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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 13.1895

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Nr. 5
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Weber, Heinrich: Der Doppelchor am Bamberger Dom
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https://doi.org/10.11588/diglit.15912#0051

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o\ibt (Weber, M. Georgenbrüder a. a. O.
24 Note 2). Als Beweis meiner Thesis
dienen folgende Stellen.

Dum Dominus Episcopns intrat vel
exit Chorum, vel cum transit ad legen-
dani lectionem, in accessu et recessu ip-
sius uterque Chorus surgat, sibi ob
honorem.

Item, quando dominus Prepositus
pertransit chorum suus chorus sibi
assurgere debet.

Item quando dominus Decanus per-
transit chorum ad legend am lectio-
nem, eo accedente et recedente si-
mili modo chorus suus assurgat,
vel quando intrat vel exit chorum.

Nach der allgemein gebräuchlichen Ord-
nung hat, wenn das ganze Kapitel in
einem Chor versammelt ist, der Propst als
erster Vorstand des Kapitels sein Stallum
ans der Evangelien-, der Dekan auf der
Epistelseite?) Die angeführten Stellen
können nun unmöglich den Sinn haben,
daß nur die eine Chorseite dem ihr präsi-
direnden Dignitär beim Ab- und Zugehen
ihre Ehrfurcht erweist, während die andere
sich nicht um denselben kümmert. Es
muß vielmehr daraus geschlossen werden,
daß die eine Hälfte des Ehorpersonalö, mit
dem Probst au der Spitze, ihren Platz
hatte im Peterschor, die andere mit dem
Dekan im Georgeuchor. Bei dieser An-
nahme ergibt sich von selbst, daß jede
Chorhälfte nur ihrem Präsidenten, beut
Bischof dagegen beide durch Anfstehen ihre
Ehrfurcht zu erweisen haben.

Diese Annahme wird über jeden Zwei-
fel erhoben durch folgende weitere Be-
stimmungen :

Regentes in choro (eie Snccentore»)
antequam incipiunt Jnvitatorium ambo
se inclinent reverenter primo versus
Altäre et postea retro versus alium
chorum.

Item volens legere lectionem vel
Summissarius volens dicere collectam,
statim dum venit ad pulpitum, decenter

') In Bamberg ist merkwürdiger Weise die
Ordnung umgekehrt. Warum, ist nicht klar; es
mutzte denn sein, das; denr Dekan, weil ihm
tirchenrechtlich die Aufsicht über den Sliftsgvttes-
dienst znsteht, bei demselben anch die pars pri-
maria eingeräumt wurde.

inclinet (se) altari et deinde retro
versus alium chorum.

Diese Begrüßung gilt also nicht dem
Chor, welchem er selbst augehört und
dessen Angehörige rechts und links von
ihm Stellung haben, sondern dem Chor,
welcher h i u t e r s e i n e m N ü ck e n, in dem
andern Kirchenchor sich befindet. Das Chor-
gebet wechselte also llicht, wie jetzt allgemein
gebräuchlich, von der Evangelien- znrEpistel-
seite, sondern vom Westchor zum Ostchor.

Die letzten Stalla der beideit Chöre
sind 122^ bayerische Fttß oder 35 ?2
Meter von einander entfernt, ein für
kräftige Männerstimmen nicht übermäßig
großer Raum. Die Zahl der Kanoniker
war vermnthlich vom Anfang an bis zur
Säkularisation die gleiche: 20; dazn

kamen später 14 und die Vikare, deren
Zahl zeitweilig eine sehr große war.
Mir liegt eine Aufzeichnung vor, welche
ca. 1530 gemacht wurde: Ordo Vicario-
rum secundum chorum ecclesiae Bam-
bergensis, die Reihenfolge, welche sie in
den stallis einznhalten hatten. Laut dieser
Ordnung befinden sich in choro prae-
positi 20 Vikare, ebensoviele in choro de-
cani. Würden die Kanoniker und die Vikare
alle in einem Kirchenchor befindlich gewesen
sein, so würden sich ans jeder Chorseite 43
Personen befunden haben. Die noch vor-
handenen ans dem 13. Jahrhundert
stammenden Chorstühle haben aber im
Peterschor ans einer Chorseite nur 33,
im Georgenchor nur 24 Plätze. Auch
der Wortlaut der Titelrnbrik spricht nicht
für Chorseite, sondern für den ganzen
Chorranm. Im Jahre 1691 betrug die
Zahl der Vikare noch 25. Die Laien-
pfründen, 16 an der Zahl, nämlich 12
sogenannte Stnhlbrüder und 4 Rilter-
brüder, qui omnibus horis et processio-
nibus interesse tenentur kommen nicht
in Rechnung, da sie nicht im Chor waren:
in certis sedibus extra chorum pre-
ces persolvere tenentur (Assermann, Ep.
Bamb. S. Blas. i3o2 cod. prob. p. 262).
Wenn man übrigens die Jnbilaei, welche
nach vierzigjähriger Bepfründung von der
Verpflichtung zum Chorbesnch dispensirt
waren, die doppelt Bepfründeten und die
wegen der Studien Beurlaubten abzieht,
so bleibt immerhin noch eine stattliche
Zahl übrig, welche auch bei räumlich
 
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