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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 3
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Keppler, Eugen: Der Hirsauer Bilderfries, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15907#0030

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20

folger jener? Auch der junge Benedikt
hatte ja einst drei Jahre lang die schauer-
liche Wildniß von Subiaco mit den Thieren
des Waldes getheilt; auch seine geistigen
Söhne ließen, dem inneren Drange fol-
gend, sich am liebsten in den unwirthlichen
Waldwüsten nieder, die damals unser
Vaterland unabsehbar bedeckten. Hier
fühlten sie sich zu Haus. In dieser voll-
ständigen Abgeschiedenheit entfalteten sie
ans Grund der starken, von ihren Grün-
dern ihnen verliehenen Verfassung jenen
mächtigen Genossenschaftsgeist und als
Frucht desselben die Uebersülle von Trieb-
kraft und Leben, welche niemals eine
weltliche Stiftung, auch mir annähernd,
erreicht hat. Diese starke Verfassung und
diese mächtige aus ihr im Schoos; der
Wildniß erblühte Genossenschaft veranschau-
lichen mir eben die Löwen, welche die
Ecken des Thurmes halten. Alte Sinn-
bilder der Kraft und der Autorität,
kennzeichnen sie hier die Einsamkeit als
die Heimat der Starken. Eine derartige
Auslegung, weiß man wohl, kann ans
keine strenge Art erwiesen werden, sondern
das Gefühl des Lesers, bei dem sie Glück
machen soll, muß ihr zu Hilfe kommen.
Und sollte es nicht zu Hilfe kommen, da
diese Erklärung dein Wesen des Mönch-
thums entnommen und mit den geschicht-
lichen und monumentalen Thatsachen im
Einklang ift V

Wie steht es dagegen mit der Aus-
legung, die Sie von den Böcken samt Rad
geben und mit der subjektiven Wendung
einführen: „Wir können uns Rad und Böcke
nicht anders als im Zusammenhang mit-
einander denken und ans den Reichthum des
Klosters an Heerden und Getreide beuten."
Was heißt hier „wir" ? Wir Neueren? Wir
Neueren bilden bisweilen das Glück als
ein Schwein und die Dummheit als einen
Ochsen. War das darum die Bildung,
die ihnen die Alten gaben? Zudem stellen
auch wir Neueren das Abstraktum „Reich-
thum" nicht unter dem simpeln Bilde eines
Rades oder einiger Böcke dar. Irgend
ein weiterer charakteristischer Zug müßte
beigefügt werden, sollte diese Bedeutung
sich ergeben. Ich wenigstens gestehe, daß
ich unter diesen beiden Emblemen viel eher
die queren Gedanken ausgedrückt sehen
möchte, die einem „Erklärer" im Kopf

herumgehen, der meint, er müsse eine Sache
erklären, von der er nichts versteht, sowie
die „Böcke", die er bei solchem Mangel
an Verständnis; schießt. Uebrigens kommt
es gar nicht darauf an, was Sie oder
ich sich unter diesen Gebilden denken, son-
dern was jene sich darunter dachten, von
welchen, sowie für welche sie einst ange-
bracht worden sind!

Aber selbst die Möglichkeit einer solchen
Deutung vorausgesetzt, wie soll sie in
das Mönchprogramm passen, das Sie mit
Recht an dieser Stelle vermuthen. Wenn
es Leuten gewöhnlichen Schlags nicht
ziemt, sich ihres „Reichthnns an Heerden
und Getreide" zu rühmen, wie soll es
Mönchen geziemen? Nur seiner Arbeit-
samkeit darf sich ein Jeder rühmen: folg-
lich hätten Sie, wenn sie bei der Oekonomie
stehen bleiben wollten, wenigstens auf die
Kultur a r b e i t verweisen sollen, durch welche
die Mönche die theils von jeher wilden,
theils nach dem Anfhören der wenigen rö-
misch-alemannischen Stationen aufs neue
verwilderten Thiere erst in den Wäldern
aufsuchen uub nach und nach zu brauch-
baren Hausthieren umwandeln mußten,
ehe diese zu ihrer Wohlhabenheit beitragen
konnten. „Bildet ja doch die Zähmung
der zum Zustand der Wildheit zurückge-
kehrten Thierarten eine der merkwürdigsten
Episoden in der civilisatorischen Wirksam-
keit der alten Mönche", sagt mit Recht
La Borderie, vgl. II. Montalemb. S. 414.
— Endlich was hätte eine solche Schau-
stellung des Reichthums, auch wenn sie der
Mönche würdig gewesen wäre, wie sie that-
sächlich ihrer unwürdig war, an den
Mauern eines Klosters für einen Zweck
gehabt? Ich wüßte keinen, wenn es nicht
der ist, die Meinung zu erwecken, daß die,
welche so groß thnn, in Wahrheit nicht
viel haben: wie man von einem, der viel
mit der Börse klingelt, anzunehmen pflegt,
er habe nicht viel darin! Denn damals
waren die Schnapphähne stets bereit —
auch ohne Einladung! „Depraedari ergo
desiderat qui thesaurum publice portal
in via" bewahrheitete sich damals allent-
halben.

Damit wären wir für heute fertig ; doch
da reizen Sie von neuem meinen Wider-
spruch durch die Behauptung: „Die drei
Männer, die Träger der ganzen über sie
 
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