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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 3
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Keppler, Paul Wilhelm von: Wandbekleidung mit Teppichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0030

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26

Der Schmuck solcher Teppichbekleidung
kam vor allem der Chorwand hinter dem
Gestühl des Klerus zu; weil im Rücken
des Klerus aufgehängt, erhielten diese Tep-
piche den Namen clorsalia; die ältesten
waren meistens aus Seide gewoben; später
kamen die prachtvollen Teppiche, welche in
Flandern in Wolle und Seide ausgeführt
wurden, zu besonderem Ruhm. Schöne
Ueberreste von Dorsalien sind noch zu sehen
im Nationalmnsenm zu München, in St.
Sebald in Nürnberg, in St. Stephan in
Wien, im Dom zu Halberstadt. Doch
nicht bloß die Chorwände wurden mit so
kostbarem Material ausgekleidet, sondern
selbst die Langschisfe der Kirche. Die
großen Manerslächen der alten Basiliken
wurden durch die kunstreichen Behänge be-
lebt und in Farben gekleidet, und das
solide noble Dekorationsmittel gieng aus
deu romanischen in die gothischen Kirchen
über. Auch hier war oft Seide das Ma-
terial, öfter noch Linnenstoff, der mit Bild-
werken reich durchwirkt wurde, später fland-
risches Gewebe. Diese Teppiche hatten mit-
unter solche Länge, daß ein einziger die
Seitenwand eines Nebenschisses in ihrem
unteren Theil vollständig bedecken konnte.
Derartige Teppiche finden sich ' noch im
sog. Zittergewölbe der Schloßkirche zu
Quedlinburg, in der Elisabethenkirche in
Marburg, im Dom zu Mainz, Köln,
Halberstadt, dann in französischen Kathed-
ralen (zu Sens, Nantes, Rheims re.).

Diese Notizen mögen genügen als Be-
weis, wie sehr man im Mittelalter diesen
Zweig christlicher Kunst pflegte und welch'
reichen Gebrauch man von diesem Deko-
rationsmittel machte. Die frühere Kunst
hatte wohl erkannt, daß diese unteren
Wandflächen weder ebenso bemalt werden
wie die oberen, noch allein farblos belas-
sen werden dürfen, und wie diese Kunst
in allem dem bloßen Schein abhold war,
so malte sie auch nicht Teppiche, sondern
fertigte wirkliche und schmückte mit ihnen
die Wände. Wenn in unserer Zeit die
solide Pracht dieser Dekoration wenig Ver-
werthung findet, ja fast gar nicht mehr-
bekannt ist, so mag das in verschiedenen
Gründen feine Erklärung finden. Wir
hatten bisher immer noch mit dem Noth-
wendigen zu thnn, was die Kirchenaus-
ftattung anlangt; ans Wünschenswerthe

sind wir eigentlich noch gar nicht gekom-
men. Sodann sind wir arm und können
über das Nothwendige hinaus uns größere
Ausgaben für die Regel nicht erlauben.
Um eine solche handelt es sich aber hier,
oder scheint es sich zu handeln. Die Her-
stellung eines kostbaren Wandteppichs er-
fordert allerdings eine ziemliche Summe;
da er natürlich immer von etwas größe-
ren Dimensionen sein soll, so ist die Be-
schaffung eines besseren Stoffs, ganz ab-
gesehen von Nadelverzierung re., schon für
sich allein eine bedeutendere Ausgabe. So-
dann erfordert auch die gute Instandhal-
tung solcher Teppiche Sorgfalt und Mühe.
So scheint es einigermaßen gerechtfertigt,
wenn man sich gewöhnte, dieses Dekora-
tionsmittel als einen Luxusartikel anzn-
fehen und zu meiden.

Man stellt sich aber wohl Kosten und
Schwierigkeiten zu groß vor, und hat kei-
nen Grund, ans diese Dekoration ganz
zu verzichten, weil man sie nicht mehr in
dem Reichthum und der Fülle wie früher
beschaffen kann. An eine Auskleidung der
ganzeu Kirche kann ja freilich unter un-
seren gewöhnlichen Verhältnissen nicht mehr-
gedacht werden, nicht einmal an die des
ganzen Chors. Wir denken vielmehr bei
der Empfehlung von Wandteppichen nur
an die Chorabschlnßwand, an die Rück-
wand des Hochaltars, und zwar an die
Bekleidung dieser Wandsläche etwa ans
4 m Höhe, vom Boden an gerechnet,
oder bis zum Anfang der Fenster. Aus-
gedehnte Inanspruchnahme der Nadel-
malerei zur Verzierung der Teppiche würde
allerdings die Kosten erheblich steigern;
allein es gibt ja hier ein Mehr oder We-
niger, und auch bei spärlicherer Verwen-
dung von Stickereien könnte immer noch
wirklich Schönes geschaffen werden. An
Stelle der Seidenstickerei kann hier auch
füglich die einfachere und leichtere Wollen-
stickerei treten, die sich schon deshalb em-
pfiehlt, weil man es auf Zeichnungen mit
kräftigen, starken Konturen absehen muß.
Ueberdies sind wir heutzntag im Besitz
der Tambourirmaschine, welche in kürzester
Zeit Zeichnungen stickt, deren Ausführung
mit der Nadel und der Hand zehnfache
Mühe und Kosten erfördern würde. Da-
her gehört die Ausführung solcher Tep-
piche nicht mehr git den Dingen der lln-
 
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