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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 5
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Prill, Joseph: Grammatik der kirchlichen Baukunst, [8]: Grundriß
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0050

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niedriger sein, und wurden vom Haupt-
schiff am natürlichsten durch eine Säulen-
reihe geschieden, auf welcher die Wand des
Mittelschiffs ruhte. Die Säulenreihe ist
hier also nicht ein organischer Theil der
Säulenhalle (wie im alten Porticus), son-
dern steht für sich da als Scheidung der
Schiffe und als Träger der Mauer. Da-
her waren in der ältesten christlichen Ba-
silika, der vom Lateran, die Säulenreihen,
welche die doppelten Seitenschiffe von ein-
ander schieden, der Neigung des Daches
gemäß niedriger als die Säulenreihen
des Mittelschiffs; und die Verhält-
nisse jeder Reihe waren nur aus sich
selbst bestimmt, also auch die Dicke
unb der Abstand der einzelnen Säu-
len von einander in den verschiede-
nen Reihen verschieden.

Diese Idee der
Haupthalle, welche
von untergeordneten
Seitenhallen beglei-
tet wird, führte nun
sofort zu einer ganz
neuen Entfaltung des
Rundbaues, indem
man ihn mit einer
ringförmigen niedri-
gen Halle umgab (s.

Fig. 60), welche sich
durch eine die Ober-
mauer tragende Säu-
lenreihe nach dem
runden Mittelraum
öffnete. Ein höchst
anziehendes Beispiel
dieser Art ist die
Grabkirche der hl.

Konstantia an der No- s. , s. 3

' ,,r , Fig. 61. Kirche des hl.

mentamschen Straße (Nach Hübsch

vor Rom (aus dem 4. Jahrh.), bei welcher
der Mittelraum mit einer Kuppel über-
wölbt ist, und seine Mauer von 12 in der
Richtung des Radius aufgestellten Säulen-
paaren getragen wird, während die ring-
förmige Nebenhalle ein Tonnengewölbe deckt.
Wie aber die Basiliken oft doppelte Seiten-
hallen hatten, so besaß die flachgedeckte Rund-
kirche des hl. Stephanus auf dem Cölius in
Rom (aus dem Ende des 5. Jahrh.) einen
großen doppelten Ring, der den gewaltigen,
23 m weiten Mittelraum umschloß. Es
zeigt sich an diesem Gebäude schon eine den

späteren Centralanlagen eigene Anordnung,
indem der äußere Ring (von dem jetzt nur
noch ein kleiner Theil erhalten ist) in
Haupt- und Nebenräume abgetheilt war,
deren erstere in den beiden Hauptachsen
lagen und große Kapellen bildeten, an die
sich wiederum je eine kleine Absis in der
Achsenrichtung anlehnte, wie solche in 3.
Co3tanza innerhalb der Mauer ausge-
spart sind. Eine andere schöne Ausbildung
der runden Grundform weist die von Ju-
stinian (527—565) erbaute Kirche des hl.
Michael am Anaplus zu Konstanti-
nopel auf (s. Fig. 61). Die Mittel-
mauer bezw. Kuppel ruht hier nicht
mehr ans Säulen, sondern auf acht
starken Pfeilern, zwischen welchen zur
Anlage der Gewölbe des unteren
Umganges d d und der Emporen
e e (diese Hälfte der
Zeichnung gibt den
obern Grundriß) wie-
der Säulen gesetzt
sind. Ein offener ein-
stöckiger Umgang um-
gibt als zweiter Ring
die Kirche von außen.
Besondere Beachtung
verdient noch die im
.Osten in den Ring
^ hineingeschobene
Chorkapelle mit Ab-
sis. Der Rundbau
als solcher weist mit
all seinen Linien kraft-
voll auf den Mittel-
punkt hin, und ist
darum am meisten ge-
eignet zu Gebäuden,
in deren Mittelpunkt
der Hauptgegenstand
steht, oder die Handlung vollzogen wird,
also namentlich Grab- und Tanfkapel-
len. So steht auch in 3. 8tekano der
Altar in der Mitte. Den Forderun-
gen des Gottesdienstes entsprach es jedoch
mehr, den Altar weiter nach Osten zu
rücken (6 in Fig. 61), wodurch ein großer
Raum vor dem Altar geschaffen und zu-
gleich die bei einem vollkommenen Rund-
bau nicht erkennbare Hanptrichtung der Kirche
nach Osten betont wurde. Um dies letztere
in entschiedener Weise zu thun und für
den Priesterchor einen angemessenen Raum

Michael am Anaplus.
XXXV, 2.)
 
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