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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 10.1892

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Nr. 6
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Keppler, Eugen: Der neue Hochalter der Stadtpfarrkirche von Freudenstadt und die Restauration dieser Kirche, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15909#0061

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53

Stil — wenn man nur mehr sähe! Seit
er steht, fühlt man erst recht den Mangel
eines Fensters, das man an der Südwand
wohl durchbrechen könnte, sicher anch
durchgebrochen hätte, wenn es nur nicht
an Geld fehlte! Man stellt doch das
Licht nicht unter den Scheffel! Sollte
sich niemand finden, der einer armen Ge-
meinde behilflich wäre, es ans den Leuchter
zu stellen? Die Wirkung für das ganze
Kirchen-Jnnere müßte bedeutend sein.

Dieses selber ist in seinem jetzigen
Stand des schönen Altars nicht unwerth.
Dank einer ebenso einfachen als originellen
und entsprechenden Malerei *) prangt es
im Feierkleid, das warm anmuthet und die
Seele wie mit freudigem Schimmer ver-
klärt. Die Farbe hat eben wie der Ton
ein wirkliches Verdienst, eine eigene Schön-
heit: beide wirken ans uns mit Zauber-
macht, ohne daß sie etwas Bestimmtes aus-
sprechen und ohne daß wir über die Art
ihrer Wirksamkeit klar würden. Wie viele
Fehler der Zeichnung deckt die Farbe nicht
zu bei jenen Malern, deren Stärke das
Kolorit ist! Welchen Werth verleiht sie
nicht den unnachahmlichen Stoffen, die uns
der Orient schenkt! Sie allein mag auch
bewirken, daß wir die Stillosigkeit eines
Gebäudes nicht mehr empfinden. Unter
dem Eindruck einer harmonischen Farben-
stimmung fällt es uns schwer, irgend etwas
zu vermissen oder noch etwas mehr zu
verlangen. Aber eine solche Farbenstim-
mnng ist nichts weniger als ein Werk des
Zufalls. Die Farbenakkorde beruhen so
gut ans festen Gesetzen als die Akkorde
der Töne. Diese Gesetze — den Meistern
des Mittelalters waren sie ganz geläufig.
Sie fühlten dieselben, lebten darin, hatten
sie in langer Schule erprobt. Uns, denen
ihre Erfahrungen und Beobachtungen nicht
zur Seite stehen, bleibt nichts anderes
übrig, als selbst zu beobachten und zu
Prokuren, quick (im ästhetischen Sinn)
ckecent, quickve ckeckecent. Es handelt
sich nämlich nicht bloß um der Farben
Hassen, sondern mehr noch um der Farben
Lieben: darum, wie sie durch ihr Neben-
einander sich gegenseitig unterstützen, sich

Sie macht dem strebsamen Meister Jos.
Hitdeubrand von Rottenburg sowohl was dessen
Leistungsfähigkeit als auch treues Eingehen auf die
Winke des Vereinsvorstaudes betrifft, alle Ehre.

am besten ins Licht setzen; und es handelt
sich, namentlich bei Wanddekoration, nicht
allein um ganze, sondern um ge-
brochene Farben, um glückliche Farben-
mischungen. Gewisse Farben erscheinen
kraftvoll, andere dagegen machen ans uns
den Eindruck der Schwäche. Erstere sind
vorzugsweise bei den tragenden Theilen,
bei den:, was das Gerippe des Baues ans-
macht, in Anwendung zu bringen; es sind
dies namentlich die vollen Farben: roth,
gelb, grün, blau, unter Umständen auch
weiß. Die zweite Art, die unbestimmten
Farben, oder neutralen Töne eignen sich
für die Zwischenräume, für die Aus-
füllungen.

Ist nun in unserem Fall nach diesem
Grundsatz gehandelt worden? Ans den
ersten Blick scheint es: nein. Gerade die
kräftigste Farbe, das pompejanische Roth
ist in den Zwischenräumen zwischen
den Streben von unten auf in Anwen-
dung gebracht. Allein das ist hier keine
Ausnahme, vielmehr eine Befolgung un-
serer Regel: diese Wandslächen sollten eben
als der tragende Sockel des Ganzen
herausgestrichen werden. Es gibt keine
einfachere, billigere und zugleich zweck-
entsprechendere Gliederung kahler Mauern
als die Sockelbemalnng. Daß sich aber
dazu pompejanisch Roth vorzüglich eignet,
lehren uns schon die alten Römer. Es
ist erstaunlich, wie diese Farbe drapiert.
Immer ist Sonntag; wie mit rothem Plüsch
behängt sehen die Wände aus: und das ist
erreicht ohne Teppichmnster, ohne ange-
malte Falten, durch einfachen Oelfarb-
anstrich. — Es ist hier 31t bemerken, daß
außer dem Sockel Oelfarbe nur noch an
der Holzdecke angewandt ist; an den übrigen
Theilen ist Kalktünche die Trägerin der
Farben.

Von diesem sattrothen Untersatz heben
die nun folgenden Felder sich leicht und
anmuthig ab: zuerst eines im sanftesten
Rosa, dann eines — das oberste — in
leichtem sog. Kaisergrün: beide so gegen
einander abgewogen, daß sie sich wirksam
unterstützen. Sehen wir, wie sie von ein-
ander abgegrenzt sind. Zwischen dem
pompejanischen Roth und dem Rosa des
folgenden Feldes läuft (die Höhe ist durch
die Fensteröffnung gegeben) ein monumen-
taler Rantenfries: monumental in der
 
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