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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 13.1895

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Nr. 2
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Probst, Josef: Ueber Skulpturen in der Sammlung des Kirchenraths Dursch, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15912#0015

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10

in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Die fast reifförmige Anordnung und Aus-
sührung der Falten ist anch hier vorhan-
den, sowohl an beit Aermelu, als au an-
dern Theilen der Gewänder. Der Fundort
dieser zwei Relieftafeln ist von Dnrsch
nicht angegeben.

Ferner sieben ganz nahe die Nummern
131, 132; 149 und 150 in der gleichen
Sammlung. Es sind vier Einzelfignren
von ungefähr gleicher Größe aus Raudeck
bei Nadolfszell. Der Faltenwurf zeigt die
gleiche Manier wie bei den vorigen; ebenso
ist die Mitra des hl. Wolfgang (Nr. 149)
ganz gleich geformt (oben stumpfruudlich)
wie bei Nr. 53 und 74.

Ferner ist noch zu beachten Nr. 19 da-
selbst aus Wau gen am Untersee, eine
Krenzerprobnng darstellend, wobei die Fi-
guren rund herausgearbeitet sind. Das
Kostüm spricht anch hier für den Anfang
des 16. Jahrhunderts, wie die Barette
aller drei männlichen Figuren zeigen. Die
Kaiserin Helena trägt ein Diadem ganz
ähnlich tvie die hl. Barbara in dem Ger-
manischen Museum; auch die geringelten
Fallen an den Aermeln fehlen nicht. Da
hier die untern Theile der stehenden Fi-
gnren durch den Schrägen und durch die
Gestalt der liegenden toten Frau verdeckt
sind, so ist dieses Bildwerk für Ausbildung
des Faltenwurfs weniger günstig; aber in
dem erwähnten Umstand liegt wohl der
Grund zu der Bemerkung im Katalog, als i
ob die Figuren zu kurz ausgefallen wären.

Außerhalb der Sammlung Dnrsch sind
uns noch einige Figuren mit übereinstim-
mender Behandlung des Faltenwurfs auf-
gestoßen inZnßdors, OA. Ravensburg
(Friedhofkapelle). Es find drei Statnen:
Madonna, Katharina und Barbara; der
alte Bilderkasten, in dem sie zuvor ihren
Platz hatten, trng das Datum 1533. So-
dann ein hochgearbeitetes Relief, die hl.
Sippschaft darstellend, in der Pfarrkirche
von W i n t er st e t t e n d o r f, OA. Wald-
see. Die Mäntel der sitzenden Frauen
weisen zahlreiche langgezogene Falten auf
und an der Bank, ans der sie sitze», be-
findet sich schon ein Nenaissanceoruameut.
Joachim trägt eine Pelzschaube; die Ma-
donna ein Diadem, ähnlich wie die hl.
Barbara und Margaretha in den Bildern
des Germanischen Museums. Durch die

angebrachten Wappen ist bei diesen Relief-
signren die Möglichkeit einer näheren Be-
stimmung von Zeit und Ort gegeben.
Außer dem Wappeu des Klosters Schus-
seuried ist nämlich noch jenes des Abtes
Johannes Wiedmaier (Dreiberg mit Krenz
und zwei gekreuzten Stäben) angebracht,
der von 1504—1544 regierte und 1546
starb.

Die Epistenz dieser Skulpturen in Ober-
schwaben dürfte zu dem berechtigten Schluffe
führen, daß im Anfang des 16. Jahrhun-
derts irgendwo in dieser Provinz oder in
der Bodenseegegend Werkstätten bestanden
haben, deren jetzt sehr weit zerstreute Ar-
beiten so deutliche Eigenthümlichkeiten, be-
sonders auch in der Behandlung des Fal-
tenwurfs anfweisen, daß denselben ein
gemeinsamer Mittelpunkt zuzuschreibeu sein
dürfte.

Um dieses Ergebnis auf eineu wüuschens-
wertheu kurzen Ausdruck zurückzuführeu,
schlagen wir die provisorische Benennung:
„Meister der Sammlung Dnrsch"
für den noch unbekannten Meister vor.

Als Anhaltspunkt für das historische
Verstäuduiß der Eigenthümlichkeit dieser
Werkstätte, besonders in Behandlung des
Gefältö, berufen wir uns noch ans eine
Angabe in der Kostümkunde von Weiß.
Hier ist gesagt (1. c. III S. 621), daß
der Kampf des neuen Kostüms mit dem
älteren sich bis in die zwanziger Jahre des
! l 6. Jahrhunderts fortsetzte und sich bei
der weiblichen Bekleidung, neben anderem,
anch in der Neuaufnahme von (künstlichen)
L a n g s a l t e n bethätigte; so namentlich in
! der Schweiz, wo man das weibliche Ober-
gewand zu einander gleichen, schmalen Lang-
falten ordnete. In der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts setzte sich dann die zu-
nehmende Versteifung desselben durch Lang-
falten (I. c. III., S. 648) noch weiter fort.

An diese Mode scheint sich nun der ge-
suchte Bildschnitzer angelehnt, seine Motive
von hier entlehnt und auf seine Falten-
bildung im Allgemeinen übertragen zu haben.
Wenn Weiß die Schweiz besonders nam-
haft macht, so ist damit die benachbarte
Bodenseegegend offenbar mit eingeschlossen,
jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Auf Grund dieser Angaben mag auch
der Versuch sich rechtfertigen lassen, den
Zeitpunkt und das Gebiet noch einigermaßen
 
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