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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 10.1892

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Nr. 3
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Der Kirchenbau von Schwenningen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15909#0027

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übrig. Man entschloß sich also für den
Uebergangsstil oder den Stil der ersten
Frühgothik, mit seiner hochernsten, ein-
fachen Formensprache, mit dem stumpfen
Spitzbogen (a tiers point) in den Fenstern
und den Arkaden und dem Rundbogen zur
Scheidung der Joche des Langhauses und
zur Scheidung von Chor und Schiss, so-
wie zur Aufnahme der Empore.

Das konstruktive System ist bei
diesem Bau dasselbe wie bei den früher im
„Archiv" beschriebenen und abgebildeten
Kirchen von Bernsselden und Pfahlheim.
Ein einfacher Einschiffbau hätte für die
Bedürfnisse dieser Gemeinde nicht ausge-
reicht, schon weil auf Seitengänge nicht
bloß nicht verzichtet werden konnte, son-
dern vielmehr ein stärkerer Anspruch als
gewöhnlich gemacht werden mußte; denn
es mußte die Möglichkeit geschaffen wer-
den , alle Prozessionen intra ecclesiam
abzuhalten. Es wurden also auch hier,
um die ganze Kirchenbreite den Bänken
überlassen zu können, beiderseits Seiten-
gänge angeschiftet, die in mäßiger Höhe
mit eigenen Pultdächern abgedeckt find und
so nach innen und außen als schmale
Nebenschiffe erscheinen. Wie die Verbin-
dung zwischen den Hochschiffmanern und
den äußeren Wänden dieser Seitengänge
oder Nebenschiffe hergeftellt ist, zeigt am
deutlichsten ein Blick ans die Abbildung
der Westfront und ans den Querschnitt
durch das Langhaus. Die den Jochen
entsprechenden Strebepfeiler, die an den
beiden Seitenbauten nach außen treten,
im Innern aber zur Herstellung durch-
laufender Seitengänge durchbrochen sind,
setzen sich durch die Pultdächer hindurch
und über denselben als abgeschrägte Wider-
lager fort, welche sich gegen die Hochschiff-
wände anstemmen und den Druck der mäch-
tigen Gurtbogen des Hochschiffs anfnehmen.
Ueber den Pultdächern bleibt ein schöner
Raum für Lichtgaden übrig; je zwei ge-
kuppelte Fenster in jeder Travee sichern
sammt dem entsprechendeil unteren Fenster
im Gang, dem Innern eine reiche, voll-
genügende Beleuchtung. Zum Entwurf
des Langhauses ist noch zu bemerken, daß
das Hauptschiff eine Verlängerung über
die Seitengänge hinaus erhielt, um die
Emporentreppe außerhalb des eigentlichen
Kirchenraumes unterbringen zu können,

ferner um den Emporenraum zit vergrößern;
rechts von der Stiege bildet sich für den
Taufstein ein Kapellenraum. Die Gliede-
rung der Westfa<;ade ist ebenso einfach als
wirkungsvoll, die Arkatur über dem Portal
und die zwei Fensterblenden bloß mittelst
Vor- und Zurücktretens der Formsteine
und der kleinen aus demselben Material
gewölbten Bogen hergestellt. Bei den bei-
den großen Fenstern und der Rosette sind
wie bei allen übrigen Fenstern des Baues
die Laibungen alle aus Backstein, auf halbe
Steinstärke rechtwinklig abgetreppt, wodurch
die thenren Maßwerke erspart wurden.
Auch das Portal hat eine einfache drei-
malige Eintreppung. Die zwei letzten
Joche der Seitengänge dem Chor zu sind
als Kapellen behandelt und nach außen
erweitert; sie dienen zur Unterbringung
der Beichtstühle, während die Nebenaltäre
noch in den Hanptschifsranm zu beiden
Seiten des Chorbogens zu stehen kommen
und so der ganzen Gemeinde sichtbar sind.

Die T e r r a i n v e rh ä l t n i s s e sind in-
sofern günstig, als die Kirche inmitten des
Ortes eine passende Lage erhält, insofern
ungünstig, als sie der Fundamentirnng
große Schwierigkeiten bereiteten. Das Ter-
rain fällt nämlich von einem Straßen-
kreuzungspnnkt ans nach zwei Richtungen
ab, mit einem Gefäll bis zu 6°/o. Die
Folgen lassen sich ans den beiden äußern
Längenansichten sowie aus dein Längen-
schnitr der Beilage entnehmen. Man konnte
schon ans Ersparnißgründeu nicht daran
denken, den Sockel des ganzen Baues in
gleicher Höhe zu führen; derselbe wäre
sonst gegen das westliche Ende des Baues
hin mehrere Meter hoch geworden. Da-
her ist derselbe in Absätzen geführt, der
Straßensteigung entsprechend. Der Boden
des Schiffes liegt an der Giebelseite ca.
1 m über dem Terrain, im Ganzen auf
der mittleren Höhe des Gefälls; der Chor-
boden ist absichtlich höher gelegt, aber
trotzdem noch etwas unter der obersten
Terrainhöhe.

Besondere Beachtung verdient noch die
innere Eindeckung des Langhauses,
welche der hier folgende Qnerdurchfchnitt
und der Längendnrchschnitt auf der Bei-
lage vor Augen führen. Der Manerban
ist wieder aus Sparsamkeitsrücksichten nicht
höher geführt, als absolut nothwendig;
 
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