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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 4
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Schwarz, Franz Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [4]: Giebelgesimse
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0038

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— 34

Westgiebel der St. Johanniskirche in Gmünd
behandelt.

Ein gothisches Giebelgesims-Profil ist
in Fig. 43 veranschaulicht. Zur Abwechs-
lung repräsentirt die Zeichnung bloß das
durch den Vertikal-Schnitt durch das Ge-
sims sich ergebende Profil. Eine Aus-
ladung führt das Gesims über die znrück-
tretende Mauer hinaus; es folgt ein Rund-
stab, Hohlkehle auf einem Durchmesser,
der in seiner Verlängerung unter einem
halben rechten Winkel ans die Giebelmauer
trifft, dann ein kleiner Rnndstab, das Birn-
prosil, eine Kehle und zuletzt die Wasser-
Schräge. Von solch' reichen Bildungen
kann nicht überall die Rede sein; aber der
gothische Styl kann zu den einfachsten Mit-
teln greifen, bis zur bloßen Abfasung herab.

Ans Giebelgesimse der Thüren, Zier-
giebel (z. B. über Portalen), Wimperge
n. drgl. finden diese Gliederungen gleich-
falls Anwendung.

D. Wasserspeier.

Eine der wesentlichsten Bedingungen,
die Banmonumente in gutem baulichen
Zustande zu erhalten, ist die Sorge für
raschen und vollständigen Abfluß des von
feuchten Niederschlägen herrührenden Was-
sers und die Verhinderung des Eindringens
desselben in das Gebälk, die Manertheile
und das Fundament. Diese Funktion ist
ja, wie wir schon gesehen haben, ein Haupt-
zweck der weiten Ausladung des Hanptge-
simses. Noch weit besser wird dieser Zweck
erreicht, wenn das Regenwasser in der in
den Rinnleisten eingehanenen und mit ent-
sprechendem Gefall versehenen Rinne ab-
und durch weitansladende, sich oft wieder-
holende Abzugskanäle weit über die Mauer
und das Fundament ausgesührt wird.
Diesem Zwecke dienen die sog. Wasser-
speier, die deßhalb, wo immer sie erschei-
nen, ein mit dem Hauptgesims zusammen-
hängender Baubestandtheil sind und im
Zusammenhang mit ihm auch hier schon
behandelt zu werden verdienen.

Schon die antike Welt bediente sich der
Wasserspeier, wie das in Fig. 44 gegebene
Beispiel beweist.

Eigenthümlicher Weise hat sich jedoch
die christliche Baukunst bis zum Ende des
12. Jahrhunderts dieser Einrichtung nie-
mals bedient, wenigstens ist ein Beispiel

davon nicht bekannt. Man begnügte sich
mit dem ausladenden Hauptgesims, über
welches das Wasser über die Mauer weg
direkt aus den Boden träufelte. Etwas
später, um das Jahr 1210, sieng man

Fig. 44.

Griechischer Wasserspeier.

(Museum in Athen. Nach I. Durm
im „Deutschen Bauhandbuch".)

an, in dem Rinnleisten eine Rinne und
von ihr ab von Distanz zu Distanz Ab-
leitungsrinnen anzubringen. Erst um das
Jahr 1220 erscheinen die eigentlichen Was-
serspeier an der Kathedrale von Laon.
Sie sind breit, bestehen ans zwei Stein-
schichten, einer unteren mit der Ableitungs-
rinne und einer oberen zur Deckung der-
selben, und ahmen hinsichtlich ihrer Form
gleich bei ihrem ersten Auftreten die Ge-
stalt phantastischer Thiere nach, plump
modellirt, gerade um noch ihre Form er-
kennen zu lassen. (Viollet-le Duc, Dick,
rais. de l’architecture frangaise VI. 21.)
Aber auch die Form eines Troges kommt
schon in der frühgothischen Periode vor,
wie das Beispiel Fig. 45 von der Stephans-
kirche in Mainz beweist. Ans der Platte
a ist die Wasserrinne ausgehauen. Die
Ablausrinne 0 ist gleichstark mit dem Rinn-

Wcisserspeier in Trogform, frühgothisch, von dcr
Stephauskirchc in Mainz. (Nach UngcwiNcr.)

leisten, in Vierecksorm, mit Ausnahme der
untern abgesas'ten Fläche. Unterstützt ist
sie durch eine Thiergestalt, an der Con-
solenschicht e angebracht. Auch die oben
genannten ersten Beispiele der Kathedrale
 
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