Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 10.1892

DOI Heft:
Nr. 1
DOI Artikel:
Beck, Paul A.: Beziehungen des Martin Schongauer zu Ulm, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15909#0013

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
9

Nr. 9, S. 69—71) angezogen hat, scheinen Grün-
eisen und Ed. Manch in ihrer 1840 erstmals er-
schienenen Schrift: „Ulms Knnstleben im Mittel-
alter" (S. 34 ff.) und nach diesen wieder Georg
Fischer in seiner „Geschichte der Stadt Ulm"
(ebendaselbst, 1863, Druck und Verlag von P.
Geuß S. 234 und 235) sowie andere gefolgt zu
sein, ohne aber die Quelle zu nennen.
Beide fügen noch bei, daß das große Bild später
in das Münster gekommen und daselbst zuerst in
der Neidhartschen Kapelle, dann rechts neben dem
Eingang zur Sakristei anfgehängt gewesen, leider
aber schon im Jahre 1799 durch den Weissenhorner
Maler Leonhard Kuen und nochmals im Jahre 1817
anläßlich des Reformationsjubiläums durch Fried.
Bulliger aus Ansbach „verrestaurirt" worden
sei, so daß man jetzt nur noch die edle Anord-
nung des Ganzen als etwas Ursprüngliches zu
erkennen vermöge. Wahrscheinlich ist das Ge-
mälde mit der Zeit durch die Ausdünstung der
Altarkerzen trübe geworden und dann bei der
Restauration zu scharf mit Alkohol oder gar mit
Säuren gereinigt und dabei in vielen Stücken
zu stark angegriffen worden. Häßler tritt nun
(in einem Sendschreiben an E. Manch in den
Verhandlungen des „Vereins für Kunst und
Alterthnm in Ulm und Oberschwaben", 9. und
10. Bericht, der großen Hefte 6. Folge, S. 70,
Ulm 1855) der von Grüueisen-Mauch a. a. O.
gemachten Angabe, daß man in dem bezeichneten
Bilde einen „Schongauer" vor sich habe, ent-
gegen , scheint aber hiebei die von ihm auch gar
nicht zitirte Quelle aus Wenga etc. gleichfalls
nicht gekannt zu haben. Er meint und hofft,
sein Freund Mauch werde jetzt mit ihm darüber
ivohl einig sein, daß bei diesem Bilde an Martin
Echoen, um dessen glorreichen Namen man in
früheren Jahren alles Unbekannte in mythenhafter
Weise zu gruppiren pflegte, gewiß schlechterdings
nicht zu denken sei. Das verbieten schon die
Trachten des Pilatus, der Kriegsleute u. s. w.,
welche frühestens auf den Anfang des 15. Jahr-
hunderts (! ?) Hinweisen — eine Argumentation,
welche übrigens nicht recht stimmt, Nach derselben
müßte nämlich das Bild in Frage in der aller-
ersten Zeit des 15. Jahrhunderts wohl noch vor
Beginn der Schougauerschen Malerei entstanden
sein, wie sollte es aber dann dem M. Schaffner
angehören können, der ja erst nach Schongauer
auftauchte und erst ganz gegen das Ende des
15. Jahrhunderts und mehr in den ersten Jahr-
zehnten des 16. Jahrhunderts (1508 — 1539)
lebte und wirkte?! Es müßte nur in dem an-
gezogenen Haßlerschen Sendschreiben ein Druck-
fehler vorliegen und cs !6. Jahrhundert heißen
sollen! Dagegen lenkt Häßler hinsichtlich des frag-
lichen Bildes das Augenmerk auf den — etliche
Jahrzehnte erst nach Schongauer anftauchenden
— Hinter Maler Martin Schaffner und
findet airf einer in seinem Besitze befindlichen
„unzweifelhaft Schaffuerschen Grablegung", na-
mentlich in der Gruppe der trauernden Frauen
im Ganzen und Einzelnen eine „frappante Aehn-
lichkeit" mit der angeblichen Schougauerschen
Darstellung. Thatsächlich wurde letztere eine Zeit >
lang, auch nach einer handschriftlichen Bemerkung
des Ulmer Biographen Albr. Weyermann, wel-
cher hiezu Kunstbl. 1822, Nr. 63 von Schmid

und Fr. Brnlliot, Beil, znm Morgenbl., solvie
die Schrift über die „dritte Jubelfeier der Re-
formation in Ulm" (1817, S. 51) zitirt, dem
Schaffner halb und halb zugeschrieben. Leider
haben wir keine Antwort Mauchs ans diese Haß-
lerschen Beanstandungen; bei aller Anerkennung
der großen Verdienste Häßlers um Geschichte,
Kunst und Alterthum in Schwaben, möchten wir
aber doch in Gemäldeangelegenheiten, in welchen
man sich ja ohnedies so leicht täuschen und irren
kann, das Urtheil eines so gewiegten Kunstkenners
und Zeichners wie Mauch höher stellen. Auf
eine Vergleichung des fraglichen Oelgemäldes,
dessen dermaliger Hängeort uns nicht bekannt ist
und welches unseres Erinuerns auch nicht in der
Ulmer Gemäldeausstellung vom Jahre >877 zu
sehen war, mit andern Stücken möchten >vir, nach-
dem dasselbe nach Häßlers weiterer Mittheilung
um das Jahr 1855 noch einer dritten Restauration
unterworfen, seine Ursprünglichkeit verloren und
unter den verschiedenen Renovationen stark ge-
litten hat, nicht zu viel Bedeutung legen. Es
ist übrigens noch nicht ganz ansgemacht und über
alle Zweifel erhaben, ob das in der Wengen-
kirche zu Ulm befindlich gewesene, in Wenga be-
schriebene , von M. Schongauer gemalte Hoch-
altarbild nach der Säkularisation des Wengen-
stiftes nur in das Münster gekommen und mit
dem durch Bulliger restaurirten Werke identisch
ist, sofern die Beschreibung des Wengenbildes mit
der Haßlerschen Angabe von einer Abbildung des
Pilatus und von Kriegsleuten sich iticht deckt.
Und -— hier kommen uns noch Bedenken in Be-
zug auf die Kompositiou: was thun bei der
Darstellung der Kreuzabnahme Pilatus
und seine Kriegsknechte?! Nach der Ueberliefe-
rnng waren Nikodemus, Joseph venr Arimathäa
und die hl. Frauen zugegen; die bildliche Dar-
stellung dieser erhabenen Scene hielt sich in den
früheren Zeiten einfach und auf möglichst wenig
dabei anwohnende Personen beschränkt; erst in
den Zeiten der Renaissance wurde die Darstellung
eine reichere, aber die Person des Pilatus haben
wir bis jetzt noch ans keiner gefunden. Kurz, je
näher wir uns mit der Frage beschäftigen, desto
mehr regt sich der Verdacht, daß das ursprüngliche
Wengenbild mit der von Häßler im Auge gehabten
Darstellung nicht identisch ist. Sei dem, wie ihm
wolle, —so viel darf als feststehend angenommen-
werden daß durch den angeführten Passus aus
Wenga für Ulm, bezw. das dortige Wengen-
kloster, welches zurBlüthezeit der Ulmer Mcüer-
schule der Sitz der (auch Angehörige des Stifts
zu Mitgliedern zählenden) Künstlerkonfraternität
zum hl. Lukas sowie ziemlich reich an älteren
Kunstwerken war, und dessen Pröpste und Prä-
laten sich meist als Kunstfreunde auszeichneten,
tvenigstens ein echtes auf Leinwand gemaltes,
die Kreuzabnahme vorstellendes Gemälde') von
der Hand des M a r t i n Schongauer n a ch g e -
wiesen ist, denn die in Wenga durch einen Kloster-
augehörigen gegebene ganz bestimmte, genaue und

') Die frühere Ansicht von der Provenienz
> des in der Münstersakristei aufgestellten sogenann-
ten „Schongauer Altärchens" vom Jahre 1484
aus Schongauerschem Pinsel halten wir für ab-
gethan.
 
Annotationen