Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 10.1892

DOI Heft:
Nr. 5
DOI Artikel:
Keppler, Eugen: Der neue Hochalter der Stadtpfarrkirche von Freudenstadt und die Restauration dieser Kirche, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15909#0049

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
hervorbrachte», so wenig werde» wir doch,
ohne gai^z zwingende» Grund, selbst in
diesen Stilen Neues schaffen, vielmehr ans
deren reiner fließende Urquelle zurückgehen,
ans jenen Stil zurückgreifen, von welchem
die späteren nur mehr oder weniger ver-
schlechterte Auflagen find.

Um nun ein tüchtiges Altarwerk im
reinen Renaissancestil entwerfen zu können,
war natürlich die Berathnng klassischer
Werke, besonders Altarwerte dieses Stiles
geboten. Hierbei stellte sich die Haupt-
frage, ob und inwieweit man sich an die
von diesem Stil aufgebrachte und durch
einige Jahrhunderte fast ganz stereotyp ge-
bliebene Anlage des Altaranfbanes halten
dürfe und könne. Diese Anlage sieht es
vor allem ans einen mächtig emporstreben-
den, mit Säulen besetzten und von Säulen
getragenen Hochbau ab. Ein solcher taugt
nicht für jede Kirche und jeden Chor. Für
die Kirche in Frendenstadt erschien aber
ein Hochbau von starker Gliederung und
bedeutender Höhe geradezu geboten, weil
dem rechtwinkeligen Chor eine mächtige,
völlig kahle, nur hoch oben mit kleinem
Rnndfenster versehene, zuoberst im Rund-
bogen endigende Wand abschließt, die nicht
weniger als 8,5 m hoch, 5,5 m breit ist.
Somit war ein Abgehen vom Typus der
Renaissancealtäre in diesem Punkt umso-
weniger geboten, als die Höhe der dispo-
niblen Summe nicht erlaubte, etwa an
kostbare Wandgemälde zu denken. Da-
gegen mußte in einem anderen Punkt das
Paradigma unbedingt verlassen werden.
Die kranke Stelle fast aller Hochaltäre
des Renaissance- bis zum Zopfstil bildet
der Tabernakel. Der ganze Hochbau stellt
sich so sehr rein als Umrahmung eines
großen gemalten oder sknlpturellen Bild-
werkes dar, daß für den Tabernakel kaum
mehr ein Platz, geschweige eine seiner
Würde und Bedeutung entsprechende Stel-
lung übrig bleibt. Er ist fast nie orga-
nisch in den Ausbau einbezogen, sondern
lediglich nebensächlich, sozusagen nachträg-
lich behandelt. In diesem Punkte mußte
selbstverständlich mit der alten Form ge-
brochen werden, und dadurch war auch eine
Aenderung im ganzen Organismus des
Aufbaues bedingt.

Die den ganzen Altarban beherrschende
Idee ist folgende: Der Tabernakel soll!

unbedingt als wesentlichster, vornehmster,
eigentlich zentraler Theil erscheinen, dessen-
wegen alles klebrige da ist. Wohl erhält
er einen Ueberban, aber dieser ist nur
äußerlich ihm übergeordnet; in Wahrheit
hat er keine andere Funktion als die, den
Tabernakel schützend in die Mitte zu neh-
men, ihm zum Gehäuse und zum schirmen-
den Baldachin zu dienen. Der bei den
gewöhnlichen Renaissancealtären übliche
flache Bildrahmen des Hochbaues ist hier
architektonisch allsgebildet und zu einer den
Tabernakel völlig überwölbenden Nische
eiilgetieft. Diese Gestaltung des Hochbaues
ist originell, kann sich aber auf Renais-
sancealtäre berufen, bei welchen der Auf-
satz ebenfalls zu Nische unb Baldachin
ansgestaltet ist, nur nicht zu Gunsten des
Tabernakels, sondern zur Aufnahme voll
Skulpturen; es kann hier verwiesen wer-
den ans einen Altar von Sansovino in
S. Salvatore in Venedig. Ans jede direkte
orgailische Verbindung zwischen Tabernakel
lind Ueberbau ist absichtlich verzichtet, zu
noch stärkerer Betonung des Tabernakels
als des Prinzipalen, des Ueberbanes als
des dienenden Elements.

Die nach dieser Idee entworfene Altar-
skizze wurde der Prüfung des Ausschusses
vonl Knnstverein unterbreitet. Sie fand
einstimmige Annahme und lebhafte Aner-
kennung. Einige Aendernngsvorschläge be-
rührteil die Konstruktion selbst nicht, bis
aus Einen, der aber leider nicht berück-
sichtigt werden konnte. Es wurde näm-
lich der Antrag gestellt, daß der ganze
Nischenbau und -Ueberbau auch ans die
beiden Flanken in der gleichen Tiefe zur
Ausführung koinmen solle wie in der Mitte;
der Altar hätte dann eine gerade Rückwand
in der ganzen Breite des Aufbaues er-
halten, llild es wäre von den beiden Vor-
dersäulen im rechten Winkel ein Gebälk
gegen diese Rückwand hin zu richten gc-
weseil, welches etwa auf zwei weitere vor-
der Rückwand aussteigende Säulen zu ruhen
gekommen wäre. Es ist richtig, daß die
strengste architektonische Konsequenz das
verlangen würde, und daß ganz von der
Seite gesehen der Altarball, wie er pro-
jektirt unb ausgeführt wurde, nicht völlig
befriedigen könnte. Allein die Durchfüh-
rung jener Aenderung hätte nun doch,
ohne die Vorderansicht wesentlich zu be-
 
Annotationen