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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 2.1884

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Nr. 4
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Schrod, Konrad: Die Kanontafeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.15860#0038

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34

Urnen und weinenden Genien u. dgl. sind
keine zum Altar und zum hl. Opfer passende
und für Textblätter geeignete Zier.

Als Bilderschmuck für die mittlere Tafel
wird eine Kreuzgruppe, das letzte Abend-
mahl u. dgl. genügen; diese Bilder seien
als Holzschnitte, die zu dem liturgischen
Druck stimmen, nicht aber als Stahlstiche
und noch weniger als Oeldrucke behandelt.
Die Seitentafeln können sehr wohl jedes
Bild entbehren. Den gesammten Text jeder
Tafel kann eine einfache Zierlinie, ein
bloßes Filet, eine stylisirte Leiste mit Ranken-
ornament ganz passend um- und abschließen.

Kanontafeln scheinen lukrative Artikel
zu sein, wie die bunte Mannigfaltigkeit
schließen läßt, welche auf den Markt kommt.
Findet sinnloses Zeug keine Käufer, dann
wird es auch schließlich nicht mehr her-
gestellt; die Fabrikanten arbeiten ja nicht
für ihren eigenen Bedarf, sondern für die
verehrlichen Abnehmer, und das sind bei
diesem Artikel zunächst wir Diener des
Altars; an uns liegt es, wie auf dem
Gebiete der Paramentik, so auch bezüglich
der unscheinbarsten Ornamente für den
Dienst der Kirche Besseres zu verlangen;
es wird dann auch Besseres angeboteu
werden.

Die mittlere Tafel wird zunächst drei-
spaltig gedruckt und dadurch mehr in die
Breite gezogen: late aliquanto amplius
pateat, quam longe, hatte schon des hl.
Karl Instruktion (2, 2) vorgezeichnet.
Die Herstellung derselben als Triptychon,
wie sie im „Archiv" (1883, S. 46) ge-
wünscht wird, ist dadurch wie von selbst
angezeigt. Neu und ungewöhnlich ist diese
Form übrigens nicht. Im Bereiche der
Diözese Lyon muß sie allgemein üblich
sein; anders hätte ein französischer Kunst-
schriftsteller (in Revue de Part chretien
1883, S. 346) dieselbe nicht Wohl dem
„lyoner Ritus" zuschreiben können. Auch
in England und Belgien hat sie sich seit
Jahren vielfach eingebürgert. Eine in
Belgien in mehreren Auflagen verbreitete,
lithographisch hergestellte Ausgabe hat die
Dreitheilung in der Weise durchgesührt,
daß an ein Mittelstück von 31 cm Höhe
und 24 cm Breite sich zwei gesonderte
Seitenflügel von gleicher Höhe und 11 cm
Breite anschließen. Ein einfaches Filet um-
spannt jedes dieser drei Theile; die Oratio-

nen sind gleichfalls durch eine rothe Linie
von einander gesondert; das Centrum des
Mittelstückes nimmt eine Kreuzgruppe ein,
zu deren Seiten der Text schmälere Kolumnen
bildet, während er über und unter derselben
über die ganze Breite hinläuft. Mit Glas
und Rahmen, oder auch, wie es mehr ge-
schieht , mittelst einer bloßen Unterlage
von Carton lassen sich diese drei Theile
in einfachster Weise zu einem gefälligen
Triptychon zusammenstellen. Ist die ganze
Fassung in Holz oder Metall hergestellt,
so bewegen sich die Seitenflügel in Schar-
nieren; bei bloßer Cartonnagearbeit ist Zu-
sammenhang und Beweglichkeit der Flügel
durch einen Falz des Calico- oder Leder-
überzugs vermittelt.

Mit dieser Bemerkung ist bereits die
weitere Frage berührt: Welche Fassung
ist den Kanonblättern für den wirklichen
Gebrauch am Altäre zu geben? Sollen
dieselben nach Weise der Bilder, womit
wir unsere Wohnungen schmücken, in einen
Rahmen unter Glas gespannt, oder bloß
ans eine feste Unterlage aufgezogen werden,
so daß sie als dünne, leichte Tafeln zur
Verwendung kommen? — Die erste Art
der Ausstattung ist die gebräuchlichere und
hat ihre Vorzüge; die Textblätter sind
dabei weniger dem Verderben ausgesetzt;
die Rahmen lassen sich, sei es aus Holz,
sei es aus Metall, kunstgemäß und styl-
gerecht Herstellen, reich schmücken und mit
dem Altäre selbst in Harmonie bringen.
(Die Kanontafeln von vergoldetem Silber,
welche gelegentlich der Krönung Karl's X.
der Kathedrale von Reims geschenkt wurden,
sollen, ohne die künstlerische Ausstattung
des Textes in Anschlag zu bringen, einen
Werth von 1200 Franken haben [ Revue
de Part chretien 1883, S. 346.]) Wird
eine derartige Ausstattung aber so massig,
daß, wie die eitirte Revue berichtet, die
Tafeln nur auf Rollen, welche an den
untern Rahmen befestigt sind, zur Seite
geschoben werden können, oder daß der
Celebrant des Beistandes einer zweiten
Person bedarf, um die Tafel nur vom
Tabernackel wegzurücken, — dann ist die
Ausstattung nichts mehr und nichts weniger
als sinnlos und unbrauchbar zugleich. —
Gewöhnliche Goldleisten, wie sie zum bürger-
lichen Bilderschmuck verwendet werden, um
schwarz lackirte Rahmen nicht einmal zu
 
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