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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 8
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Fuhrmans, Albert: Albrecht Dürer, [3]: ein Vorbild für unsere Zeit
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— 76

heutzutage bei unzähligen Malern, sondern
bedeutend, kraftvoll und fest. Ja man kann
sagen: Wir sind so vertraut mit den Meister-
werken der italienischen Malerei, eines Nafael,
Lionardo, Titian u. s. w. inib hauptsächlich da-
durch so gewöhnt ans die äußere Schönheit —
die Schönheit und Anmut der Formen — zu
sehen, daß die Dürer'schen manchmal uns
hart und herb Vorkommen und die betreffenden
Werke ungenießbar. Es sind aber deutsche
Formen, keine italienischen, durch die Antike
geläuterten; und wenn wir uns die Mühe
nehmen, in den Gehalt der Werke einzn-
dringen, über ihre innere Schönheit nach-
zndenken, dann begreifen und würdigen wir
diesen Meister und sehen ein, daß er selbst
der Hochachtung eines Nafael werth war, der
ihm znm Beweis derselben Zeichnungen seiner
eigenen Hand verehrte.

Albrecht Dürer geht so weit, heilige
Personen in der d a m aligen N ürn b er g er
Tracht darzustellen, und es entsteht die
Frage, ob es empfehlenswerth sei, Personen
der hl. Geschichte in unserer heutigen Kleidung
darzustellen. Wenn man dieses thut, so ist
allerdings die leidige Kostümfrage ans der
Welt geschafft, und es gibt manchen Maler,
welcher diesen bequemen Weg einschlägt.
Aber glaubt man nicht einen Schlag in's
Gesicht zu bekommen, wenn man dieses sieht?
Ist nicht unsere Kleidung, namentlich die
männliche, durchaus unschön? Und was
würden erst unsere Nachkommen, welche
wieder eine andere Tracht haben werden,
über diese Bilder denken? Unseren Zeit-
genossen fehlt auch der naive Glaube unserer
Vorfahren zur Zeit eines Dürer, ihre kind-
liche Vertrautheit, ihre liebevolle Hingabe an
die hl. Geschichten aus Schrift und Legende,
welche cs mit sich brachten, daß die hl.
Personen in ihrem Geist Fleisch und Blut
annahmen und wahrhaft lebendig waren.
Lebendig aber konnten sie nur werden in
der Tracht, welche dem ganzen Volke vertrant
war. Die Ueberlieferung dieses kindlichen
Glaubens, dieser naiven Anschauungsweise
ist nicht bis ans uns gelangt, sie wurde seit
Dürers Zeit vollständig unterbrochen.

Ebenso unerträglich ist es aber, die hl.
Personen in archaisierender Weise so
dargestellt zu sehen, wie man meint, daß es
historisch richtig sei. Die genannten hl.
Personen sind ja typische Gestalten, welche
bestimmte Ideen verkörpern sollen und zwar
für alle Zeiten. Demgemäß muß ihr Aenßeres
so gebildet werden, daß es dem entspricht,
und es ist eine Tracht zu wählen, welche das
Absonderliche einer Zeit nicht zu sehr hervor-

Stuttgart, Buchdruckerei der

hebt; es ist eine von diesem absehende, all-
gemeiner gültige Kleidung zu verwenden.
Gerade von Albrecht Dürer ist in dieser
Hinsicht viel zu lernen. Er sucht, wie
Thausing sich ansdrückt (A. Dürer, S. 189),
in der Gewandung „stets und gründsätzlich
ein Hauptmittel des künstlerischen Ausdrucks".
Er hat zwar manches, was der damaligen
Nürnberger „Mode" entsprach, was uns
hentziltage fremd ist und störend, aber er
bringt auch sehr vieles, was naturgemäß und
wirksam, selbst bedeutend ist. Das verdient
eifrigstes Studium und Nachahmung. All-
bekannt ist ja — um nur ein Beispiel an-
zuführen — der durch seinen einfach groß-
artigen Faltenwurf überaus wirkungsvolle
Mantel des hl. Paulus (in der alten Mün-
chener Pinakothek).

Es ist selbstverständlich, daß in den
Werken eines Malers, welcher fast nur
religiöse Gegenstände behandelt hat, die
Gottesmrktter eine Hauptrolle spielt.
Sie findet sich in Dürers Marienleben fast
ans jedem Blatt ltnb zeigt namentlich bei
der Verkündigung sowie bei der Nkche in
Aegypten ein recht edles, verklärtes Antlitz.
In den Randzeichnungen znm Gebetbuch des
Kaisers Maximilian I. ist sie als Himmels-
königin , bei der Verkündigung sowie als
schmerzhafte Mutter stets in würdiger, er-
bakklicher Weise dargestellt. Dagegen finden
sich auch Darstellungen, in welchen der
Meister ohne Wahl eine Nürnbergerin mit
einem Knäblein der Wirklichkeit nur nach-
gebildet hat. ^L>o z. B. ans seinem Kupfer-
stich (Bartsch Nr. 34) „Maria das Christus-
kind säugend". Nur in technischer Hinsicht
ist dieser Kupferstich ein Meisterstück. Wenn
wir nicht wüßten, daß Dürer öfter hl.
Personen, die während ihres Erdenlebens
gedacht sind, keinen Nimbus beigibt — in
seinem Marienleben hat Maria und selbst
der Heiland während jener Zeit keinen
solchen — so würden wir es für sicher
halten, daß Dürer jenes Bild gar nicht für
ein Marienbild habe ausgeben wollen, denn
die dargestellte Mutter sieht einer Greisin
gleich und hat nichts Madonnenartiges.

Ueberhaupt stellt Dürer Maria nicht
so jugendlich dar, wie sie nach der Legende,
nach den Verhältnissen des Morgenlandes
und den diesen entsprechenden Darstellungen
mancher italienischer Maler bei der Verkün-
digung u. s. w. gewesen ist. Bei ihm ist
sie durchgängig eine vollkommen herangereifte
Jungfrau und schon bei der Flucht nach
Aegypten eine stattliche, behäbige Frau und
Mutter. (Schluß folgt.)

Akt.-Ges. „Deutsches Volksblatt".
 
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