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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 10.1892

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Nr. 4
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Donauwörther Heiligebildchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15909#0042

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35

Geschmack der ersten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts, dessen großartigste Ansschwei-
snngen in die Zeit Heinrichs IV. fallen.
Ihr Haar sormirt sich nämlich rechts und
links zn zwei Hörnern, und diese tragen
wesentlich dazu bei, sie zur Großmutter
eines bekannten andern Hörnerträgers zn
stempeln, lieber ihren Anblick sind zwei
Vorübergehende so bestürzt, daß der eine,
als wäre ein Gorgonenhaupt in Sicht, sich
so schnell als möglich mit dem Schilde
deckt, während der zweite, welcher etwas
Anderes zn befürchten scheint, sein Schwert
zur Abwehr vorhält. Die Frisur dieses
Schauerweibs ist bis in ihre Einzelheiten
für die Kostümkunde wichtig.

Ein Menschenalter später war an die
Stelle der „Hörnerfrisur" die Unsitte ge-
treten, das Haar kegelförmig ansznthürmen.
Da geschah es, daß ans eine geharnischte
Predigt eines französischen Mönchs viele
Zuhörerinnen ihre „Kirchthürme" abuah-
men, um sie itcid) dem Verlassen der Kirche
den Flammen 31t übergeben. Auf die Seite
des Predigers trat auch die Menge und
verfolgte jede Frau, die sich wieder in
dieser Tracht zeigte, mit Steinwürfen. So
erlosch die Unsitte — vorläufig! Kaum
war der Mönch abgezogen, so erwachte sie
von neuem. „Die Frauen, welche gleich
eingeschüchterten Schnecken ihre Hörner
eingezogen, ließen sie wieder herausschanen,
sobald die Gefahr verschwunden war", sagt
der alte Chronist wörtlich. Natürlich nah-
men die Karikatnrzeichner die unsinnige
Tracht anss Korn. In einer Illustration
in Froissarts Chronik mußte sie sich ge-
fallen lassen, von einer ans Stelzen ein-
hergehenden Sau getragen 'und von ihr
ans der Harfe begleitet 31t werden. Allein
dieses modische Schwein wird an vernich-
tendem Spott von einem andern „Mode-
bild" weit übertrosfen. In der ersten Hälfte
des 12. Jahrhunderts trat in England
ncidj und nach an die Stelle der früheren
fallenreichen Frauenkleider eine lächerlich
enge Gewandung, die das, was sie durch
übertriebene Einschnürung der Leibesgestalt
entzog, durch um so größere Verschwendung
in Schleppe und Aermeln zu ersetzen be-
müht war. Letztere bis zum Ellbogen, ja
bis zum Handgelenk wie angegossen, wei-
teten sich unvermittelt ins Maßlose aus,
so daß man sie unten in einen Knoten

verschlingen mußte, wollte man sie nicht
ans der Straße nachschleppen. Da nun
in Predigten und Satyren (unter beiten
damals die Fegseuer- und Höllengespräche
hervorragten) von dieser Tracht nicht anders
die Rede war als von einer Hülle, in
welcher der Geist der Hoffart selbst in
die Erscheinung trete, so kann sich der
Leser leicht denken, wen unser Satyriker
damit bekleidet haben wird. Unmöglich
aber ist es, die Vogelscheuche zu schildern,
die der Böse in dieser Vermummung dar-
stellt. Die betreffende Karikatur findet
sich in einer Handschrift im Britischen
Museum (bei Wright S. 97) und ist
auch insofern für das 12. Jahrhundert be-
zeichnend, als eben um jene Zeit die Thier-
bilder, welche bisher ausschließlich zur Per-
sonifikation von Lastern gedient, auch durch
Tenselöfratzen ersetzt zn werden ansingen.

Auch gewisse Erscheinungen der Män-
nerkleidnng lieferten Stofs zu höhnischen
Darstellungen insbesondere für die Mi-
niaturmaler: so die ausschweifenden For-
men der Kopf- und Fußbekleidung. Nur
muß mau sich hüten, alles, was uns in
dieser Beziehung die Randzeichnnngen bie-
ten, für bare Münze anzusehen. Die
Kostüme sahen in Wirklichkeit nicht so
ans, wie sie sich hier darstellen, oder:
es waren nur einzelne Abweichungen von
dem Gewöhnlichen, welche so anssahen.
Die mittelalterlichen Zeichner erreichten
in der Linienführung durchaus nicht die
Stufe der Vollendung wie die mittelalter-
lichen Bildhauer in der Ausprägung von
körperlichen Gestalten. So fielen auch
ernstgemeinte Kostümbilder ans früher schon
besprochenen Gründen gar gerne ins Neber-
triebene und Lächerliche. Dagegen liegt
absichtliche, und zwar geistvolle Kari-
katur in einer Figur ans „Luttrells Psal-
ter", bei Wright S. 95 H abgebildet. Es
ist eine echte und rechte Schustersphysiog-
nomie, in der kein Zug und keine Linie
den Verdacht blauen Bluts aufkommen
läßt; aber herausfordernd genug blickt sie
unter dem seltsamen Helm hinaus in die
Welt. Der Spießbürger hat als Kopf-
bedeckung einen — Blasebalg auf, dessen

9 Wir bemerken, das; im ganzen Aufsatz
das Werk von Wright immer nach der fran-
zösischen Ausgabe von Sachot, Paris 1867,
citirt ist.
 
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