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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 2.1884

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Nr. 7
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Detzel, Heinrich: Die kirchliche Glasmalerei, [2]: Geschichte ihrer Technik und ihre heutige künstlerische Behandlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.15860#0063

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59

weise decken, liegt der Idee nach natürlich
das eine dem Ange des Beschauers näher, das
andere entfernter von ihm; der abgebildete
Heilige, die Königsfigur hält das Buch,
deu Stab, das Szepter u. dgl. v o r die
Brust, der Thronsessel, der ausgespannte
Teppich liegen hinterwärts. Aber was
die malerische Ausführung angeht, so ist
nichts geschehen, um dieses Bor- und
Hintereinander weiter zu betonen, nichts,
um das Ganze oder einen Theil plastisch
körperlich zu machen. Einen Schlagschatten
gibt es nicht, auch keinen Körperschatten
im eigentlichen Sinn. Die sparsam auf-
tretende Modellirung dient nur dazu, die
Bewegung innerhalb einer und derselben
Fläche deutlich zu machen. Es gibt des-
halb auch keine Lustperspektive.
Kommt es in einer figürlichen Komposition
vor, daß eine Figur die andere theilweise
deckt, daß die letztere also hinter der ersteren
zurücksteht, so sind im Gewände einer jeden
dieser Figuren zwar vielleicht die vor-
tretenden Partien gegenüber den Tiefen der
Gewandung gelichtet und so von ihnen
abgehoben, aber keine Dämpfung des Tones,
keine Abtönung im ganzen verräth, daß
das eine Gewand aus einem vom Auge
entfernteren Plane liegt als das andere.
Bei dieser Art v o n M a l e r e i kommt
es also wesentlich auf eine kolo-
r i r t e U m r i ß z e i ch n u u g hinaus u n d
die alte K u n st hat ■— das sollte
ein Fingerzeig für die neuere
Glasmalerei sein! — mit einer
derartigenBehandlungsweise das
stylistisch Richtige getroffen.

Was die Figuren anlangt, so folgen
sie in der Zeichnung dem allgemeinen
Style der Zeit und tragen, der dargestellte
Gegenstand sei welcher er wolle, das Kostüm
der Entstehungszeit des Bildes, mit Aus-
nahme des Falles, wo es sich um die
Darstellung der heiligsten Personen handelt,
für welche eine idealisirte Gewandung in
Gebrauch bleibt. Die Farben entsprechen
denen der Natur, und es wird daher auch
für die kleinste Figur noch die Zusammen-
setzung aus mehreren Glasstücken noth-
weudig, indem das rothe Kleid z. B. aus
rothem, der gelbe Mantel aus gelbem
Glase genommen werden muß. In der
Wahl der Farbe ist hauptsächlich auf ein
teppichartiges Zusammenwirken gesehen:

das sehen wir besonders an einem Detail
wie den Heiligenscheinen, die, weit entfernt,
sich mit der gelben Farbe zu begnügen,
ebenso oft roth, blau, grün und violett
erscheinen, je nachdem man gerade eine
Farbe nothwendig hatte, um das voll-
ständige Bild eines Teppichs zu erhalten.
Ferner ist bei den Figuren von jeder
plastischen Behandlung und fast von jeder
Modellirung abgesehen; sie sind nicht
plastisch abgerundet, springen nicht hervor
und treten nicht gleichsam körperlich aus
dem farbenreichen Teppich heraus; in Fleisch
und Gewandung wirkt nur der schwarze
Zeichnnngsstrich, der je nach der Be-
deutung, die ihm zufällt, sich in größerer
oder geminderter Stärke bewegt. Auch das
Blattwerk ist in der romanischen und frühesten
gothischen Zeit streng stylisirt, weder
Blätter noch Früchte sind modellirt.

Diese gleiche Flachmalerei wie in Orna-
ment, Laubwerk und Figuren finden wir auch
in der gemalten Architektur. Wir
sehen hier bloße Umrißlinien, die mit Farbe
ansgefüllt sind; eine Modellirung, aber
eine äußerst sparsame und sich immer gleich
bleibende, ist nur da angebracht, wo die
nothwendige Verdeutlichung des Gegen-
standes es fordert. Die einzelnen Theile
sind überhaupt in Form, Zusammen-
stellung und Proportion nicht behandelt
als ob architektonisch-konstruktive Rück-
sichten und Nothwendigkeiten das Maß-
gebende wären, sondern einzig und allein
das dekorative Prinzip ist im Auge be-
halten. Darum ist auch von der Per-
spektive abgesehen, und wir finden
keinen festliegenden Augenpunkt, der für
eine bestimmte Lichtwirknng, noch weniger
einen solchen, der für einen bestimmten
Horizont für die Zeichnung angenommen
wäre. Nur da, wo es die Deutlichkeit
absolut erfordert, wie für Seitenansicht,
Unter- oder Aussicht eines Architektnr-
theiles, ist nothdürftig eine Perspektive,
aber nur durch Umrißlinien, nicht durch
Schattirnng, Modellirung u. dgl. angegeben.
Bei der Ausstattung mit Farbe für die
einzelnen Architekturtheile war das allein
Maßgebende die harmonische Vertheilnng
und Abwechslung der Farbe, wie sie für
das ganze Fenster erfordert war, damit es
einen buntschimmernden Teppich abgab.
Roth, Blau, Grün u. dgl. ist Unterschieds-
 
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