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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 10.1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.15909#0064

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56

angulationspunkte, von welchen ans er das Ge-
biet der bildenden Künste vermessen will": Ge-
schichte, Aesthetik, Technik.

Liest man dieses Programm, so wird einem
fast etwas bang um den Verfasser und man
wird ängstlich, ob und wie er einer so weit ge-
steckten Aufgabe werde genügen können. Hier
galt es ja in der That, neue Wege zu gehen
und neu zu schaffen, nicht bloß zu reproduziren.
Aber das Gefühl der Aengstlichkeit schwindet
mit dem Weiterlesen mehr und mehr und macht
der Ueberzeugnng Platz: der Mann kann, was
er will; er ist im Stande, seinen sehr klug er-
dachten Plan auch zu Ende zu führen. Freilich
kann noch kein abschließendes Urtheil gegeben
werden; aber die erste Lieferung berechtigt zu
den besten Hoffnungen. Sie bringt zunächst die
ästhetische Einleitung zur Baukunst, die nur deß-
wegeu uicht ganz befriedigt, weil sich in ihr viele
Verweisungen auf eine ästhetische Vorschule finden,
die dieser Lieferung noch nicht einverleibt ist.
Dann folgt der Anfang der Darstellung der
ägyptischen Architektur; hierauf die ästhetische
Einleitung zur Plastik mit dem Anfang der
ägyptischen Plastik. Ueberall geben sich eingehende
Studien des Verfassers kund. Seine Darstellung
ist gediegen und der Zweckbestimmung des Buches
„für Gebildete in des Wortes weitester Bedeu-
tung" entsprechend; die Sprache schön, auch bei
mehr philosophischen Erörterungen klar, schmuck-
voll, ohne affeklirte Ziererei. Durchweg begleiten
den Text Illustrationen, Risse, Tafeln, welche
auf der Höhe heutiger Leistungen stehen, wie
denn überhaupt die ganze Ausstattung auch nach
Druck und Papier vorzüglich ist und kein ängst-
liches Sparen verräth.

Es mögen noch einige Einzelbemerkuugen
über die erste Lieferung folgen. Die Frage der
„kirchlichen Baustile", welche neuerdings wieder
in ein Stadium reger, zum Theil erregter
Diskussion getreten ist, luirb Seite 14 ge-
streift ; das Urtheil des Verfassers ist maßvoll
und weitherzig: die Frage wird wohl später noch
zu gründlicherer Erörterung kommen. Wenn er
hier den altchristlichen Basilika- und den gothi-
schen Stil als solche nennt, die jetzt sich für
kirchliche Bauten empfehlen, so wird doch wohl
mit ersterem auch der romanische Stil mitgedacht
sein. Seite 26 ist von der ägyptischen Baukunst
gesagt, man werde ihr wohl nicht Unrecht thun,
wenn man von ihr sage, daß sie zuerst und zu-
nächst nicht das Schöne habe darstelleu wollen,
sondern vielmehr das Kolossale. Das enthält in-
sofern einen gewissen Tadel, als nach der These
des Verfassers auch in der Baukunst alles im
Dienste des Schönen stehen muß. Vielleicht be-
darf aber ebeu der letztere Satz einer gewissen
Modifizirung und verdient die ägyptische Archi-
tektur nicht Tadel, sondern Lob, weil sie in erster
Linie monumentale Größe anstrebt, besonders
bei den Tempelbauten, und mit diesem Streben
aber zugleich das nach Schönheit verbindet, nach
der höchsten architektonischen Schönheit, die nicht
ini Ornament, sondern im Ebenmaß, in der
Reinheit und dem Zusammenklang der Verhält-
nisse liegt: in der richtigen Stimmung der

letzteren ist die ägyptische Kunst keiner anderen
nach, vielleicht allen voran. Als Grundidee des
Tempelbaues bei den Aegyptern wird Seite 87
angesetzt, daß er ein Denkmal der Frömmigkeit
des Königs, königliches Gebetshaus sei und nichts
weiter; aber damit wird wohl, um Anlage und
Dimensionen zu verstehen, die Idee einer Woh-
nung der Gottheit oder der Gottheiten zu ver-
binden sein. Vielleicht wird ein nochmaliges
liebevolles und vergleichendes Sichversenken in
den Geist der ägyptischen Kunst den Verfasser
veranlassen, in einer zweiten Auflage das Urtheil
über sie zu bereit entschiedenen Gunsten zu mo-
difiziren. In den ersten Erzeugnissen dieser
Kunst liegt noch etwas Urgewaltiges und zu-
gleich Jungfräuliches, etwas, lvas an den Ur-
zustand erinnert und nach der Uroffenbarung
und dem Paradiese duftet. Die strenge Regel,
das heilige Gesetz, das diese Kunst durchwaltet,
ist kein Feind der Schönheit, sondern deren
Schirm und Hort. — In der Vorrede und auf
Seite 61 der Plastik lvird die Frage des Nackten
sehr verständig besprochen, ebenso die besonders
durch Lessing angeregte Frage der Grenzen pla-
stischer Kunst und die Frage der Polychromirung
antiker Statuen, letztere unter Beiziehung der
allerneuesten Forschungen. In der Lehre von
den Proportionen des menschlichen Körpers hätten
wir eine Berücksichtigung des selbstkonstruirten
Canons der Beuroner Schule gewünscht; vielleicht
folgt das aber iu der nächsten Lieferung.

Soweit dieser Anfang ein Urtheil erlaubt,
erhalten wir hier ein Werk, mit dem wir nicht
nur zufrieden, auf das wir stolz sein können.
Der Verfasser hat dasselbe laut Prospekt beinahe
abgeschlossen. Es ist berechnet auf ca. 25 Liefe-
rungen , auf 3 Bände mit 1800—2000 Seiten
Text; der Gesammtpreis wird also ca. 50 Mark
betragen. Möge die Höhe des Preises der Ver-
breitung nicht Eintrag thun, denn er ist ange-
sichts dessen, was geboten wird, nicht hoch, son-
dern niedrig zu nennen.

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