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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

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Nr. 8
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Detzel, Heinrich: Die Wandmalereien zu Zell bei Oberstaufen, [1]
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70

Nur die tiefe Betrübniß, die iu der ganzen
Haltung der Anna, die neben Joachim
sich ebenfalls vom Altäre abwendet, zum
Ausdrucke kommt, läßt erkenne», mit luet-
eher Innigkeit und mit welchem Ernste
der Meister den Gegenstand erfaßt hat.
Joachim trägt in dieser wie in allen fol-
genden Darstellungen einen grünen Mantel
und ein violettes Untergewand, Anna ein
violettes Ober- und blaues Untergewand.
Oben lesen wir: Budivi et oonturbatus
est venter meus.

3. Wie der En gel des Hi mm e ls
dem Joachim erscheint und ihm
N a ch k o m m e n s ch a f t v e r h e iß t, zeigt
das dritte Bild. Er kniet ans freiem
Felde mit gefalteten Händen und richtet
sein Angesicht nach oben, von wo der
Himmelsbote mit dem Sprnchbande: ,,Do
minus orationem tuam suscepit“ er-
scheint. Im Hintergründe sieht man einen
Hirten inmitten feiner Schafe dasitzen und
voll Verwunderung seine Rechte gegen die
himmlische Erscheinung erheben. Links
gewahrt mail von Ferne, zwischen zwei
Bäumen eine Anhöhe hinanfsteigend, eine
weibliche Gestalt mit dem Wanderstabe ilt
beiden Händen herankommen', es ist wohl
Judith, die Magd der hl. Anna, wie sie
nach der apokryphischen Erzählung genannt
wird, welche von ihrer Herrin an Joachim
gesandt wird, um die Erscheinung des
Engels, die auch sie gehabt, und dessen
Verheißung zu melden. Oben die Inschrift:
Non dimisit eura in deserto.

4. Diese Erschei» n n g d e s Engels
bei Anna zeigt dann die folgende Dar-
stellung. Wir sehen hier die Mutter der
heiligen Jungfrau betrübt in einem Garten
sitzen, ein großes Buch ans ihrem Schooße
haltend; sie erhebt staunend die Linke lind
wendet ihr Angesicht der Erscheinung
des Himmels zu, von wo auch sie die
himmlische Kunde von der Geburt eines
Kindes erhält, welche freudige Botschaft
der herabschwebende Engel ans einem langen
Sprnchbande ausgeschrieben bringt: ,,Oeus
israel dabit tibi petitionem tuam". Ihr
zur Seite, mehr rückwärts, sieht mail bcu
von der Legende bezeichiieten Lorbeerbaum
mit deni Vogelneste, hindentend auf ihre
Bitte, Gott inöge ihr doch nicht versagen,
was er bcu Vögeln, den Thiereil des
Landes und sogar bcu Wassern und der
Erde gewährt habe. Diese Bitte ist ihr

gewährt iiild als Ueberschrift über diese
Scene setzt bavuin der Maler die Worte:
Gonvertisti planctum meum in gaudium
mihi.

5. Ioachi in n n d A » n a unter d e r
Goldenen Pforte. Wie in den ältesten
diesbezüglichen Darstellungen seben wir auch
hier, wie die ehrwürdigen Eltern der heiliget:
Jnngfran einander in die Arme gesunken
sind, offenbar ihre heilige Freilde im
Wiedersinden ausdrückend, ein Vorgang, der
hier voll Würde, Ruhe lind Asel gegeben ist.
Die „Goldene Pforte" ist als ein mittel-
alterliches Stadtthor mit vier Eckihürm-
chen gedacht; mau sieht int Hintergründe
Häuser der Stadt und eine Kirche, rechts
in der Ferile aber erblickt man ans einem
Berge eine weidende Schafherde mit ihrem
Hirten. Die Inschrift sagt hier: Oisper-
303 congregabib in Jerusalem.

0. In klarer, einfacher Komposition,
aber in gailz würdevollem, heiligeil Erilste
ist die Geb n r t Mariens gegeben, so
daß sie völlig unverändert atlch hellte noch
jedem Gotteshanse vortrefflich anstehen
würde. Während schon das griechische
Malerbnch vom Berge Athos „die Gebtirt
der Gottesgebärerin" lebhaft darstellt lind
man dort nickt undeutlich das Ur- und
Vorbild für jene späteren Darstellungen
erkennen kann, welche atts diesem Gegett-
stande, wie z. B. atlch A. Dürer, einfach
eilte mittelalterliche Wochenstnbe mit allen
möglichen Nachbarinnen, Fretlndinnen u. s.w.
machen, sehett wir hier in Zell neben der
'Mutter mit dem Kitlde nur noch drei Ge-
staltett. Anna in blauem Gewände, mit
weißem Kopfschleier und Nimbus versehen,
sitzt im Bette und übergibt das iu Win-
deln eingewickelte und ebeilsalls mit dem
Nimbus versehene Kind einer Dienerin,
neben welcher Joachim voll Verwunderung
die Hände faltend und frendigeil Ange-
sichtes auf das liebliche Kind blickend, steht.
Noch eine zweite dienende Franenspersoil
ist sichtbar, welche eben im Begriffe ist,
dem neugeborenen Kinde ein warmes Bad
;n bereiten. Die Inschrift lautet hier:
Laetabitur dominus in operibus suis.

7. Der Tempelgang Mariens
(oder Mariä Opferung, ?raesentatio b. M.
V. 21. Nov.j eröffnet die zweite Reihe der
Darstellnngetl auf der Nordseite. Die
kleine Maria iu blauem Gewände und
mit dem großen, ursprünglich goldeneil
 
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