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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 2.1884

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Nr. 6
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Detzel, Heinrich: Die kirchliche Glasmalerei, [1]: Geschichte ihrer Technik und ihre heutige künstlerische Behandlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.15860#0055

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51

färbten Glasstücken hergestellt (ima pars
scenae e marmore fuit, media e vitro,
inaudito etiam postea genere luxuriae,
summa e tabulis inauratis) * im 5. Jahr-
hundert christlicher Zeitrechnung wurden
die Wände der jetzt zahlreicher und pracht-
voller erstehenden Basiliken in Italien
mit Hilfe gefärbten Glases musivisch
ausgelegt. Von diesen musivischen Wand-
verzierungen aus durch Glas war es
dann nur mehr ein Schritt, daß man
diese Glas mosaik auc£) in die
Fen st eröfsn ungen brachte und sie
durch Gyps, später durch Blei verband.
Und was war dann ferner natürlicher, als daß
man diese einzelnen farbigen Glasstücke
nicht fort und fort willkürlich zusammen-
setzte, sondern nach irgend einem
Farbenspiel, wenn auch nicht in ge-
regelter Zeichnung so doch in malerischer,
bunter Abwechslung trachtete. Und damit
haben wir denn auch den eigentlicheil Ur-
sprung der Glasmalerei, deren wesentlicher
Charakter darin besteht, daß sie nicht eine
Malerei auf, sondern eine Malerei mit
Glas ist, eine buntfarbige Mosaik, die
mittelst zahlreicher, kleiner, gefärbter Glas-
stücke hergestellt wurde. Von solchen bunt-
strahlenden Fenstern vernehmen wir danll
schon um das Jahr 800 und 850 in
Rom. Von Papst Leo III. sagt Ana-
stasius Bibliothekarius betreffs der Peters-
kirche: »et alias feirestras de vitro di-
versis coloribus decoravit,« und von
Papst Benedikt III. betreffs der der hl.
Jungfrau jenseits der Tiber gewidmeten
Kirche: »tenestras vero vitreis coloribus
et pictura musivi decoravit«. Ans
obigem Briefe des Abtes. Gozbert wissen
wir zugleich, daß die Lichtöffnungen der
Kirchen mit Teppichen verschlossen
waren, und wenn nun die gefärbten Glaö-
stücke später an ihre Stelle kamen, so
liegt von selbst nahe, daß diese von ihren
anfangs wohl willkürlichen Formen nach
ilnd nach nt geometrische Figuren über-
giengen, überhaupt eine Z u s a m m e n-
setzung in Form und Farbe er-
fuhren, wie sie die bunten Tep-
piche jener Zeit a u f w i e s e n.

Um nun aber einen Teppich auch voll und
ganz nachahmen, um in einen solchen Glas-
teppich auch Arabesken, Blumen und
Figuren hineinbringen zu können, dazu

bedurfte es des Mittels der Z e i ch n u n g,
des Mittels, daß man eine Farbe zum
Malen auf Glas kannte, mit der man
Umrisse und Schattirungen geben und die
man zugleich in Glas verwandeln, d. h.
einbrennen konnte, und zwar so, daß sie
nur mit dem Glase selbst jit Grunde
gehen kann. Das fand sich dann am Ende
des 10. oder Anfänge des 11. Jahr-
hunderts — ob aber zuerst in Tegernsee?
•— in einem Kupferoxyd, S ch w a r z l o t h
genannt, welche schwarze Malfarbe heut-
zutage aus Eisenhammerschlag bereitet
wird. Da diese Farbe den Scheiben anf-
geschmolzen werden soll, so muß sie als
ihren eigentlichen Körper einen Zusatz
von gemahlenem Glase erhalten, für welches
natürlich ein höherer Grad von Leicht-
flüssigkeit nothwendig ist, als ihn das Glas
der Scheiben besitzt. Zu Theophilusv)
Zeit und später war als solcher Zusatz
unter dem Namen „griechischer Saphir"
ein aus Venedig kommendes, weißflüssiges
Bleiglas in Gebrauch, dessen Zusammen-
setzung man außerhalb des Fabrikations-
ortes nicht kannte und das man für ein
natürliches Mineral gehalten zu haben scheint.
Das Schwarzloth wurde später auch dünn,
lasirend aufgetragen und spielte bann meist
ins Braune.

Durch das Schwarzloth war man also
jetzt im Stande, die Gläser, welche in den
Glashütten schon in der Fritte, d. i. in der
Bestandmasse, gefärbt wurden, beliebig ab-
zuschattiren, man konnte ihnen Konturen,
Zeichnungen und selbst bis zu einem ge-
wissen Grade Modellirungen geben, und
damit war auch die Möglichkeit geschaffen,
sie zu menschlichen Figuren zusammen-
zustellen. Schon die alten, früheren
Teppiche an Boden und Mauer zeigten
nicht mehr bloß Arabeskenranken und geo-

0 Von Thcophilus haben wir die erste
Literatur über Glasmalerei; er hat nämlich unter
dem Titel »Diversarum artium schedula« in
drei Büchern eine Anleitung zur Erlernung der
verschiedenen Arten der bildenden Künste ge-
schrieben und iur zweiten Buche die Bereitung und
die Malerei des Glases behandelt, welche Be-
handlung ungefähr bis 1400 im Wesentlichen sich
gleich blieb, Er war Priester und Mönch in der
Reichsabtei Helmarshausen an der Nordgrenze
von Franken an der Steige vom 11. zum 12.
Jahrhundert und heißt eigentlich Roger, Ruger
oder Rutqnerus.
 
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