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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 12
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Raible, Felix: Die Kirchenrestaurirung in Glatt (Hohenzollern), [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0121

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geziert, in etwas lebhaften rothbrannen,
grünen, blauen und gelben Farben, gla-
siert, oben die Bordüre Nr. 213 a, das
St. Benediktskrenz enthaltend, unten ein
brauner Sockel. Gerne ging die Fabrik
auf unseren Wunsch ein, einige zu dunkle
Farben des Musters durch hellere zu er-
setzen. Ankanfskosten per Quadratmeter
loco Stuttgart 23 Mark, bei der Bor-
düre 24 Mark, versetzt ca. 5 Mark mehr,
ausgeführt durch die Mettlacher Agentur-
Felix Müller, Stuttgart, Urbansstr. 29.
Der Platz für die Chorstühle wurde nur
mit rothen Sandsteinplatten bekleidet. Ge-
sammtkosten der Chor - Wandbekleidung
1100 Mark. — Für die Bekleidung der
Schisfwände war an Mettlacher Fabrikate
nicht zu denken, weil dies bei der großen
Fläche zu theuer gekommen wäre. Auch
läßt sich nicht leugnen, daß diese Plätt-
chen kalt geben. — Was sollte also an
die feuchten Wände des Langhauses kom-
men? Vielleicht rothe Sandsteinplatten,
etwa Loßburger? — Dies wurde von der
Gemeindevertretung als zu ordinär und
kältend verworfen. Oder eine Holzbe-
kleidnng? — Diese wäre nicht kalt ge-
wesen, aber, wenn gut ausgeführt, auch
theuer und dem Schwamm ausgesetzt. In
dieser Verlegenheit machte uns Herr Bau-
meister Theilecker in Horb auf das neue
Baumaterial Xylolith oder Steinholz
aufmerksam. Wir waren zuerst miß-
trauisch gegen dasselbe, entschlossen uns
aber dann doch dafür, und wir bereuen es
nicht. Dieses sehr schätzbare Baumaterial,
damals von der Firma Cohnfeld in Dres-
den, setzt Otto Sening & Co. in Pot-
schappel bei Dresden, aus Sägmehl und
verschiedenen Chemikalien - fabrizirt, ist
weiter- und feuerfest, sehr hart, fühlt sich
an und verarbeitet sich wie Holz, wird
in gelblicher Natur- oder in Granit- oder
rother Marmorfarbe hergestellt. Wir wähl-
ten letztere; die Platten, 1 m hoch
und breit, 11 mm stark, per Quadrat-
meter loco Dresden zu 5,50 Mark. Wir
brauchten ca. 31 qm, kosteten 170 Mark;
dazu 50 Mark Fracht. Unten vom Boden
auf wurde zuerst ein 60 cm hoher rother
Sandstein-Sockel angebracht rings herum
im Schiff; über diesen kamen die Xylolith-
Platten, auf ein an der Wand befestigtes
Latten-Netz aufgeschranbt. Um alle Ein-

tönigkeit zu vermeiden, wurden die Platten
in Felder eingetheilt, unter den Fenstern
in kleinere, dazwischen in größere. Diese
Abwechslung wurde bewirkt durch dazwi-
schen gelegte, senkrecht von oben nach
unten lausende Bänder ans dem gothisch
stylisierten Mettlacher Fries Nr. 87, un-
glasiert, per Quadratmeter 16 Mark,
lieber diese Wandbekleidnng wurde in
recht geschmackvoller Weise ein ans dem
Mettlacher Fries Nr. 87 und dem Halb-
fries Nr. 309 b zusammengesetzter leb-
hafter Pslanzen-Fries gelegt, der sich rings
durch das ganze Schiss hinzieht und die
Wände belebt. — Die Glatter Kirche als
Begräbnißstätte der Edlen von Neuneck
und Herren zu Glatt ist noch heute ge-
ziert mit sieben gut erhaltenen, altehr-
würdigen Grabdenkmälern, von denen ei-
nige Knnstwerth haben, alle aber Zeugen
sind von der Glaubensstärke und Fröm-
migkeit dieses angesehenen, im 17. Jahr-
hundert erloschenen Adelsgeschlechtes, dem
Glatt die Erhaltung des katholischen Glau-
bens verdankt. Von diesen Epitaphien
nun wurden einige besser plazirt; so kam
bessere Symmetrie in die Kirche. Der
schönste Grabstein, der Reinhards von
Neuneck (ch 1551), des Stifters des
Sakramentshäuschens, ein mächtiger Koloß,
den Ritter in voller Rüstung in Lebens-
größe zeigend, kam neben den Mntter-
gottesaltar, wo der Ritter am Aufgang
zur Kanzel als Wächter der Orthodoxie
treulich Wache hält. Lebt doch in Glatt
unter dem Volke die Sage fort, Reinhard
habe zur Zeit der Glaubensspaltnng einen
lutherischen Prädikanten von der Kanzel
vertrieben. Ihm gegenüber, neben dein
St. Gallusaltar, steht das Denkmal
Alexanders vonNenneck, KnrfürstlichBayeri-
schen Obristen zu Roß, gleichsfalls in
Lebensgröße, in Tilly-Kostüm (ch 1645).
Im Chore fällt besonders auf das Denk-
mal Hans Heinrichs von Nenneck (ch 1578)
und seiner edlen Gemahlin Magdalena
von Hohenrechberg (ch 1614), die als
Wohlthäterin der Armen durch eine Stif-
tung hier fortlebt. Beide knieen in ganzer
Fignr und halber Lebensgröße vor dem
Kruzifix, Magdalena im Witwenschleier,
rechts und links die Ahnenprobe.

Im Jahre 1891 wurde die innere und
äußere Trockenlegung vollendet. Zuerst
 
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