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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 6.1888

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Nr. 8
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Busl, Karl Anton: Der Bildhauer Jacob Ruß von Ravensburg, [1]
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schof Ortlieb vonBrandis, Herrn von
Vaduz, welcher 1458—1491 deir Churer Bi-
schofsstuhl inne hatte. Das Buch enthält
Aufzeichnungen ans den Jahren 1480—1491,
unter anderen folgenbe Einträge über eine
Bestellung bei Ruß und eine Reihe von Raten-
anzahlungen an ihn: »Item maister Jacob von
Ravenspurg sol mir uff sant Jacobstag ein
Epitaffium hawen; davon sol ich jm geben
XL reinisch guldin. anno 1485 actum est.«

Folgen nun die Einzeichnungen über geleistete
Zahlungen, in deren erster der Meister mit
seinem vollen Namen und Wohnort aufs
geführt wird: »Item ich hab’ mit maister
Jacob Ru ss von Rave ns purg einen Über-
schlag wass er an siner arbait empfangen hat
und jm daruff geben das alles trifft XVIII Rn.
guldin. actum 23. die decembris anno 1485.

Item 28. die februarii anno i486 hab ich
geben maister Jacob Rusch XX Rin. guldin
in muntz in presentia Wilhelm ringken. —-
Item 25. die februarii anno i486 hab ich
geben maister Jacob russ bildschnitzer VI Rn.
guldin an der arbeit by Wilhem paulen. •—
Item 20. die maij anno i486 hab ich geben
maister Jacob 1 lib. dn. und das jm geschikt
by hensli sinem knaben in presentia Wilhelm
paul. — Item 16. die Junij anno i486 hab
ich geschikt Xiiiip1 dn. by Hainrich Schnider.«

Was ist nun unter diesem vom Bischof
Ortlieb bestellten Epitaph zu verstehen? C.
Kind *) und nach ihm Roder behaupten irr-
thümlich, daß es sich um eine von Meister Jakob
Ruß selbst ansgestellte Quittung über 40 sl.
handle, ans der er auch den Namen seiner
Heimat Ravensburg beigesetzt habe. Es han-
delt sich aber, wie aus Vorstehendem ersicht-
lich, um Einträge des Churer Bischofs in
sein Rechnungsbnch. Sodann beziehen sie
diese Bezahlung ohne weiteren Beweis ans
ein leider überschmiertes Schnitzwerk der
mater dolorosa, das, früher außen an der
Fcwade des Domes beim Portal ob dem
Gitter des kleinen Friedhofes angebracht,
nenestens in die Krypta der Kathedrale ver-
bracht wurde. Ja Allgeyer3) behauptet
sogar vollständig irrthümlich, Ruß habe die-
sem Schnitzwerk selbst seinen Namen und den
seiner Heimat beigefügt. Ich will nicht in
Abrede stellen, daß diese Figur aus dem Ende
des 15. Jahrhunderts, ja aus der Schule
des Ruß, vielleicht, aber sehr schwerlich, gar von
ihm selbst herrühreu kann, wobei nur zu be-
denken, daß jie zwar gut angeordnet, aber

*) Anzeiger für schweizerische Geschichte, Jahrg.
1877, S. 291.

2) Zeitschr. s. Ge sch. des Oberrheins, N. F.
(1887) BK II. H. 4, S. 495.

b) Korrespondenzblatt des Gesammtvereines
der deutsch. Gesch.- und Alterthmnsvereine 1888,
Nr. 6, S. 66.

nur mittelgut durchgeführt ist, die Annahme
aber, daß dieses Schnitzwerk das von Ortlieb
bestellte Epitaph sei, ist alö eine bloße, äußerst
unwahrscheinliche Vermnthung zu bezeichnen.
Aus dem Wortlaut der Bestellung ist nichts
zu erschließen, was jener Konjektur günstig
wäre, es wird einfach „ein Epitaph" verlangt;
daß die Figur als solches gedient oder Theil
eines solchen gewesen, ist unerwiesen, nur
der Standort, zwar an der Kathedrale selbst,
jedoch beim kleinen Friedhof, wäre allenfalls
geltend zu machen, aber daß dieser Standort
der ursprüngliche vom 15. Jahrhundert ab
gewesen, ist wiederum unerwiesen. So gut
die Figur nenestens versetzt worden ist, kann
sie früher irgendwo anders als am Dome
selbst neben dem Portal, in der Nähe des
Friedhofs gestanden fein. Was aber die frag-
liche Vermnthung fast unmöglich macht, das
sind die hohen Kosten des Bildwerks. Bischof
Ortlieb bezahlte hiefür nicht nur die ausbe-
dungenen 40 rhein. Goldgulden, sondern noch
weitere 4 Goldgulden, sowie 1 Pfund und
14 Schilling Pfennig; das wäre für diese
65 cm hohe mater dolorosa bei dem damali-
gen hohen Geldwerth ein geradezu eporbitan-
ter Preis. Erhielt doch Ruß, wie wir in der
Folge sehen werden, für den außerordentlich
fignrenreichen Prachtbau des dortigen Hoch-
altares, Schreinwerk und Skulpturen, alles
in allem, nur wenig über das elfsache oben-
genannten Preises, nämlich 500 Gulden, und
für die gleich großartige Arbeit im Rathhaus
zu Ueberlingen außer Wohnung, Feuer und
Licht für Kost und Lohn zusammen täglich
nur 15 Kreuzer, jeder Geselle 10 Kreuzer.
Diese Erwägungen veranlassen mich zu der
Annahme: Bischof Ortlieb hat, falls es sich
nicht um ein verloren gegangenes anderwei-
tiges „Epitaphium" handelt, mit den Wor-
ten: „maister Jakob .... soll mir ain Epi-
taffinm hawen", zu seinen Lebzeiten sich
sein eigenes Grabmal b e st e l l t, eine
Verfügung, welche bei Prälaten im Mittel-
alter vom 14. Jahrhundert an nicht gar selten
vorkommt. *) Ortlieb stand zur Zeit der Be-
stellung ohne Zweifel schon in vorgerückteren
Jahren, hatte den bischöflichen Stuhl bereits
27 Jahre inne und mochte sein nicht mehr
sehr fernes Ende fühlen. Er starb sechs
Jahre nach fraglicher Bestellung, nach 33jähri-
ger Regierung im Jahre 1491. Sein Sarko-
phag aus rothgeslecktem Graubündener Mar-
mor besindet sich noch im Dome von Chur.
An der liegenden Figur ist der Kopf groß-
artig modellirte Freiskulptnr, die Behandlung

s) Beispiele, welche sich leicht vermehren ließen,
bei Otte, Handbuch der kirchl. Kunstarchäologie,
5. Auflage; II. S. 346.
 
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