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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 2.1884

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Nr. 4
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Festing, F.: Studien über Plastik, [5]: altchristliche Periode, 1. bis 10 Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.15860#0033

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29

im engeren Anschluß an das kirchliche
Leben entwickelte, diese Thatsache ist uns
setzt ein offenkundiger historischer Beweis,
daß die katholische Kirche nichts weniger
als eine Feindin, vielmehr eine eifrige
Förderin der Kunst von Anbeginn des
Christenthums gewesen ist.

Gerade bei der Plastik hatte die christ-
liche Kunst den schwersten Stand. „Du
sollst dir kein geschnitztes Bild machen,
dasselbe anzubeten", dieses Grundgebot
des den Juden gegebenen Gesetzes galt
auch den Christen als Grundgesetz ihres
innern und äußern Lebens. Nun war aber
gerade die Plastik so recht die Kunst des
diesseitigen, versinnlichten Lebens, jenes
Götzendienstes der antiken Völker ge-
worden , und die neuen Jünger Christi
hatten alle Ursache, die verführerische Macht
der in Stein und Erz gebannten Geister-
schaar zu fürchten. Stand sie doch längst
im Dienste einer verfeinerten und rafsinirten
Sinnlichkeit, deren Bekämpfung gerade eine
Hauptaufgabe der christlichen Religion in
jenen Tagen bildete.

Nur mit Vorsicht mochte man deßhalb
daran gehen, sich der Plastik zu bedienen,
um im Kleide der alten Typen die neuen
Gedanken auszusprechen. Was bei Be-
trachtung jener altchristlichen Kunstgattung
sogleich aussällt, ist die Erscheinung, daß
sie im Gegensatz zur Malerei fast gar
keine selbständigen Werke und Einzelfiguren
aufzuweisen hat. Sie scheint sich fast nur
mit der Ausschmückung der Gräber und
der Darstellung der ernsten Todesgedanken
besaßt zu haben. Daß schon früh eine
Statue Christi existirt, die jene von ihm
vom Blutfluß geheilte Frau (Matth. 9,20)
gesetzt und Kaiser Julian zerstört hätte,
daß Nikodemus ein Bild des Heilandes
aus Cederuholz geschnitzt habe, kann eben-
sowenig wie das angeblich durch den hl.
Lukas gemalte Bild Christi durch geschicht-
liche Zeugnisse begründet werden. Je inniger
man gerade in jenen ersten Tagei: der
christlichen Kirche des geliebten Herrn und
Meisters im treuen Jüngerkreise gedachte
und die Ueberlieferungen über seine mensch-
liche Gestalt im lebhaften Andenken be-
wahrte unb von Mund zu Mund fort-
pflanzte, desto weniger fühlte man sich viel-
leicht geneigt, das dem geistigen Auge
vorschwebende Bild im tobten Steine dar-

zustellen. Außer jener allgemeinen Ab-
neigung gegen diese Lieblingskunst des
griechisch-römischen Alterthums hielt die
erstell Christen gewiß auch eine gewisse
Scheu vor der scheinbaren Nachahmung
einer Kunstübung zurück, welche gerade in
jener Zeit von den römischen Kaisern zur
abgöttischen Verherrlichung ihrer Person
mißbraucht wurde. Nur von dem noch
heidnischen Kaiser Alexander Severus ist
bekannt, daß er eine Statue Christi an-
fertigen ließ, welcher Versuch aber nichts
weniger als Nachahmung gesunden zu haben
scheint.

Einige wenige Statuetten aus Marmor,
die aus den Katakomben stammen und
gegenwärtig im Museum des Lateran auf-
bewahrt werden, stellen noch nicht den ge-
schichtlichen Christus, sondern nur das
symbolische Bild des guten Hirten, als den
er sich selbst parabolisch bezeichnet hatte, dar.
Bartlos, mit der aufgeschürzten antiken
Chlamys, dem weiten Obergewand, bekleidet,
hält er nach der einen Darstellung in der
Linken den Hirtenstab und streckt die Rechte
gegen ein Lamm zu seinen Füßen aus;
nach der andern trägt er das verirrte
Schaf auf seinen Schultern.

Das älteste noch erhaltene Standbild
ist das des hl. Hipolytus, ebenfalls im
Lateran. Auf ihn weisen die Titel mehrerer
Schriften des Genannten und der bis zum
Jahre 333 gehende Ostercyklus hin, die aus
der Rückseite des Sessels eingegraben sind.
Aber nur die untere Hälfte dieser in der
würdevollen Haltung eines Rhetors da-
sitzenden Gestalt gehört dem dritten Jahr-
hundert an; die obere mit dem Kopse ist
neu aufgesetzt. Sie scheint also ursprüng-
lich von einem heidnischen Bildhauer her-
zurühreu. Das bekannteste und bedeutendste
Werk ist die große Erzstatue des hl. Petrus
in der Peterskirche. Den bessern Werken
in der Kaiserzeit verwandt, gleicht es in
Gewandung und Haltung den sitzenden
Senatorengestalten der antiken Periode.
In der Linken, die noch zum Theil von
dem in sorgfältige Faltenlage gebrachten
Gewände bedeckt ist, hält der Apostelsürst
den Schlüssel, während die Rechte segnend
erhoben ist.

Die häufigste Gelegenheit zu plastischem
Schmuck boten die Sarkophage, Todteu-
särge, deren Gebrauch namentlich in den
 
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