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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 4
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Detzel, Heinrich: Die Kirchenrestauration in St. Christina bei Ravensburg, [2]
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30

Kreuzesstab und iu der Linken eine Kugel mit
dem signaculum Dei (Gottessiegel X).

7) Throni (Thronen) in weißer Alba und
Stola halten die Arme in tiefster Ehrfurcht ge-
kreuzt und erscheinen mit vielen Augen auf den
Flügeln.

8) Cherubim (Erkenntnis Gottes) in rothem
Ober- und grünem llntergewande, ebenfalls als
vieläugig dargestellt, tragen das feurige Schwert
(Austreibung aus dem Paradiese!) und haben
zwei Flügelpaare; sie stehen auf feurigen Rädern
(Ezech. 1, 19, 20).

9) Seraphim (feurige Munde) stehen nach
Jesaias (6, 2) mit sechs Flügeln in der Umge-
bung Gottes und singen das dreimal Heilig.
Sie tragen daher rothes Gewand und auf der
Brust das Spruchband mit dem Worte „sanctus“.

Herr Kaltenbacher hat auch die Entwürfe
zur eigentlichen Dekorationsmalerei ausge-
arbeitet, welche von dem Dekorationsmaler
Fidel Nachbaur von Bo du egg ebenso
fleißig als geschickt ausgeführt wurden.

So oft wir auch die ganze Ausmalung
der Kirche, besonders bei günstiger Witterung,
überschauen, wird uns jedesmal das Lichte
und Duftige in der ganzen Farbengebung,
die schöne Harmonie der einzelnen Theile
untereinander, sowie die zarte und echt kirch-
liche Auffassung iu den Darstellungen wie
nicht minder die Schönheit des Kolorits
überhaupt und besonders auch die Korrektheit
in der Zeichnung erfreuen. Darum noch
einmal Dank und Ehre dem Meister
Kaltenbacher!

Noch während im Chore gemalt wurde,
sind im Schiffe der Kirche sechs neue
Fenster eingesetzt worden; sie sind sämmt-
lich von Herrn Glasmaler Hecht in Ravens-
burg aus verschieden genuiftertem, weißem
Kathedralglas schön und solid ausgeführt
und haben gemalte Bordüren. Hierauf
wurde der Bodenbelag der Kirche iu
Angriff genommen. Es ist, um ein stim-
mungsvolles Bild in einer Kirche heraus-
znbringen, durchaus nicht gleichgültig, von
welcher Beschaffenheit der Farbe ein Kirchen-
boden ist. Es handelte sich hauptsächlich
darum, ein Dessin herauszusinden, dessen
Farbe zum Eichenholz, das für das neu an-
zuschaffende Jnventarium projektirt war,
stimmen wird. Es wurde das beste Material,
das gegenwärtig — abgesehen von dem eigent-
lichen Mosaik — zu Gebote steht, genommen,
nämlich Einziger Platten, und wurde der
ganze Boden durch die Firma Oster-
ritter in Stuttgart bezogen und tadellos
gelegt; im Schiss kommt das Muster auf
10,75 M. per Quadratmeter, im Chor auf
13,25 M. fix und fertig gelegt zu stehen.
Bei dem Eingänge in den Chor lag eine
Sandsteinplatte, welche die Grabstätte des
Abtes Leopold Manch von Weissenau be-

zeichnete, der 1722 im Pfarrhause zu St.
Christina, wohin er sich nach einem Schlag-
anfall zurückgezogen hatte, starb. Diesem
einst hoch angesehenen Prälaten der Weissen-
au, der der erste Bauherr vom jetzigen
Kloster und der Kirche von Weissenau war,
mußte sein Andenken bewahrt werden. Da-
her wurde zu seiner bleibenden Erinnerung
eine schöne, weiße Marmorplatte mit ent-
sprechender, fein eingegrabener und vergol-
deter Inschrift iu die Seitenwand beim
rechten Nebenaltar eingelassen.

Nun fragte es sich, was soll — wenn
wir so sagen wollen — vom alten Jnven-
tarium der Kirche belassen und was soll ent-
fernt werden. Wir kennen noch wohl die
Zeit, es ist ja nicht viele Jahrzehnte her,
in der alles, was nicht gothisch oder roma-
nisch war, bei Restaurationen aus den Kirchen
entfernt wurde. Die schönsten Renaissance-
altäre kamen zum Falle, und wenn auch
manche Renaissance- oder Barockkirche schon
um ihrer Harmonie willen laut um Be-
lastung ihrer einheitlichen Ausstattung rief,
so begnügte sich ein falsch verstandener
Restaurationseifer nicht damit, die Kirche
einfach malerisch neu zu kleiden ttub alles
zu belassen, wie es ursprünglich war, cs
mußten wenigstens neue romanische oder
gothische Altäre her.

Das ist nun anders geworden. Man
erkennt jetzt, und zwar mit Recht, auch iu
der Renaissance wieder christliche Kunst
und läßt selbst Rokoko oder Barockaltäre
wieder gelten. Aber es will mir doch
scheinen, daß iu dieser Reaktion mitunter
zu weit gegangen wurde. Wenn Al-
täre, Chorstühle it. dgl. nur allein die
reinste Zimmermannsarbeit zeigen, wenn sie
sich plump und unkünstlerisch in ihren ar-
chitektonischen Verhältnissen repräsentiren,
wenn sie bar eines jeden auch nur halbwegs
ordentlichen figuralen oder ornamentalen
Schmuckes sind, und wenn sie noch vollends
jener stillosen Zeit angehören, die überall
nur den langweiligen Zollstab des „ Staats -
technikers" zeigt, dann verliert die christ-
liche Kunst wahrlich nichts an ihnen, wenn
sie entfernt werden. Solche Werke bei der
Restauration einer gothischen oder roma-
nischen Kirche, die vollends noch eine un-
verdorbene Architektur hat, stehen zu lassen,
wäre geradezu eine Versündigung gegen die
kirchliche Kunst.

Die Entscheidung nun in unserem Falle
war leicht zu treffen: außer deu Seiten-
altären durfte alles weichen. Diese gothi-
schen Seitenaltäre wurden schon unter
dem sel. Pfarrer Müller iu Saulgan ge-
fertigt und zeigen gute architektonische Ver-
 
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