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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 5
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [1]: Einleitung
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https://doi.org/10.11588/diglit.15861#0049

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einigem Ersatz für die mangelnden kirch-
lichen Malerschulen wenigstens auf eine
Schule der Vergangenheit hinzuweisen,
welche für die monumentale kirchliche Ma-
lerei als Musterschule bezeichnet werden
kann.

Ein aufmerksames Studium der Schule,
die wir im Auge haben, müßte einem
begabten Künstler klare Leitsterne für ma-
lerische Ausstattung der Kirchen, eine ge-
radezu unerschöpfliche, ihn nie im Stiche
lassende Fülle von künstlerischen und reli-
giösen Inspirationen und Gedanken bieten.
Es müßten durch den Anschluß an diese
Schule allmählig die Hauptgebrechen mo-
derner Kirchenmalerei gehoben werden kön-
nen, diese schlechte Benützung und Einthei-
lung des Raums, das oft geradezu freche,
die Architektur schädigende Auftreten der
Malerei in einem Raum, in dem sie doch
nur zu Gast ist, die fade und geistlose
Dekoration, die schlechte Farbenwahl, die
matte und gedankenarme Erfassung kirch-
licher Themate und die verzwickten, lah-
men, wie vom Wirbelwind hingewehten
und zerzausten Kompositionen, die als
Quelle einen Kopf verrathen, der weder
eigener Ideen fähig ist, noch jemals fremde
gute Ideen ausgenommen hat.

Durch den Anschluß an eine bestimmte
Schule und Richtung würde auch der schäd-
liche, hentzutag in Alleinherrschaft stehende
Eklektieismus in seine Grenzen gewiesen;
an die Stelle eines peinlich unsicheren,
suchenden und tastenden Arbeitens würde
ein zielbewußtes, freudiges Schaffen treten.

Aber nicht bloß für den ausübende::
Künstler selbst müßte das Studium dieser
klassischen Schule von höchstem Nutzen
sein, auch für alle, welche überhaupt mit
monumentaler Malerei zu thun haben,
solche bestellen, anordnen, beaufsichtigen
müssen, — also vornehmlich auch für die
Geistlichen. Denn auch auf diesem Gebiet
sollte der Geistliche den Künstler nie ganz
allein schalten und walten lassen, sondern
soviel eigenes Verständniß haben, daß er
vom Künstler Beachtung seiner Anschau-
ungen verlangen könnte und daß der
Künstler auch gerne auf sein erleuchtetes
Urtheil und seine gerechten Wünsche hören
würde. So sehr wir die Freiheit des
Künstlers achten, bei Entwersung des
Planes für eine Kirchenbemalung, bei Fest-

stellung der zu behandelnden Themate und
Gegenstände, bei Anordnung der einzelnen
Seenen muß dem Geistlichen ein Wort ge-
wahrt bleiben, vorausgesetzt daß er nicht
hierin, wozu er kein Recht hat, ganz un-
wissend und unverständig ist. Den richtigen,
sicheren Blick für das, was hier nothwen-
dig, gut und schön ist, würde das Studium
dieser Schule ihn: ins Auge geben. —

2. Die klassische Periode.

Es ist nun Zeit, daß wir den Namen
der Schule nennen, die wir im Auge haben.
Die klassische Periode der kirchlich-monu-
mentalen Malerei ist unserer Ueberzengung
nach die Zeit von Giotto bis Fiesole, bezw.
was dekorative Malerei anlangt, bis Ra-
phael inkl. Die Schule Giotto's in
ihrer inner:: Fortbildung und
Verv ollkon:mnung bis zu Fiesole
i st und b l ei b t M u st e r s chnle für den
Kunstzweig, von welchen: wir reden.

Diesen Satz, der zunächst verdächtig
archaistisch und exklusiv klingen mag, müs-
sen wir nun näher motiviren, und es sind
die Mißverständnisse abzulösen, die sich an
ihn hängen könnten.

Hier ist vor allem zu betonen, daß es
sich uns hier nicht um die Theorie, son-
dern um die Praxis handelt. Wir sind
weit entfernt, alles, was außerhalb des
umschriebenen Kreises sich findet an mo-
numentaler und anderer Malerei, als ver-
fehlt oder mangelhaft bezeichnen zu wollen.
Wir möchten auch ans der Renaissance-
periode nichts unnöthig preisgeben und
nichts ans dem Gebiet der kirchlichen Kunst
von vornherein exkludiren, was sich nicht
seinem inner:: Charakter nach selbst ans-
schließt. Wir haben schon manchmal da-
vor gewarnt, daß von unserer Seite blind-
lings in die von der modernen Knnstschrift-
stellerei beliebte Weltlichkeits- und Unkirch-
lichkeitserklärnng der Renaissance überhaupt
eingestimmt werde. Wenn wir gleichwohl
jene in der Zeit zurückliegende Schule als
Musterschule ansetzen, so geschieht es zu-
nächst lediglich im Interesse der Praxis.
Daß wir für sie nicht Meister wie Ra-
phael oder Michelangelo als Muster an-
setzen, wird jeder begreifen. Nicht für
Künstler ersten oder zweiten Rangs haben
wir Winke zu ertheilen, sondern für ge-
wöhnliche, aber für die kirchliche Kunst
 
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