Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 2.1884

DOI Heft:
Nr. 11
DOI Artikel:
Schwarz, Franz Joseph: Restauration und malerischer Schmuck der Abteikirche Mehrerau, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15860#0101

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
97

Querschiffs, des Unter- und Oberchors, so-
wie des breiten Tonnengewölbes und alle
Details des malerischen Schmucks gleich-
zeitig vor sich, er sieht, um ein Sprüch-
wort zu gebrauchen, vor lauter Wald kaum
einen Baum. Die wenig ausladenden
Kreuzesarme, einige schwache Lisenen und
deren Fortführung in Gewölbegurten über
dem mäßigen Kranzgesims — das sind die
Elemente, welche kaum einige Abwechslung
in dem großen Raum Hervorbringen. Im
Gesammtüberblick schaut man alles in
weiter Perspektive. Und doch — gerade
der Mangel reicherer architektonischer Glie-
derung wies der Malerei als dem einzigen
Mittel der Ausschmückung ihren nothwendi-
gen Platz an. Nur die, jedoch erst bei Ge-
legenheit der Restauration ausgeführte Er-
gänzung des Unterbaues der uuverhältniß-
mäßig hohen Hauptorgelbühne hat weiteres
Leben in den Bau gebracht, aber auch der
dekorativen Malerei das dankbarste Feld
geboten.

Die Kirche ist einschiffig, der Thurm
steht wie beim alten Grundriß an der
Ostseite des Chors. Ihre ganze lichte
Länge beträgt 53,80 m. Davon entfallen
auf den Oberchor 12,03 m, auf Unter-
chor, Quer- und Hauptschiff 41,77 m.
Unterchor und Hauptschiff haben eine Breite
von 14 m, das Querschiff 18,38 m, die
Höhe des letzteren beträgt 18,80 in, die
des Oberchors 16,05. Der gesammte
malerisch dekorirte Raum beträgt rund
ca. 3200 qm.

Eine Haftpflicht des Cisterzienser- und
des Benediktinerordens überhaupt ist das
feierliche Chorgebet. Der Mönchschor bil-
det daher einen beim Neubau und der
Restauration einer solchen Ordenskirche
ganz gemäß den Bestimmungen der Ordensre-
gel zu berücksichtigenden Theil der Aufgabe.
Beim Wiederaufbau der zerstörten Ordens-
kirche mußte aus vielerlei Gründen die
Sakristei in den Oberchor verlegt und der
Mönchschor über der Sakristei in den
oberen Theil der Chorhöhe verlegt wer-
den. Die dringenden Verhältnisse ent-
schuldigten dieses Verfahren. Da aber
einige für den Chor und die Konvents-
messe geltenden Regelvorschriften dabei nicht
streng beobachtet werden konnten, so durfte
bei der Restauration die Entfernung der
Sakristei nicht außer Betracht bleiben. Sie

wurde in den Nächstliegenden Flügel des
Klosters verlegt, die zwischen Ober- und
Unterchor eingebaute Wand entfernt, der
an ihr stehende Hochaltar abgebrochen,
und der als Oberchor gebaute Raum seiner
rechten Bestimmung zurückgegeben, der
Mönchschor mit dem neuen Chorgestühl
aber in den Unterchor verlegt. Nach Vol-
lendung dieser Vorarbeiten begann im
Frühsommer 1880 die umfangreiche Arbeit
der malerischen Dekoration im Ober- und
Unterchor. Die Dekoration im engern
Sinne einschließlich der Faßmalerei nahm
nahezu drei, die figurative Ausschmückung,
wie schon gesagt, vier Sommer in Anspruch.
Betrachten wir diese im Einzelnen.

Ober- u n d U n t e r ch o r.

Der durch diese Arbeit sich durchziehende
Grundgedanke gründet sich auf die tiefsten
Geheimnisse der christlichen Offenbarung.

Die auf die erste mit der Schöpfung
der Stammeltern des Menschengeschlechts
verliehene Gnade aufgebaute Weltordnung
und Berufung des Menschen zum ewigen
Leben und zur Theilnahme an Gottes
Herrlichkeit ist mit der ersten Sünde ver-
nichtet. Es gibt keine Hoffnung der Wie-
derherstellung mehr, als durch Jesum Chri-
stum und zwar nach Gottes ewigem Rath-
schluß nur durch die Menschwerdung, das
Leiden und den Tod des Sohnes Gottes.
Einen andern Grund kann Niemand le-
gen (1 Kor. 3, 11).

Von dieser Grundwahrheit geht der Plan
der darzustellenden Gegenstände des Ober-
chors aus. Denken wir uns das Tonnen-
gewölbe desselben von der Kämpferhöhe an
als Fläche, so ergibt sich ein Oblongum,
dessen kürzere Achse von Ost nach West
gerichtet ist. Dieses Oblongum ist in Er-
gänzung mangelnder Architekturglieder durch
ein fast zwei Meter breites Kreuz getheilt,
so daß in der Mitte desselben ein von
einer kräftigen ornamentirten Bordüre um-
gebenes Medaillon und in den Winkeln
vier Quadrate sich ausbilden. In dem
Medaillon ist das Lamm Gottes dargestellt,
liegend auf dem Buch mit sieben Siegeln;
denn es allein hat die Gewalt, die Siegel
zu öffnen, daß sie Niemand mehr schließt,
und zu schließen, so daß sie Niemand
mehr öffnen kann, das Lamm, welches für
uns getödtet worden ist, von dem geschrie-
 
Annotationen