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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 1
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Detzel, Heinrich: Die sog. Miserikordia- oder Erbärme-Bilder, [1]
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5

Tagen zu Theil wird, geht zu weit. Wenn
der eine!) meint, hier sei das „Tiefste, was
sich in Inhalt und Ausdruck der Stimmung
erreichen läßt", wenn ein anderer „das
arma virumque cano Virgils" als „keine
bessere Einleitung eines epischen Gesanges"
bezeichnet als den „in scharf charakteristischen
Zügen von Dürer verkörperten Held seiner
Erzählung", und wenn wieder ein anderer
das Blatt „zu dem Durchdachtesten und tiefst
Empfundenen, was unser Meister geleistet",
rechnet, so sind das Uebertreibungeu und
dem Steckenpferde der Detailforschungeu
zu gute zu halten. Zugleich liegt hierin
die mißverstandene Auffassung der Dar-
stellung überhaupt. Eine nüchterne und
christliche Kunstanschauung kann in diesem
Schmerzensmanue keine höhere, ideale
Schönheit erkennen; in solcher Situation,
die einem Menschen ähnlich ist, der an
seinem Schicksale verzweifelt, können wir
uns den freiwillig leidenden, voll-
ständig gottergebenen Heiland nicht denken,
abgesehen von der völlig unästhetischen,
äußeren Erscheinung des Bildes. Wenn
W. Grimm über Dürers Veronika- und
Tcce-homo-Bilder überhaupt urtheilt:
„In den Holzschnitten, die wenige und
harte Umrisse verlangen, hat er vorzugs-
weise den Typus beibehalteu, aber den
herben und ungefälligen; in den Kupfer-
stichen sucht er mehr gemeine Naturwahr-
heit, die oft unschön ist"H, so können wir
dieses Urtheil nicht, wie Danko^) thut,
als unbegründet bezeichnen. Ein vollgil-
tiges Zeugnis hiefür ist gerade die un-
zweifelhaft A. Dürer zuzuschreibende Zeich-
nung des Schmerzensmannes, die im Be-
sitze des Herrn Danko selbst sich befindet
und in seiner oben angegebenen Schrift G)
abgebildet und beschrieben ist. Das Bildchen
ist auch für den Dürerforscher gewiß höchst
interessant, aber schön und nachahmungs-
würdig als Andachtsbild wäre es nicht;
das christlich-ästhetische Gefühl unseres

*) Hotho, Geschichte der deutschen und nieder-
ländischen Malerei. Berlin 1842, I. 118.

2) Springer, Bilder aus der neuern Kunst-
geschichte, Bonn 1867, S. 197.

3) A. Eye, Erläuterungen S. 18.

4) Die Sage vom Ursprung der Christnsbilder,
Abhandlung der Bert. Akad. Phil. Hist. El. 1842
S. 167.

E A. a. O. S. 18.

6) A. a. O. S. 27.

heutigen Bottes würde sich entschieden da-
gegen sträuben, und mit Recht.

Dieses Bild des Schmerzensmannes
wurde häufig, wie man besonders aus
den im 15. Jahrhundert angefertigteu Holz-
schnitten und Knpserstichen ersehen kann, ent-
weder mit sämtlichen Marterwerkzeugen
Ehristi oder doch mit einer großen Anzahl
derselben, oft auch mit den Porträts der
bei seiner Marter aktiv betheiligten Per-
sonen, umgeben und man nannte dann
eine solche Darstellung W affen oder
W a p p e n C h r i st i (arma Christi, ons
heren wapenen). Die Einführung dieser
Bilder hängt wohl unzweifelhaft mit der
Einführung jener Feste zusammen, die zn
Ehren einzelner Leidenswerkzeuge Christi,
besonders der sog. großen Passionsreliquien,
wie z. B. der Dornenkrone, der Lanze,
der Nägel u. s. w., feit dem 14. Jahr-
hundert auch in Deutschland gefeiert werden.
In den Hymnen ans jene Feste werden die
Leidenswerkzeuge ausdrücklich als „arma
Christi" oder „arma Domini“ bezeichnet.
So beginnt z. B. der Hymnus zur Ma-
tutiu auf das Fest der Lanze und der
Nägel: (Aliqua fer. VI. p. dom. in alb.):

»Paschali jubilo sonent praeconia

Armorum Domini, per quae victoria

Venit Christicolis: sint in memoria

Crux, et Clavi, et Lancea«.

Auf dasselbe Fest dagegen schließt der
Hymnus ad Tandes:

»Precamur, Auctor omnium,

Tu nostra sis refectio:

Tuorum perque meritum
Armorum sis protectio.«

Schon die gotchische Periode Ende
des 13. oder Anfang des 14. Jahrhunderts
kennt solche Wappenbilder Ehristi. So
sieht man aus einer Tafel des Wallraf-
Richartz - Museums zu Köln (Nr. 35)
neben zahlreichen anderen Darstellungen
in der Mitte auf einem vierfach größeren
Raum, als die übrigen Einteilungen zeigen,
den Heiland am Kreuze, neben ihm zu
beiden Seiten aber Embleme der Leidens-
geschichte, worin Schweißtnch, Messer, Ge-
wand, Würfel, Petrnskops mit dem Hahn,
Zange, Hammer, Leiter u. s. w. und dazu
noch Christus in einem Kasten stehend mit
der Dornenkrone. Ausdrücklich als »arma
Christi«, als „Waffen Christi", werden
diese Bilder im sog. H e i l s s p i e g e l
(speculum hnmanae salvationis), einem
 
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