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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 2.1884

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Nr. 6
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Festing, F.: Studien über Plastik, [6.2]: altchristliche Periode
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54

gesetzt. Das größere Mittelfeld zeigt uns
Ananias von den Jünglingen rechts zum
Gemache hinausgetragen; er wendet sich,
die linke Hand erhoben, zurück, während
Saphira in antiker Bewegung neben einem
Bündel vor dem sitzenden und den Finger-
erhebenden Petrus steht, hinter dem die
von oben deutende Hand Gottes dreien
Personen die Bedeutung des Vorganges
als eines göttlichen Strafgerichtes andeutet.
Die 4 Kreuzesarme enthalten noch Szenen
aus der Wunder- und Leidensgeschichte
Jesu und vier mit diesen größern korre-
spoudireude kleinere Streifen, Szenen aus
dem Alten Testament, sowie zwei weitere
Streifen mit den Brustbildern Christi und
der Apostel. So zeichnet sich dieses Kunst-
werk sowohl durch die antike künstlerische
Ausführung als auch durch ungewöhn-
lichen Reichthum des szenischen Inhalts aus.

Die Kleinkunst war besonders in Byzanz
beliebt, und gerade hier wurde die Elfen-
beinschnitzerei in ausgedehntem Maße be-
betrieben, während die Plastik größern
Styls keinen rechten Boden gewinnen konnte.
Es fehlte hier an dem rechten Material
kunstgeübter Meister, welche dem Eifer
der prachtliebenden Kaiser entgegenkommen
und ihre Residenz mit originellen Monu-
mentalwerken schmücken konnten. Diese
sahen sich daher genöthigt, aus den aus
Griechenland nach Rom übersührten reichen
Kunstschätzen sich ihren Bedarf für Byzanz
zu holeu. Doch wollten sie auch eigene
Monumente zur Verewigung ihres Ruhmes
haben. So ließ Konstantin eine 100 Fuß
hohe Porphyr-Säule mit seinem Stand-
bilde setzen. Theodosius errichtete eben-
falls eine Säule und einen Obelisk im
Hippodrom. Das Bedeutendste hierin leistete
aber Justinian, der nach einem Siege über
die Perser im Jahre 543 eine 105 Fuß
hohe Säule aus Ziegelsteinen, mit Erz-
platten bekleidet und einem kolossalen
Reiterbilde bekrönt, errichtete. Dieses hatte
eine Höhe von 30 Fuß und war ein
Werk des römischen Bildhauers Eustatius.
Wenn auch die Lobpreisungen höfischer
Zeitgenossen, die es mit Werken des Phidiaö
und Praxiteles verglichen, weit übertrieben
sein mögen, so muß es doch nach allen
Beschreibungen für die damalige Zeit von
nicht gewöhnlicher künstlerischer Ausführung
gewesen sein. Das Roß war in erregt

nach Osten gegen Persien vorschreitender
Bewegung mit flatternder Mähne gebildet.
Der Kaiser erschien als Achilles mit Tunika
und Toga, die über den Rücken des Thieres
herabfiel. Die Tiara des Kaisers schmückten
bewegliche Federn, mit denen der Wind
sein Spiel trieb, die Rechte gebieterisch
ausgestreckt hielt er in der Linken eine
goldene Kugel mit dem Kreuze. Im
16. Jahrhundert gieng das Monument in
Trümmer. (Siehe F. W. Ungers: Darstell,
der byz. Kunst in „Eneyklop. von Ersch u.
Gruber." I. LXXXIV.)

Doch zu weiterer und höherer Entwick-
lung schien der Plastik in Byzanz der
günstige Boden zu fehleu. Einmal floß
hier nicht der lebendige Strom traditioneller
Kunstentwicklung wie zu Rom, und in Folge
dessen fehlte es an technisch und künstlerisch
gebildeten Kräften. Auch mangelte es den
Byzantinern an dem rechten Verständnis;
und dem echt künstlerischen Interesse an
jener naiven und freien Sympathie für die
selbständigen und lebensvollen Gebilde
der Plastik, ein Mangel der ihnen mit
ihren Nachbarn und Geistesverwandten,
den Orientalen, gemein war. War doch
das öffentliche Leben — besonders der
Vornehmen und Gebildeten — eingeschnürt
in die strengen und beengenden Regeln
einer alle freie Bewegung hemmenden, den
Wechsel natürlicher und schöner Formen-
entwicklung unterdrückenden, geisttödtenden
Hofetikette, welche noch mehr als die
moderne Kleidermode mit absoluter Macht
ihre Herrschaft behauptete. Wir sahen
schon an den unter byzantinischem Einfluß
entstandenen Sarkophagen in Ravenna,
daß die Bildhauer sich damit begnügten,
einfach die althergebrachten Symbole zu
wiederholen, ohne von den mannigfaltigen
Motiven der reichen plastischen Gebilde der
italienischen Denkmäler bemerkenswertheil
Gebrauch zu machen. Wenn auch das
ornamentale Beiwerk, die architektonische
Einfassung und Umrahmung, noch längere
Zeit vielfach antike Frische und Lebendig-
keit bewahrt, so tritt durch diesen Gegen-
satz eine gewisse Unbeweglichkeit und Kälte
der Hauptfiguren uns um so auffälliger
entgegen. Seit dem 6. Jahrhundert dehnte der
byzantinische Styl seinen Einfluß über ganz
Italien aus und beherrschte bald durch
mehrere Jahrhunderte die gesammte Kunst-
 
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