Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 7.1889

DOI Heft:
Nr. 9
DOI Artikel:
Die Wandgemälde im Domkreuzgang zu Brixen, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15865#0093

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
89

Motive erinnern durchweg an giotteske
Kunst (Semper S. 13).

Das sog. Anferstehungsbild in der
zwölften Travee, von welchem Sem-
per und Tinkhauser reden, welch letzterer
die Verkündigung der elften Travee mit
demselben znsammennimmt als Anfang und
Ende der Erlösung, ist in Wahrheit ein
Erbärmdebild; der Heiland steht im Grab,
mit allen Wunden, in den über der Brust
gekreuzten Händen Geisel und Ruthe;
neben ihm Maria und Johannes anbetend,
links noch St. Agnes, ein still ergreifen-
des Leidens-, kein Auferstehungsbild, ans
dem 14. Jahrhundert. In derselben Ab-
theilnng noch einzelne Heilige von ausge-
prägt deutschem Charakter, ebenfalls Werke
des 14. Jahrhunderts, aber von anderer
Hand als das Erbärmdebild; unter dem
ziemlich groben Bild des hl. Christophorns
allerlei phantastische Meerthierchen in den
Wogen, z»m Theil auf Geigen und Hör-
nern Musik machend.

In den folgenden Abtheilungen hat sich
nicht mehr viel erhalten, in der d r e i-
zehnten ein Dreikönigbild wohl von
1410, nobel und fromm in der Auffassung,
und einige Heiligenfiguren ans dem 14.
Jahrhundert; in der vierzehnten die
sieben Freuden Mariens, sehr verdorben;
Semper agnoscirt die Auffindung im
Tempel als Werk des Meisters mit dein
Skorpion, die Krönung Mariens als Werk
Jakob Sunters; in der fünfzehnten
eine Madonna ans dem Thron mit männ-
lichen und weiblichen Heiligen, ein Kölnische
Einflüsse verrathendes Bild von 1426;
die Sybilla Albunea, welche dem Kaiser
Augustus die hl. Mutter mit dem Kind
zeigt, ist fast nicht mehr zu erkennen.

Schon aus dieser Skizze ist zu ersehen,
welch reiche Ausbeute ein Studium dieser
Bilder dem Kunstforscher, dem kirchlichen
Maler und dem Freund der alten Kunst
gewährt. Auch leuchtet ein, welch richtige
Stellung gerade diese Fresken in der Ge-
schichte der Wandmalerei des 14. und 15.
Jahrhunderts einnehmen, als Mittel- und
Verbindungsglieder zwischen italienischer
und deutscher Kunst. Von den Vortheilen
dieser Vermählung profitireu auch noch die
beiden Meister, deren Gestalten insbesondere
durch Sempers Forschung jetzt erstmals
ganz konkret in die Kunstgeschichte herein-

treten, je in Begleitung einer respektablen
Zahl von Werken.

Der Meister mit dem Skorpion
wirkte ca. 1430—65. Seine Stärke liegt
in der Gabe, mit Leben, Nachdruck und
Feuer zu erzählen und zu schildern; in
der Welt der Affekte bewegt er sich mit
großer Sicherheit und Wahrheit; in der
dramatischen Kraft, im Ungestüm der Hal-
tungen und Bewegungen gemahnt er un-
mittelbar an die Kunst Giottos, voll der-
er sichtlich berührt ist. Er zeichnet ge-
wandt, nur mnthet er mitunter in Körper-
stellungen und Verkürzungen sich selbst zu
viel zu und ist er iu der Perspektive un-
sicher; Komposition rlnd Gruppirung ge-
lingt ihnl meist sehr gut itnb in der Po-
stirung und Durchführung der einzelnen
Gestalten zeigt sich ein sicherer Wurf nnb
richtiges Gefühl. Die Gewandung zeigt
noch die traditionellen geschwungenen
Linien und wird erst iu der Spätzeit des
Meisters in Folge flandrischen Einflusses
etwas knittrig und brüchig. Die charak-
teristisch scharf geprägten Gesichter sind
oval, das Jncarnat bräunlich schattiert;
sonst ist das Kolorirte lebhaft und reich.
Zur Kennzeichnung des Meisters muß
lioch angefügt werden, daß er die reli-
giösen Themate im tiefernsten Glaubens-
geist, aus innerstem Empfinden und Er-
fassen heraus zur Darstellung bringt; da-
her wirken seine Bilder auch unmittelbar
ergreifend, mit der Ueberzeugungskraft der
Wahrheit auf den Beschauer. Dank den
Untersuchungen Sempers können wir
nun folgende, der Entstehnngszeit nach
geordnete Werke dieses Meisters nennen:
1) Kreuzigungsbild im Kloster Wilten, in
Tempera auf Holz gemalt; 2) Kreuzigung
nnb Eccehomv im Kreuzgang zu Brixen,
dritte Travee; 3) Kreuzigung auf Holz
in Oel im Ferdinandeum in Innsbruck
(I. Kabinet Nr. 5); 4) Fresken in der
Kirche von Klerant bei Brixen (Passion
mit alttestamentlichen Parallelen, Legende
des hl. Nikolaus, Verklärung Magdalenas,
Eva Mutter des Fluches, Maria Mutter
des Segens mit zwei Hostien in den
Händen); 5) der zwölfjährige Jesus im
Tempel, Kreuzgang in Brixen, 13. Travee.

Jakob Gunter, Schüler des vorigen
Meisters, wirkte in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts. Er hat viel non
 
Annotationen