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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 4.1886

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Nr. 11
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Schnell, J.: Die Vortragkreuze im Landkapitel Tettnang, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15862#0115

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111

Rückseite überzogen mit vergoldetem Kupfer-
blech. Aus dem Quadrat ist in der Mitte
ein 2,5 cm hohes Medaillon herausge-
trieben, in dessen Oberfläche eine Mönchs-
sigur eingeritzt ist. Der Mönch betet
knieend, trägt am linken Vorderarm einen
steif abseitsstehenden Manipel, um das
Haupt einen Heiligenschein. Vorne in der
Vierung ist ein schönes Medaillon ans
vergoldetem Kupferblech. Es stellt den
Samson dar, wie er einem Löwen den
Rachen aufreißt. Samson kniet mit beiden
Knieen auf dem Rücken des Löwen, der
ganz besonders große Tatzen und scharf
hervortretende Krallen hat. Samson trägt
eine lange Tunika, um die Lenden gegürtet
und schön gefaltet, seine Haare fallen in
lange Locken aufgelöst weit über den
Rücken herab. Das ganze Bildchen ist
zierlich gravirt und stellt in recht sinniger
Weise oberhalb des crucifixus Vorbild
und Erfüllung einander gegenüber. Der
crucifixus ist ein schöner großer Guß
ohne Dornenkrone und scheint eine italieni-
sche Arbeit zu sein.

Nun sind noch drei Kreuze zu besprechen,
die sich znm Theil wesentlich von den bis-
herigen unterscheiden, nämlich diejenigen
von Thann au, Laimnau und Ai-
lingen. Das erstgenannte ist das einzige,
dessen Enden sich quadratisch erweitern;
es ist 41 cm hoch, 33 bzw. 3,2 cm breit.
Auch ist die Zeichnung der Stäbe nicht
gravirt, sondern Herausgetrieben aus der
Blechverkleidung. Es sind lauter Eichen-
blätter in naturalistischer Form, welche
in dichter Menge links und rechts aus
einem Stabe herauswachsen. Aber auch
dieses Kreuz ist, wie es scheint, von der
nämlichen „Künstlerhand" wie das von
Wildpoltsweiler mit Silberbronee und
Farben übertüncht worden. Medaillons
hat dieses Kreuz keine; die Vierung ist
wie bei den übrigen Kreuzen die erweiterte.

Der crucifixus, der ganz übertüncht
ist, ist eigenthümlicher Weise sehr flach
gehalten und zeigt Partieen, die aus eine
Schmiedearbeit Hinweisen.

Das Kreuz von Laimnau kommt an
Größe dem von Langenargen fast ganz
gleich; es ist 55 cm hoch, in den Quer-
armen 40 und in den Stäben 5 cm breit.
Diese endigen in Kleeblattform. In der
Vierung ist das Quadrat nicht erweitert.

Die Zeichnung in den Stäben ist getrieben,
hat Renaissanceformen, aber ziemlich in-
korrekte, zum Theil schon verzopfte. Die
vier Enden beider Seiten zeigen Medaillons,
wovon je zwei durch einen Nagel mit-
einander verbunden sind, vorne die vier
Evangelisten mit ihren Symbolen, je
Evangelist und Symbol beflügelt. Die
Medaillons der Rückseite enthalten Re-
liquien unter Glas. Das schönste am
Kreuz ist ein schöner vergoldeter Bronce-
guß ans gothischer Zeit, eine sitzende ge-
krönte Madonna mit dem Jesuskind; die
Krone ist unten ein Lilienreif ans dem
drei Stäbe hervorwachsen, die sich oben
in einem Spitzbogen vereinigen und in
einer Kreuzblume schließen. In der Rechten
hält die Madonna ein Scepter, mit der
Linken das Jesuskind; dieses trägt in der
Linken die Weltkugel und erhebt die Rechte
segnend. Maria sitzt ans Wolken und der
bloße linke Fuß ruht ans der Mondsichel.
Mantel und Kleid sind hübsch gefaltet.
Das Bild war ursprünglich jedenfalls an
einem andern Orte. Es ist m a s si v. Das
Kreuz ist nicht mehr aus der Stange,
sondern in der Sakristei über dem An-
kleidetisch. Der crucifixus ist aus der
Renaissancezeit.

Eine ganz ähnliche Zeichnung, aber
Hineingetrieben, hat das Kreuz von Ai-
lingen; es ist aber schlanker, denn bei
einer Höhe von 54 cm und einer Breite
von 37 cm mißt sein Stab nur 4 cm.
Der Vierpaß ist mit Schlußknöpfen besetzt.
Auf der Rückseite die vier Evangelisten
mit Symbolen in Medaillons, wie in
Laimnau ans Blech herausgetrieben;
vornen sind die vier Kirchenlehrer, das
untere fehlt. Die Kreuzesüberschrift siehe
Blatt II, Nr. 17. Der crucifixus ist aus
der Renaissancezeit, das Schamtuch rechts
geknotet und sehr schmal. — Alle die an-
geführte Kreuze, selbst die ans der späteren
Zeit, sind stilvoll behandelt und solid ge-
arbeitet. Ihnen gegenüber können die arm-
seligen hölzernen, vom Wurm zerfressenen,
vom Wind gebogenen Vortragkreuze aus
dem vorigen und diesem Jahrhundert, mit
dem aus Blech geschnittenen oder roh ge-
gossenen Christusbild, den Vergleich nicht
aushalten. Möchte man dem erhabenen
Feldzeichen der streitenden Kirche auch
wieder mehr Aufmerksamkeit, mehr Kunst
 
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