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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 9
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Schnell, ...: Die Altäre der Heiligkreuzkirche zu Rottweil a. N., [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15907#0097

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strichen worden. Nach Heidelosf sollen die
beiden Bilder von Hans Schäufelein sein.
Hiegegen spricht jedoch die Stilisierung der
Landschaft, der goldene Himmel, die Ruhe
und hl. Würde in der Bewegung der Ge-
stalten, der fast männliche Ernst im Gesichte
der hl. Jungfrau. All dies weist hin auf
die Ulmer Schule und auf die Zeit unmit-
telbar vor oder bald nach 1500.

4. Der Bartholomäus-Altar

unterscheidet sich von dem Ulrichs-Altäre
dadurch, daß er außer und hinter den zwei
beweglichen Flügeln noch zwei feststehende
hat. Das bewegliche Flügelpaar hat auf
der Innenseite Reliefs, auf der Außenseite
gemalte Scenen aus den: Leben des hl.
Bartholomäus, welche sich auf den Flügeln
an der Wand fortsetzen.

In der Nische stehen die spätgothifchen
Statuen des hl. Bartholomäus und der hl.
Märtyrer Sergius und Bacchus.

lieber dem Schrein und den Flügeln ist
ein kräftiger Aufsatz von dem ans sechs
Fialen emporsteigen mit spätgothischcr Ran-
kenfüllnng und meist in 8-Form gebogenen
kleineren Fialen. Die zwei Hauptfialen,
welche den Raum über der Nische begrenzen,
umrahmen eine schöne Renaissance-Skulptur:
St. Georg zu Pferd, mit einem Speere den
Drachen durchbohrend. St. Georg trägt
Panzer-Rüstung mit hübsch drapiertem Man-
tel. Diese Scnlptur war früher in dem
Zopfaltar, welcher in der nämlichen Kapelle
stand, fand jedoch wegen ihrer hübschen Aus-
führung Gnade in Heidelosss Augen und
einen Platz im neuen Altar. Der Aufbau
ist durch Schreiner Haas und Bildhauer
Roternuind um 490 fl. verfertigt und von
Hütter vergoldet worden, welcher 1230 sl.
bekam für Vergoldung d^s ornamentalen
Schmuckes und der Figuren. Die Figuren
und Flügel sammt Schrein kaufte Heidelosf
von Ingenieur Them zu Augsburg um
455 sl. und bezeichnet als Verfertiger der
Standbilder Veit Stoß und der Flügel
Michael Wohlgemnth.

Ob Veit Stoß diese 3 Figuren verfertigt
habe, ist höchst fraglich, weil ihnen verschie-
dene für Stoß charakteristische Merkmale ab-
gehen; vor allem die naturalistische Durch-
bildung der Köpfe, die lebendige Bewegung und
unruhige, zum Theil unklare, knitterige Falten.

Allerdings gehören diese Figuren einer
Zeit an, in welcher der Naturalismus ent-
schieden die Herrschaft hatte, aber immerhin
haben sie noch etwas typisch Ideales an sich.
Besonders die Figuren von Sergius und
Bacchus mit ihren etwas zu weit auseinan-
dergestellten, flach liegenden, großen Augen

weisen auf einen anderen Künstler hin, als
Veit Stoß. Die Haltung ist feierlich ernst,
die Untergewänder liegen enge an, sind an
der Hüfte gegürtet und ganz einfach gefaltet.
Die Mäntel sind so gelegt, daß die Oefs-
nung je auf der Seite liegt und der eine
Arm frei ist. lieber den andern Arm ist
das Mantelende so heransgenommen, daß
fast die Form eines gothischen Meßgewandes
entsteht. Auf der Vorderseite dieser Mäntel
sind reiche, etwas knitterige Falten ange-
bracht. Sergius hält in der Linken einen
Schuh, in der Rechten ein Schwert. Bacchus
faltet die Hände vor der Brust.

Der tiefgeschnittene Faltenwurf am Mantel
des Bartholomäus ist für Veit Stoß etwas
zu breit angelegt und zu plilinp behandelt.
Der Gesichtsausdruck dieser Figur ist ernst,
fast schmerzlich, die Oberlippen etwas auf-
geworfen , der Mund leicht geöffnet. In
der linken Hand ist ein Messer als Symbol
seines Martyriums, die rechte Hand erhebt
den Zeigefinger und vervollständigt so den
Ernst im Gesichtsansdrnck.

Tie Flügel zeigen ans der Innenseite
Reliefs: die Trennung der Apostel. Je
zwei Apostel reichen sich die Hände zum
Abschied mit tiefem Kummer im Ausdruck
und einer ist im Begriffe, mit dem Kleide
sich die Thränen abznwischen. Ein dritter
Apostel je geht ans felsigem Wege einen Berg
hinan, dessen Gipfel eine Stadt krönt. Die
Figuren haben ziemlich geknitterte vergoldete
Gewandung, die Lust ist blau und durch
Rankenwerk maskirt. Kann man nun diese
Reliefs dem Michael Wohlgemnth, bezw.
seiner Werkstatt zuschreiben? Mit Sicher-
heit jedenfalls nicht. Doch haben sie ver-
schiedene Eigenthümlichkeiten von unbe-
strittenen Werken Wohlgemnths. Es sind
gedrungene Gestalten; Gesicht und Hände
sind ganz naturalistisch, fast etwas derb
dnrchgearbeitet, der Schnitt des Mundes, die
müden Angen und die ernste Gesammt-
haltnng weisen entschiedene Aehnlichkeit aus
mit der Beweinung Christi von Wohl-
gemuth. Auch die Untersuchung der Gemälde
erhebt die Autorschaft Wohlgemuths nicht
über alle Zweifel. Es sind vier Scenen
aus dem Leben des hl. Apostels Bartholo-
mäus. Wenn wir der Leg6nda aurea
solgcn und an ihrer Hand die Gemälde
mustern, so finden wir alsbald, daß wir mit
dem Flügel an der Wand auf der Evangelienseite
zu beginnen haben. Hier finden wir Bar-
tholomäus in einer Kirche predigend. Unter
der Kanzel vor ihm sind sechs Zuhörer mit
dem Ausdruck großer Aufmerksamkeit. Gegen-
über der Kanzel steht ein Mann mit jü-
dischem Typus, voll Verwunderung die
 
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