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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 3.1885

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Nr. 8
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Keppler, Paul Wilhelm von: Die Musterschule der monumentalen Malerei, [4]
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82

anders zu führen, als der Meister gethan.
Er hat völlig dessen Art angenommen, ist
in seine Intentionen eingeweiht und hat
volle Sicherheit in Handhabung seiner
Technik. Aber freilich die ganze geistige
Kraft GiottTs besitzt er nicht. Darum
vermißt man oft in seinen Bildern die
Seelentiese, ja mitunter geräth er in Eil-
fertigkeit und Raschmalerei hinein und
wird dann geradezu seicht und oberfläch-
lich. Seine Bilder sind sodann meistens
kenntlich an falscher, unschöner Form-
gebung, was die Gesichter und Extremitä-
ten anlangt; seine Hände sind oft ausfal-
lend schlecht gebildet, die Augen langge-
schlitzt und halb zugeknisfen, die Stirnen
niedrig, die Hälse dick, — so daß oft ein
unverkennbarer Zug von Gemeinheit seine
Gestalten entstellt.

Proben seiner Kunst finden wir iit der
Baroncelli-Kapelle in St. Croce
in Florenz (am Ende des rechten Quer-
schiffs). In einem großen Bildercyklus
schildert er das Leben Mariens von Joa-
chims Tempelausstoßuug an. Seine Kom-
positionen sind keck unb frisch entworfen,
seine Schilderung leicht und fließend. Man
sieht wohl, wie er im Allgemeinen ganz
den Vorbildern des Meisters folgt, aber
er hat einen Drang nach ausdrucksvoller
Schilderung, welcher über das von Giotto
verwendete Maß von Belebung und Be-
wegung noch hiuausgeht, aber nicht mehr
so fein abwägt, daher mitunter zügellos
wird und zu Uebertreibungen fortstürzt.
So ist die Ausstoßung Joachims aus
dem Tempel und die Wuth der Prie-
ster fast zu lebhaft geschildert. In die
Darstellung der Verlobung Mariens mit
Joseph und ihres Ganges zum Tempel
hat er mehr Personen ausgenommen, als
er künstlerisch zu bewältigen vermag; er
bewirkt dadurch anstatt lebendiger Schil-
derung vielmehr Unklarheit itnb Unord-
nung. Dagegen ist von großer Schönheit
die Begegnung Joachims und Auua's, die
Trauer des verstoßenen Joachim, die Ge-
burt der hl. Jungfrau. Zu beachten ist
auch die Felderabtheilung, die zum Theil
durch architektonische Motive hergestellt ist.
Das Gewölbe ist ausgefüllt mit acht Alle-
gorien der Tugenden, welche aber an sym-
bolischer Kraft sich mit denen Giotto's in
der Arena nicht messen können.

Von Taddeo stammt sehr wahrscheinlich
auch das Abendmahl im Refektorium
wou 5t. Croce (jetzt Magazin), eine
bedeutende Leistung dieser Schule. Vasari
schreibt es Giotto zu, aber mit Unrecht.
Crowe und Cavalcaselle sowie Burckhardt
belegen es gegen die Einrede Riegels mit
dem Namen TaddevM Die Gestalten- und
Gesichtsbildnng läßt nach meiner Ansicht
keinem Zweifel an dessen Autorschaft Raum.
Die Darstellung impouirt durch die Mäch-
tigkeit der Figuren, die aber alle aufrecht
und gerade in Einer Linie sitzen, mit Aus-
nahme des Johannes, der buchstäblich mit
dem ganzen Oberkörper im Schooße des
Herrn liegt, und des Judas, der allein
an der Vorderseite des Tisches plazirt ist,
ohne Heiligenschein, kleiner als die Uebri-
gen, mit gemeinem Gesicht. Jesus, dessen
Antlitz von Wehmuth überhaucht ist, er-
hebt feierlich drei Finger der rechten Hand.
Dieser Gestus hat eine seltsame Erklärung
hervorgerufen. Riegel (lieber die Darstel-
lung des Abendmahls in der toskanischen
Kunst S. 34 ff.) sieht darin eine Aktion
des Segnens und da er kein Objekt hiefür
finden kann, verfällt er auf die geistreiche
Deutung: „Christus fügt sich in Demuth
dem göttlichen Rache und während die
Jünger von Trauer und Schmerz um sein
Schicksal bewegt sind, erhebt er segnend
seine Hand, um sie zur Ergebung in das
Unabänderliche zu mahnen und dies Unab-
änderliche als heilsam zu weihen." Wäre
diese Deutung richtig, dann müßte man
allerdings dem Meister den Vorwurf machen,
daß er in seinem Bilde „die Deutlichkeit
und innere Wahrheit der Scene empfind-
lich verletze". Aber der mittelalterliche
Künstler ist weit entfernt, in die Darstel-
lung einer hl. Geschichte solch verzwickte
Vorstellungen einfließen lassen zu wollen,
wie Riegel sie ihm hier in den Sinn schiebt.
Muß denn die Aktion Jesu um jeden Preis
eine Segnung bedeuten? Es ist ganz klar,
daß der Maler den Moment fixirt, wo
Jesus den Verrath anküudigt; das zeigt
seine Wehmuth und die schmerzliche Be-
wegung in den Jüngerkreisen. Die Erhe-
bung der drei Finger ist nichts anderes,
als Aktion der Betheuerung: „wahrlich,
wahrlich sage ich euch".

Ueber diesem Bilde ist noch eine große
Komposition erhalten, welche das Kreuz
 
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