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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 2
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Schwarz, Franz Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0018

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kale Schnitt dnrch eine Gliederung, oder:
die äußere Umrißlinie eines (durchschnit-
tenen) Körpers. Aber Mancher wird sich
hiemit von dieser Durchschneidung und
dem Bild der Schnittfläche noch nicht die
rechte Vorstellung machen können. Denken
wir uns zu diesem Behuse ein kleineres
Werk der bildenden Kunst oder des Kunst-
handwerks, z. B. einen reich gegliederten
Grabstein, von einem anfänglich weichen
und sich nur allmälig verhärtenden Ma-
terial ; denken wir uns ferner zwei Män-
ner, jeder den Handgriff einer Säge in
der Hand, den einen vor der Vorder-, den
andern an der Rückseite des Steins auf-
gestellt, und wie sie nun den Stein von
der obersten Spitze des Kreuzes bis zum
Fundament in der Mitte durchsägen. Wenn
die Arbeit gethan und die eine Hälfte ent-
fernt ist, so werden wir eine Schnittfläche
wahrnehmen, beginnend vom obern, endend
am untern Punkte. Die Schnittfläche ist
nach allen Seiten von Linien begränzt,
bald von geraden in vertikaler, horizon-
taler oder schräger Richtung, bald von
kreis- oder wellenförmigen in verschiedener
Aufeinanderfolge und Abwechslung. Die
von den Umrißlinien begränzte Fläche wird
meistens schraffirt. Sieht man auf die
diese Umrisse dem Auge bloßlegende Ur-
sache, den Vertikalschnitt, so begreift man
die Definition des Profils als des verti-
kalen Schnitts durch eine Gliederung: legt
man dagegen das Hauptgewicht auf die
von dem Schnitt erzeugte Wirkung, näm-
lich das Bloßlegen der Glieder-Umrisse,
so ergibt sich die andere Definition des
Profils als der Umrißzeichnung eines
(vertikal) durchschnittenen Körpers. Da
ferner die Schnittfläche und ihre Umriß-
linien weder von der Fa^ade, noch von
der Rückansicht des durchschnittenen Kör-
pers , sondern nur auf der Seite sichtbar
sind, so ist erklärlich, warum man diese
Schnittfläche auch die Seitenansicht
eines Körpers nennt. Ein ganz einfaches,
klares Bild von der Schnittfläche, Seitenan-
sicht und dem Umriß gibt das Sockelge-
fims Fig. 25. (s. unten S. 17.)

Man begreift jetzt auch, daß der Stein-
metz zum richtigen Formen eines Steins
nichts braucht, als das Profil des Steins,
als Zeichnung oder Schablone in natür-
licher Größe oder mit genauer Maßangabe

des Ganzen und der Theile. Schnitte sind
die unentbehrlichsten Werkzeichnungen.
Durch sie führt der Baumeister beim größ-
ten wie kleinsten Bau sein in allen Bau-
hütten gegenwärtiges Kommando.

Es gibt, um auf eine oben ge-
legentlich gemachte Bemerkung nochmal
zurückzukommen, außer dem Vertikal-
Schnitt noch einen Horizontal - Schnitt
durch ein Gebäude und seine Theile. Die
dadurch sichtbar und anschaulich gemachten
Umrißlinien werden aber nicht Profil ge-
nannt, sondern Plan oder Grundriß des
Gebäudes. Uneigentlich so genannt wer-
den höchstens noch die reich gegliederten
Grundrisse durchlaufender, mit ihren Glie-
dern sich über dem Capitäl oder ohne
ein solches fortsetzender Pfeiler. Näher
daraus einzugehen, ist hier nicht der Ort,
sondern bei den Grundrissen.

II. U m f a s s u n g s m a u e r und ihre
Gliedern u g.

Gehen wir nach diesen allgemeinen Be-
merkungen auf das Einzelne über und fol-
gen wir dabei weniger ben Anforderungen
einer strengen Methode, als dem des prak-
tischen Bedürfnisses, so treten uns auch
bei dem einfachsten Kirchenbau als die un-
erläßlichsten Bautheile entgegen:

1) Die den nöthigeu und zweckdienlich
geformten Raum umschließende Umfassungs-
mauer mit ihrem Fuß oder Sockel, dem
Haupt- oder Kranz ge sims, sehr oft
mit dem G u r t g e s i m s;

2) die den Raum nach oben schützende
Eindeckung, sei sie flach oder gewölbt, von
Holz oder Stein, mit ihrer zur Ableitung
feuchter Niederschläge dienlichen Ueber-
dachung.

Die letztere hat, abgesehen von der
Form und künstlerischen Behandlung des
Giebels für uns kein Interesse, da sie dem
blosen Handwerk angehört.

Das Gleiche gilt von dem Fundament
der Umfassungsmauer und etwaigen Ver-
stärkungen desselben. So verschieden es
auch nach Beschaffenheit des Baugrundes
und nach Art des vertikalen Drucks oder
Seitenschubs gestaltet sein mag, so gehören
doch alle einschlägigen Fragen der Tech-
nik ausschließlich an.

Somit treten die ä u ß e r e Mauerfläche,
deren Sockel-, Gurt- und Hauptgesims als
 
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