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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 5
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Keppler, Paul Wilhelm von: Neue Studien über Paramentik, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15864#0046

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42

die Borromäusform geheißen, unbedingt
zulässig sei und niemals ein Verbot von
Rom aus zu befürchten habe. Die auf
dem dritten Provinzialkonzil zu Mailand
beschlossenen Bestimmungen des hl. Karl
Borromäus wurden vom hl. Stuhl appro-
birt; Gavantus giebt nichts anderes als
eben die auch im Dekret hervorgehobene
römische Form des 16. und 17. Jahr-
hunderts. Bei dieser Form ist die Unbe-
quemlichkeit der früheren Formen völlig
gehoben und doch partizipirt sie noch an
der Schönheit und Würde der alten Casel.
Sie verdient daher die w ä r m st e
E m p f e h l u n g. F ü r d i e S o n n - und
Festtage sollte diese reichere, wei-
tere und f e st l i ch e r e Art des Meß-
gewandes wieder in allgemeine
Aufnahme kommen.

4. Eine weitere Veränderung und Ver-
kürzung brachte das 18. Jahrhundert. Man
fand die Länge des Meßgewandes bei Knie-
beugungen hinderlich. Bei der alten, zu
den Knöcheln reichenden Form war es
nöthig, daß der Ministrant das untere
Ende der Casel bei Genuflexionen des
Priesters aushob, damit sie nicht Schaden
litt, eine Dienstleistung, welche von daher
vielerorts bis heute sich erhalten hat. Man
kam nun der Bequemlichkeit abermals einen
großen Schritt entgegen, indem man den un-
teren Zwickel m i n vorn und hinten abtrennte
und dadurch dem Meßgewand einen geraden
oder rundlichen Abschluß gab. Diese Form,
deren Ursprnngszeit genau nicht angegeben
werden kann, bürgerte sich, soviel bekannt,
in allen Ländern ein und blieb im 18.
und 19. Jahrhundert die herrschende; nur
in Deutschland, Frankreich und Belgien
trat an ihre Stelle im 18. Jahrhundert
eine noch zu beschreibende monströse Ge-
staltung des Meßgewands, welche Frank-
reich, das Land der Mode, zum Vaterland
hat. Jene erstere Form ist jetzt bei uns
fast ausschließlich in Verwendung und
wird von den Paramentengeschäften beinahe
allein gefertigt und verlangt. Seit dem
18. Jahrhundert ist sie auch herrschende
Form der römischen Kirche geblieben, und
da das obige Dekret sich in keiner Weise
gegen sie ausspricht, so ist anzunehmen,
daß die Rituskongregation diese Form für
zulässig und erlaubt ansah. Wir haben
keine Ursache und kein Recht, strenger zu

sein als sie, und sind ebenfalls der An-
schauung, daß diese Form des Meßge-
wands nicht als unkirchlich und unwür-
dig bezeichnet werden kann. Geht ihr auch
allerdings von der Würde, Feierlichkeit
und ästhetischen Schönheit der alten Ca-
sula vieles ab — weßwegen die großen
Maler und Künstler im richtigen Gefühl
bei ihren bildlichen Darstellungen immer
auf letztere zurückgreifen —, so kann sie
doch nicht ein unschönes und würdeloses
Gewand genannt werden, und sie erfüllt
immerhin noch die ursprüngliche Bestim-
mung der Casnla, den Körper des Prie-
sters zu umhüllen; daß sie unten die Albe
mehr §ur Geltung kommen läßt, thut der
Würde der priesterlichen Erscheinung keinen
Eintrag.

Somit kann bis auf etwaige definitive
Entscheidung der Frage diese Caselform
zweifellos als erlaubt gelten, und sie ver-
dient für den täglichen Gebrauch beibe-
halten zu werden, weil sie von allen For-
men am wenigsten sich abnützt und am
wenigsten Unkosten verursacht. Voraus-
gesetzt ist aber habet, daß sie rein
und richtig zur A u s f ü h r u n g
komme. Dazu gehören einmal richtige
Maße: eine Länge von 100—110 cm,
eine Breite von 65—70 cm, welche höch-
stens vorn auf der Brust auf 55 cm ein-
gezogen werden kann. Sodann darf das
Gewand nicht gesteift werden, sondern es
muß weich bleiben.

Wir bitten namentlich aus letzterem Punkt
bei Bestellungen und Anschaffungen un-
erbittlich beharren zu wollen, und wir er-
mahnen die Paramentengeschäfte dringend,
von ihrer Praxis der Steifung abzulassen.
Wir werden vor jenen warnen, die dieser
Forderung nicht Nachkommen. Daß der
Unfug dieses Steifens wieder vielfach spukt
und mancherorts wieder zur Herrschaft ge-
kommen ist, schüchtert uns nicht ein, sondern
wird uns im Kampf gegen denselben nur
um so standhafter und entschiedener machen.

Warum legen wir auf diesen Punkt
so großen Werth und Nachdruck? Weil
von ihm in der Thal die ganze Würde
und Schönheit und, wir sagen es kühn,
die Erlaubtheit der in Frage stehenden Form
des Meßgewands abhängt. Das durch
Zwischenlagen von gummirter Leinwand
oder gar von Papier und Pappendeckel
 
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