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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 3
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Aldenkirchen, ...: Die Ausstellung kirchlicher Kunstmalereien und Stickereien der Vergangenheit in Crefeld
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https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0031

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gestickt sind. In solcher Ausführung sahen
wir u. A. Scenen aus dem Leiden Jesu,
gegen dreißig Darstellungen verschiedener
Passionswerkzeuge und ikonographisch inter-
essante Heiligenfiguren an den Stäben von
Casel und Dalmatiken aus St. Georg in
Köln, Darstellungen der hl. Ursula und
ihrer Genossinnen und vieler anderen Hei-
ligen an dem Stab einer Casel aus St.
Cäcilien in Köln u. s. w. Es ist Aus-
sicht vorhanden, daß schon bald über Ver-
suche berichtet werden kann, ähnliche Stäbe
neu herzustellen, wodurch selbst weniger
bemittelten Kirchen die Möglichkeit ge-
boten wurde, sich mit geringen Geldopfern
stilgerechte und wirkungsvolle Kreuze und
Stäbe für Casel, Dalmatik und Chor-
mantel zu beschaffen, denen nur halbwegs
geübte Stickerinnen ein eigenartiges und
selbständiges Gepräge geben könnten.

Hinsichtlich der Form der Paramente,
namentlich der Caseln, muß festgestellt
werden, daß dieselbe in der ältesten Zeit
am weitesten von jener schwindsüchtigen
Dürftigkeit und jener Geschmacklosigkeit
entfernt war, in welcher Caseln aus dem
Anfänge unseres Jahrhunderts auf uns
gekommen und jetzt glücklicherweise nur
noch sporadisch beliebt find. Während alle
dem 11.—13. Jahrhundert angehörende
Meßgewänder die weiteste Glockenform
zeigen, die freilich für den celebrirenden
Priester manche Unbequemlichkeiten bedingte,
sahen wir selbst aus dem 15. und 16.
Jahrhundert, wo die sog. gothische oder
Bernhardus- und Borromäusform verlas-
sen und die Casel mehr und mehr auf
einen vorne und hinten herabhängenden
schmalen Schnippet reduzirt wurde, immer-
hin noch Caseln, die bei einer Rückenbreite
von 80 cm vorne an der schmälsten Stelle
noch 58 cm messen. Das dürften also
die Maße sein, unter welche man selbst
dort nicht hinabgehen sollte, wo man sich
für die so kleidsame und in ihrem Falten-
wurf malerisch schöne „gothische" Form nicht
begeistern will. Das Gabelkreuz auf
Vorder- und Rückseite ist übrigens allen
ältesten Caseln mit Ausnahme derjenigen
des hl. Heribert (st 1022), die gar kein
Kreuz hat, eigen, zeigt sich noch im 15.
Jahrhundert an der besonders schönen
Casel aus St. Georg in Köln und hat
in der „Nachfolge Christi" des gottseligen j

Thomas von Kempen (IV, 5) eine schöne
ascetische Deutung gefunden.

Ich könnte nun noch manches inter-
essante Stück aus der in Crefeld vereinigt
gewesenen Sammlung herausgreifen und
besprechen, so z. B. den überaus schönen,
im Jahre 733 der Hedschra in Südpersien
verfertigten Teppich, der einst in Mekka
zur Bekleidung des Sockels der Säulen
diente, welche die Decke der hl. Kaaba
trugen und ein Muster jener berühmten
Susandschird ist, die man als Nadelmalerei
oder Stickerei am Webstuhl bezeichnen
darf. Ich konnte länger bei den Reizen
eines auf grünem Sammt unter sieben
gestickten Arcatnren Heilige und die Krö-
nung Mariens in delikatester Gold- und
Silberstickerei zeigenden Antependiums aus
dem Kloster Kamp, bei einer höchst inter-
essanten Mitra ans dem Stifte Admont in
Steiermark, einem gewebten und dann un-
geschickt in Applikationsmanier überstickten
figurenreichen Altarauffatz (Retabulum,
Antependium) ans dem Diözesan-Musenm
zu Regensburg, einer interessanten Bursa
aus Brünn verweilen. Aber ich fürchte,
die Geduld der Leser und die Langmuth
des verehrten Redakteurs schon allzulange
in Anspruch genommen31t haben, und will
deßhalb zum Schluß nur noch kurz auf
eine Entdeckung aufmerksam machen, die
mir an der Dalmatik aus dem 1020 durch
Adala und deren Sohn Aribo gegründeten
! Benediktiner-Nounenstifte Göß in Steier-
mark gelungen ist. Dieses, wie die zuge-
hörige Casel und Chorkappe, ganz mit
figürlicher und ornamentaler Seidenstickerei
auf grauem Canevas bedeckte Parament
aus dem 13. Jahrhundert zeigt n. A. einen
springenden Löwen, den im Kreisrund die
lateinische Majuskel-Inschrift: Chunegun-
| dis . abbatissa . hoc . opus . operata .
est umgibt und in einem dieses umschließen-
den quadratischen Rand eine leider vielfack
verstümmelte, aber sehr charakteristische
deutsche Majuskelinschrift, von welcher
ich nur die Worte »heiligem . chinde«
(ch — k) und »himelische . chuneginne .
geziret . hat« entziffern konnte.

Viersen. Rektor Aldenkirchen.
 
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