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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

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Nr. 5
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Detzel, Heinrich: Der Glasmaler Ludwig Mittermaier, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0053

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49

auf, feinen Auftraggeber persönlich kennen
zu lernen. Er beschreibt seine Reise und
sein Zusammentreffen mit Mittermaier also:

Von Augsburg aus eine Strecke Eisenbahn
in der Direktion nach Ulm, dann ein Stuck
Wegs Postwagen und es winkten die Thürme
von Lauingen. Der Postillon, neben dem
ich draußen saß, um freiere Umschau zu
haben, wollte wissen was mein Reisezweck
sei? Als er erfuhr, das ich gereist sei, um
Herrn Mittermaier und seine berühmte „Glas-
malerei" anfzusnchen, hörte sein Lob des
Mannes nicht ans, der seines Landes Stolz
sei; auch ein Herr im Wagen fing an, mir
auseinander zu setzen, wie viel Lauingen
dem braven Manne zu danken habe. — Ich
fand leicht das sich vor andern auszeichnende
Haus des Glasmalers. Beim Eintreten
beste Knnstatmosphäre, die Menge alter Knnst-
werke und würdiger neuer Sachen. Herr
Mittermaier sei oben, hieß es; ich stieg hin-
auf, trat ein; in einem ganz bürgerlich ein-
fachen aber reinlich und solid aussehenden
Raum saß hinter dem saubersten Tische, ans
dem der Bierkrng nicht fehlte, ans der Holz-
bank eine kraftvolle Männergestalt. Ich war
verlegen, denn es schien als kenne er mich
nicht, er blieb ruhig an seinem Platze, erhob
sich nicht, den Eintretenden zu begrüßen,
anreden konnte ich ihn nicht. Ich schritt
nahe an ihn heran und hielt ihm meine
Paßkarte hin. Ohne hinzusehen, siel sein
Kopf auf die Arme und er weinte laut.
Inzwischen war seine Frau eingetreten und
aus einer früher eingesandten Photographie
erkannte sie mich sofort und hieß mich herz-
lich willkommen. Ich war ergriffen vom
Anblick des Weinenden, ich verstand den
Ausbruch, lange stand ich neben ihm, die
Hand auf seiner Schulter, da erst erhob er
sich, zog mich an seine Brust, küßte mich
heftig und sah mich so durchdringend an, es
ging mir nun ein Stich ins Herz — nun
waren wir endlich beisammen und konnten
nicht mit einander reden! teilte Stimme
hatte stark den unsichern, bald zu lauten,
bald zu leisen Ton eines, der nicht hört,
was er sagt; die lange Taubheit hatte auch
schon eine gewisse Undeutlichkeit hervorge-
bracht, dazu für mich noch der stark schwäbische
Accent — kurz der, mit dem ich jahrelang
brieflich in fast nnnnterbrochenem Gespräche
gewesen, war mir fast unverständlich, als
wir uns persönlich gegenüber standen.

In den drei Tagen, die ich bei ihm blieb,
wurde es anders, er war mir bald durchaus
verständlich und ich ihm annähernd auch.
Er sah einem das Wort vom Munde, zu-
weilen ein geschriebenes Wort erschloß das
ganze Verständniß und bedeutsamst ward

gestiknlirt. Er führte mich in seine Werk-
stätten, ich schüttelte die Hände seiner Ge-
hilfen, er zeigte mir Alles. Ueberall Ordnung,
klares Wesen und der Eindruck, daß hier
nicht handwerksmäßiges Erwerbsleben nur,
sondern eifrigstes Ringen nach Vorzüglichstem
im Berufe war; ein vortreffliches Verhältnis;
zwischen Meister und Gesellen, die bei ihm
wohnten, mit ihm aßen; eine schlicht bürger-
liche Haushaltung ohne jeden Tand modernen
Luxuslebens, aber veredelt durch das Vor-
handensein echt christlicher Weihe und in
reichem Schmuck von Kunst und Poesie, so
konnte man sich zurückversetzt wähnen in ein
bestes Bürgerhaus des Mittelalters, wo das
Kunsthandwerk lebte in echtem Bürgerthum.
Der Meister unter seinen Gesellen, er selber
derb arbeitend, sein Brot nur im Schweiße
seines Angesichts essend, von allem die Seele,
denn er verstand in der That alles am besten
und griff überall selber mit an; der Hausherr
mit seiner braven Hausfrau und dem Söhnchen,
wenn er mit seinen rüstigen Männern vor
und nach dem Essen betend um die Tafel
stand und belehrende und ergötzliche Tischreden
das einfache aber kräftige Mahl würzten;
der Bürger, wie er von allen Seiten gegrüßt,
der Stolz seiner Vaterstadt, mit seinem Gast
durch und um die Stadt zog und mit Be-
hagen mir alles zeigte, was in meinen Augen
Lauingen zu heben vermochte — und endlich
der goldtreue Freund, wie sein Herz oft
überwallte und das Auge überlief und er
nicht wußte, was er einem Liebes anthun
sollte! Alles das prägte meiner Seele ein
ganz unvergeßliches Bild einer seltenen wür-
digen Existenz, eines ganzes Mannes ein,
und wie selten sind sie geworden!"

Das nachfolgende Verzeichniß von Glas-
malereien wird uns einen Begriff geben von
der gewaltigen Schafsungskraft unseres
Meisters; es sind so viele Arbeiten, daß sie
allein inehr als eine gewöhnliche Manneskraft
hätten erschöpfen können. Dabei war er aber
noch in seinem eigenen Heim beschäftigt: er
hatte sein altes baufälliges Vaterhaus neu
Herstellen lassen und daran, nach eigenem
Entwurf, in altdeutschem Stile sich einen
Malsaal mit mehreren Wohnzimmern ange-
bant. Die neben demselben liegende Wirth-
schaft (zum Schimmel), welche er wegen
fortwährender Feuersgefahr zu seinem Kom-
plexe ankaufen mußte, errichtete er in den
letzten zwei Jahren seines durch Kränklichkeit
schon sehr getrübten Lebens von Grund aus
neu, legte den Garten höchst geschmackvoll
an und bereicherte dessen Arkaden mit einem
belehrenden Bilderschmnck. Aber bei all dieser
umfassenden Wirksamkeit war dieser seltene
Mann, so lange seine Gesundheit eine nor-
 
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