Belier, in der Haupt-
straße (der sogenannte Ritter), das mit Recht das schön-
ste Bürgerhaus der Stadt genannt werden darf. Meh-
rere stattliche öffentliche Gebäude zeugen von dem Bau-
willen der Kurfürsten. So fällt auf dem Merianschen
Stich der im Jahre 1590 von Kurfürst Kasimir hinter
dem Zeughaus begonnene imponierende Bau des Marstalls
mit seinen hochstrebenden Zwerchhäusern besonders auf,
ferner das im folgenden Jahr entstandene Collegium
Gasimirianum, sowie die kurfürstliche Kanzlei unterhalb
des Schlosses.
Die wirtschaftliche und kulturelle Blüte, deren sich Hei-
delberg zu Beginn des 17. Jahrhunderts rühmen konnte,
hat der 30 jährige Krieg wieder völlig zunichte gemacht.
Im Gegensatz zu vielen andern Städten der Pfalz, so des
benachbarten Mannheim, erlitt Heidelberg Verhältnis -
mäßig wenig Zerstörungen. Aber die Not und Armut des
ganzen Landes lastete drückend auch auf der Residenz.
Während der überaus mühsamen und zunächst auch er-
folgreichen Wiederaufbauarbeit unter Karl Ludwig hat
das Heidelberger Stadtbild nur geringfügige Verände-
rungen erfahren. Zu erwähnen ist jedoch, daß der Kur-
fürst für seine ihm morganatisch angetraute zweite,
Wandlungen im Heidelberger Stadtbild
über dem Graben, entstand bald nach 1500 das Zeug-
haus (heute Marstall) mit hohem Dach und trutziger,
bis an die Flußsohle reichender Nordwand. 1468 wurde
da, wo heute die Anatomie steht, das Dominikanerkloster
gegründet, über eine beträchtliche Fläche der Vorstadt
dehnte sich der von der Mitte des 16. Jahrhunderts an
entstehende Herrengarten aus. Während aber die Vor-
stadt noch bis ins 19. Jahrhundert hinein ihren länd-
lichen Charakter bewahrte, lag der Schwerpunkt der
städtischen Entwicklung nach wie vor in der Altstadt.
Mitten auf dem Marktplatz hatte Kurfürst Ruprecht III.,
der deutsche König, an Stelle einer älteren Kirche den
großartigen Bau der Heiliggeistkirche begonnen, die das
Bild der Stadt wesentlich mitbestimmen sollte.
Eine erste deutliche Vorstellung vom Aussehen und Umfang
des mittelalterlichen Heidelberg vermittelt uns der große
Holzschnitt Sebastian Münsters von 1550. Mächtig und
beherrschend überragt der gotische Spitzturm der Hei-
liggeistkirche die zwischen Fluß und Berg eingeengte
Altstadt. Aus dem Gewirr der hochgiebeligen, schmalen
Fachwerkhäuser heben sich da und dort deutlich erkenn-
bar die Helme und Erker reicher Bürgerhäuser oder
die Dachreiter kirchlicher Bauten heraus. Ein fester
Mauerring mit Türmen und Toren umschloß die Alt-
stadt. Vom Klingenteich zog die Stadtbefestigung die
heutige Graben- und Marstallstraße herunter, wandte
sich am Zeughaus, das bereits vor dem Graben lag, in
rechtem Winkel neckaraufwärts bis zum Tränk- und
Leyertor, schwenkte von hier aus am oberen Tor der
Hauptstraße vorbei wieder dem Berg zu, um an der
Nordostecke des Schlosses zu endigen. Die südliche Stadt-
seite war unbefestigt, sie wurde durch Berg und Burg
geschützt. Der einzige freie Platz der Altstadt war da-
mals der Markt, um den sich seit alters eine Reihe statt-
licher Gebäude gruppierte. Dem hochaufragenden Chor
der Heiliggeistkirche gegenüber stand das Rathaus, ein
eindrucksvoller Giebelbau mit Altan und zwei Toren.
Südlich schloß sich daran das städtische Salzhaus und
nördlich die vornehmste Herberge der Stadt, das Gast-
haus zum Hirschen, an. Abgesehen von dem Casimiria-
num, einer Studentenburse, treten die Gebäulichkeiten
der Universität nirgends besonders in Erscheinung. Denn
Hörsäle und Internate der Studierenden waren in ver-
schiedenen nach der Reformation freigewordenen Klö-
stern oder in andern Häusern untergebracht. In der Vor-
stadt, wo einzelne dichtere Gebäudegruppen noch mit
Gärten und Ackerland abwechselten, gab es eigentlich
nur entlang der Hauptstraße eine einigermaßen geschlos-
sene und durchgehende Häuserzeile. Das äußere Speie-
rer Tor schloß die durch einen uneinheitlichen und
lückenhaften Mauerzug nur dürftig geschützte Vorstadt
nach Westen ab. Das Stadtbild am Neckar war durch
mehrere Mühlen belebt, über den Fluß führte die reiz-
volle, auf acht Steinpfeilern ruhende Brücke mit holz-
gedeckter Fahrbahn und hohen Tortürmen auf beiden
Uferseiten. Wie Merian berichtet, wurde diese Brücke
am 2. Februar 1565 „durch eine eißschwellung und
daherrührende gewaltige Wasserflut zerrissen und hin-
weggeführt“. Hoch über der Stadt auf dem Jettenbühl
zeigt Münsters Holzschnitt zwischen festen Türmen und
wuchtigen Mauern die Wohnbauten des Pfalzgrafen-
schlosses. Und dort, wo sich heute die Molkenkur be-
findet, sind noch Reste der 1537 durch Blitzschlag zer-
störten oberen Burg zu erkennen.
Mit dem Aufstieg der Kurpfalz zum führenden Territo-
rium innerhalb der protestantischen Union erreichte die
Stadt in den beiden ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhun-
derts den Höhepunkt ihrer Entwicklung. Größeren Glanz
hat sie später nicht wieder entfaltet. Zwei fast gleich-
zeitige bildliche Darstellungen haben architektonisch ge-
treu das Bild der Stadt zur Zeit ihrer Blüte festgehal-
ten, das große Ölgemälde von Jacques Fouquieres (zwi-
schen 1616 und 1618) und der berühmte Stich von Mat-
thäus Merian (1620). In ihrem Umfang zeigt die Stadt
keine Veränderung. Noch umzieht sie die türmereiche
Befestigung, die an der südlichen Mauer der Vorstadt
seit 1600 verstärkt wurde. Das Gelände der Vorstadt
scheint jetzt mehr ausgenutzt. Ihre Gärten, der ältere
Herrengarten und der Garten des 1613 erbauten Schöm-
berger Hofes, sind ganz im Stile der italienischen Gar-
tenkunst zu kunstvollen Anlagen mit Hecken, Zierbeeten,
Brunnen und Gartenhäusern entwickelt. Offensichtlich
unter dem Einfluß der neueren Schloßbauten hielt der
Renaissancestil seinen Einzug auch unten in der Stadt.
Damit setzte sich eine repräsentativere Bauweise durch.
An Stelle mancher unscheinbarer Fachwerkhäuser aus
dem Mittelalter traten mehrgeschossige Giebelbauten
mit vorkragenden Stockwerken oder prachtvolle Stein-
bauten, wie das Haus des aus Tournai zugewanderten
wohlhabenden Handelsherrn, Charles Belier, in der Haupt-
straße (der sogenannte Ritter), das mit Recht das schön-
ste Bürgerhaus der Stadt genannt werden darf. Meh-
rere stattliche öffentliche Gebäude zeugen von dem Bau-
willen der Kurfürsten. So fällt auf dem Merianschen
Stich der im Jahre 1590 von Kurfürst Kasimir hinter
dem Zeughaus begonnene imponierende Bau des Marstalls
mit seinen hochstrebenden Zwerchhäusern besonders auf,
ferner das im folgenden Jahr entstandene Collegium
Gasimirianum, sowie die kurfürstliche Kanzlei unterhalb
des Schlosses.
Die wirtschaftliche und kulturelle Blüte, deren sich Hei-
delberg zu Beginn des 17. Jahrhunderts rühmen konnte,
hat der 30 jährige Krieg wieder völlig zunichte gemacht.
Im Gegensatz zu vielen andern Städten der Pfalz, so des
benachbarten Mannheim, erlitt Heidelberg Verhältnis -
mäßig wenig Zerstörungen. Aber die Not und Armut des
ganzen Landes lastete drückend auch auf der Residenz.
Während der überaus mühsamen und zunächst auch er-
folgreichen Wiederaufbauarbeit unter Karl Ludwig hat
das Heidelberger Stadtbild nur geringfügige Verände-
rungen erfahren. Zu erwähnen ist jedoch, daß der Kur-
fürst für seine ihm morganatisch angetraute zweite,