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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 9
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Relpek, Eugen: Eindrücke von der Augsburger Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0093

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89

Künstlern werden kann. Nicht nur über-
treffen ihre Einbände, Futteralien, Lederüber-
züge, Kästchen die unsrigen weitaus au Halt-
barkeit und Zierlichkeit: sie wußten diesen
unkünstlerischen Stoff durch Pressen, Ein-
schneiden, „Punzen", sogar plastisch zu be-
handeln. (An einigen alten Gegenständen
sehen wir glatte Lederverzierungen auf rauhem
Grunde erhaben aufgelegt!) Eine Reihe
merkwürdiger Lederkasseten, wie Nr. 320 aus
dem 13. Jahrhundert, Nr. 321 und 322
aus dem 14. Jahrhundert, geschmückt mit
Rittern und andern Gestalten (Nr. 321 so-
gar in erhabener Arbeit und dir. 322 in
Temperamalerei!); dazu eine Auswahl von
Bücherdecken aus dem 15.—18. Jahrhundert
vom einfachsten bis zum Prachteinband be-
weisen glänzend die Meisterschaft der dama-
ligen Lederarbeit und müssen jedem Kosser-
oder Einband-Fabrikanten unseres gepriesenen
Jahrhunderts, wenn er sie nur mit einigem
Nachdenken betrachtet, die Schamröthe in's
Gesicht jagen. — Hier ein moderner Ein-
band mit Lederpressung, die längst ge-
macht war, ehe derselbe (als fremdartiger
Bestandtheil!) dem betreffenden Buche aus-
geklebt worden war — dort ein Lederein-
band aus dem 14. Jahrhundert, der —
genauer als der Rock aus den Leib — auf
seinen Inhalt zugeschnitten wurde und erst,
nachdem er mit demselben organisch verbunden
war, sammt seinem besseren Ich in die Presse
kam, um die künstlerische Prägung zu erhal-
ten: zwischen beiden ist der gleiche Abstand
wie zwischen dem technisch vollendeten monu-
mentalen Druck der deutschen Bibel von
Zainer, erschienen zu Augsburg i. I. 1473
(vgl. Nr. 2313) und den Lettern irgend eines
in dessen Vaterstadt Reutlingen heute ge-
druckten Traktätleins! (Günther Zainer, der
erste Buchdrucker von Augsburg, ist nämlich
ein geborener Reutlinger.) — Daß außer der
genannten illustrirten Prachtausgabe der hl.
Schrift noch 7 andere vorresormatorische
deutsche Bibelausgaben, sämmtliche zu Augs-
burg gedruckt, daselbst zu sehen sind, kann
nur demjenigen auffallen, welcher den Wahn,
daß Luther als der erste die Bibel „ver-
teutscht", noch nicht überwunden hat. Ge-
schichtlich wichtig ist die Angabe des Kata-
logs: „Augsburg zählte bis zum Jahre 1500
nicht weniger als 21 Buchdruckereien, eine
Zahl, die von keiner andern Stadt Deutsch-
lands auch nur annähernd erreicht wurde."
Eine Frage liegt nahe: Wer hat denn die
Erzeugnisse dieser 21 Buchdruckereien, wer
hat insbesondere diese Prachtbibeln gekauft
und verbreitet? — Wer anders, als eben
diejenigen, welche man aus Gehässigkeit als
Feinde der neuen Vervielfältigungskunst, als

Feinde des Bibellesens insbesondere auszu-
geben beliebte!

Die Ausstellung von Stickereien können
wir übereinstimmend mit dem Katalog als
„vorzüglich reich an Teppichen und Gewän-
dern, die für kirchliche Zwecke dienen", er-
klären. Gegen zweierlei nur erheben wir
Einsprache (schon damit nicht die Leser
uns etwa für voreingenommene Bewun-
derer der alten Erzeugnisse halten!): gegen
einige Reliefstickereien mit ausgestopften
Figuren — dieses ist nicht gesund, möge
Niemand cs nachahmen! — sodann gegen die
alles Maß übersteigende Größe der gold-
gestickten Jnfuln Nr. 1968— 1970. Doch
stammen diese allerdings erst aus dem 18. Jahr-
hundert. Dagegen wird jeder Kenner die
Teppiche Nr. 1977 —1983 mit uns für voll-
endete Arbeiten ansehen, namentlich die in
Plattstich gefertigte Darstellung Ehristi mit
den 5 klugen und 5 thörichten Jungfrauen.
Alle die genannten Stücke sind als Anti-
pendien ausgeführt, aber sie sind hiefür viel
zu groß.

Wir haben nun bienenhaft-eklektisch, wie
wir versprochen, an den verschiedensten Blüten
genippt, den Hauptschmaus aber nach Fein-
schmecker-Art bis zuletzt aufgespart. Die
600 Nummern schwäbischer Goldschmiedekunst
sind noch;u überstiegen. Sie sind der Schwer-
und der Brennpunkt der „Kuusthistorischen
Ausstellung". Und wie sollte es anders sein?
Ist doch die Mehrzahl dieser glänzenden
Kunstgegenstände eben aus diesem Boden
erwachsen! Zählte ja doch i. I. 1588 allein
die Augsburger Goldschmiedezunft 170 Meister
und dies war noch keineswegs der Höhepunkt.
Die Listen derselben Innung vom I. 1740
weisen die stattliche Zahl von 275 Meistern
auf!

Der würdige Abglanz solch großer kunst-
geschichtlicher Vergangenheit ist diese Aus-
stellung. Jedes Kunstverfahren, jeder Zweig
der Kunst kann hier studirt werden: gravirte
und Eiselirarbeiten, Email und Filigran, Re-
liefs und freie Figuren. Alle Stilformen
vom 11. bis zum Anfang dieses Jahrhun-
derts wetteifern mit einander in ihrer An-
wendung auf alle möglichen Gegenstände
von der Monstranz bis herab zum einfachen
Stockgriff — und in welch gelungener An-
wendung! Dafür bürgen schon Namen wie:
Hans Müller von Augsburg, ca. 1470; Pe-
ter Herwarth von da, 1492; Lukas von Ant-
werpen aus Donauwörth, 1515; Joh. An-
dreas Thelott von Augsburg, 1689. (Der
silberne Deckelpokal des letzteren erregt wegen
der meisterhaft getriebenen Arbeit und der
geschmackvollen Zeichnung Aufsehen.) Diese
Meister, gewiß man muß sie achten, wenn
 
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