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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 7
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Detzel, Heinrich: Mariä Verkündung in der christlichen Kunst, [1]
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auch von der ältesten Zeit an bewundert
wurde.

In ausgezeichneter Weise wird Gabriel der
Engel „von Gott" gesendet, wie ein Braut-
werber für den König des Himmels. Er
wird gesendet, um Maria, die zweite Mutter
des Menschengeschlechtes, zu jenem Gehorsame
einzuladen, welcher die Wiederherstellung des
Menschengeschlechts in jenen Stand der Gott-
wohlgefälligkeit ermöglichen soll, ans welchem
dasselbe durch den Ungehorsam der vom Satan-
Engel verleiteten ersten Menschenmntter Eva
gefallen war. Die Anrede des himmlischen
Boten, die Feierlichkeit seines Grußes und die
hohe Lobpreisung, die in ihm sich anssprach
und die nach Sinn und Endzweck ihr zu-
nächst noch unersaßlich war, erfüllte ihre Seele
mit „Schrecken", d. h. aber nicht mit Be-
stürzung, welche die Besonnenheit stört, son-
dern mit jenem Schauer, welcher dem un-
mittelbaren Vernehmen und dem Dunkel der
göttlichen Rathschlüsse gegenüber auch die
heiligen und in Wegen der Gnaden erfahren-
sten Seelen anwandelt. Maria kannte zwar
die Weissagung für das Haus David „Siehe
die Jungfrau wird empfangen" u. s. w. (Jf.
7, 14) und glaubte daher, daß es geschehen
werde und könne, doch das „wie es ge-
schehen werde", hatte die Weissagung nicht
geosfenbart und auch der Engel ihr noch nicht
gesagt. Daher ihr „Schrecken", weil sie sich
wohl bewußt war, daß sie zu makelloser Jung-
fräulichkeit sich ewig dem Herrn verlobt hatte.
Nachdem sie aber den erbetenen Aufschluß
erhalten, erfaßt sie sogleich das heiligste Ge-
heimniß und unterwirft sich als „Magd des
Herrn" vollkommen dem göttlichen Willen.
Mit den: Anssprnche „mir geschehe nach
Deinem Worte" gibt sie ihre besondere Ein-
willigung in den Rathschluß der Mensch-
werdung Gottes, und dies war denn auch
der anbetungswürdige Augenblick, in wel-
chem dieser Rathschlnß sich verwirklichte und
„das Wort Fleisch geworden ist". (Joh.
1, 18).

Um nun diesen erhabenen Vorgang, wie
ihn die hl. Schrift uns erzählt, und das er-
habene Geheimnis? desselben uns vor Allgen
zu führen, hatte die christliche Kunst einen
doppelten Weg eiilgeschlagen: entweder hatte
sie sich aus den Worten der hl. Schrift mehr
die historische Begebenheit als das
Mysterium zum Vorwurfe genommen und
zwar mit Darstellling aller Oertlichkeiten und
Umstände, und hatte dann hiezil hauptsächlich
die apokryphen Evangelien beigezogen, oder
sie behandelte die Verkündigung nur allein
als Mysterium, mit Beiseitelassuilg aller
untergeordneten Dinge, indem sie sich nur
auf die zwei Personen, Maria unb den Engel,

beschränkte, die dann gerade so viel Stellung
und Ausdruck erhalten, als nothwendig ist,
uni sie zil einander in Beziehung zu bringen,
überhaupt nur so viele Beigaben in Bewe-
guilg und Geberde haben, um die mystische
Idee zur Anschauung bringen zll können.

Wann nun beginnt die Verkündigung Mariä
in den Bilderkreis der christlichen Kirche ein-
zutreten? Es herrscht hierüber keine voll-
ständige Uebereinstimmung. Was das Fest
der Verkündigung anlangt, so begegnen ulls
hierüber, wie über die Marienfeste überhaupt,
iil den ersteil vier Jahrhuilderten keine sichern
Nachrichten, wohl aber Zeugnisse von der
Verehrilng Mariens. *) Erst in den Kämpfen
des Nestorianismus und Monophysitismus,
sowie durch die Angriffe der Antidikomaria-
niten, des Jovinian, Helvidins unb Bonosus
sah sich die Kirche veralilaßt, die Gottes-
Mlitterschaft und hohe Würde Mariens zu
wahren und durch Feste. zu fipiren. Auch
ist nicht niit Sicherheit nachzuweisen, daß
literarische Quellen vor dem Konzil zu
Ephesus (431) bildliche Darstellllngen der
Verkündigung erwähnen.* 2) Daraus, sowie
ans deill Umstande, daß kein einziger Schrift-
steller vor dem Jahre 431 eine Marienkirche
erwähne (ist übrigens nach Kraus 1. c. nicht
richtig), hat der protestantische Gelehrte Di-.
Th. Hach in einer Abhandlung „die Dar-
stellllngen der Verkündigung Mariä im christ-
lichen Alterthnm"3) den Beweis führen
wollen, daß vor dem Konzil zu Ephesus die
Verkündigung Mariä niemals Gegenstand
der Darstellung durch die bildende Kunst ge-
wesen sei. Dieser Beweis wäre nun aller-
dings erbracht, wenn ein Bild in der Kata-
kombe von St. Priscilla, das von den ge-
wiegtesten christlichen Alterthumssorschern als
ein Verkündigungsbild angesehen wird, wirk-
lich kein solches wäre. Es ist ein Fresko,
das seinem Stile nach dem 3. Jahrhundert
angehört und eine Matrone zeigt, die mit
Tunika und Pallium bekleidet und mit dem
Schleier auf dem Haupte allf einem Lehnstuhle
sitzt. Sie ist mit einem vor ihr stehenden
Manne im Gespräche, der mit Dalmatika
unb Pallium angethan ist, das er mit der
linken Hand zusammenhält, während er die
Rechte mit dem Zeigesinger gegen die Frau
deutend ausstreckt, die mit ihrer Liilken eine
abweiseilde Geberde macht. Die meisten und

st Vgl. Kraus, Real-Encyklopädie der
christl. Alterthümer. Freiburg 1882. Bd. I.
Artikel „Feste" p. 495-

2) Näheres hierüber bei Kraus, R.-E. II. 934-

3) Vgl. „Zeitschrift für kirchl. Wissenschaft
und kirchl. Leben" von Luthardt. Leipzig.
VI. Jahrg. 1885 p. 379 ff.
 
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