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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

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Nr. 11
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Detzel, Heinrich: Die Wandmalereien zu Zell bei Oberstaufen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15902#0110

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98

anders war es beim Entwürfe des Mar-
tyriums der heilige» Apostel; hier mußte
der Meister wohl vollständig nenschaffend
11 nb babnbrechend Vorgehen, da ihm irahr-
seheiulich keine Vorbilder zu Gebote stan-
den, wenigstens sind unseres Wissens keine
solche mehr ans jener Zeit in unseren
Tagen erhalten. Was ist daher natürlicher,
als daß der Mariencyklns mehr einen
ständigen traditionellen Typus, ein bis zu
einem gewissen Grade conventiouellcs
Schaffen in Komposition und Technik
zeigt, während die Martyrien der Apostel
schon eine mehr realistische, kühnere
und freiere Auffassung und Wiedergabe
haben; es pulsiert unverkennbar ein frische-
res, originelleres Leben in diesen Apostel-
bildern und besonders auch in den Dar-
stellungen des hl. Stephanns, als in dem
Mariencyklns. Wenn sichtlich auch unserem
Meister, wie den meisten Kollegen seiner
Zeit, die volle Zartheit in Bebandlung
des letzteren Gegenstandes zu Gebote steht,
so ergriff er doch die Gelegenheit, bei der
Darstellung eines ihm neu gegebenen The-
mas, den ganzen Neichlhnm seiner Phan-
tasie walten zu lassen.

W e l ch e r Zeit nun gehören die Wand-
malereien an? Tie Kapelle umfaßte ur-
sprünglich, wie man meint, nur den Nanm
des heutigen Chores. In der ersten Hälfte
des 15. Jahrhunderts sei dieselbe eihöht und
mit einem entsprechenden Laughanse ver-
sehen worden. Es kann also der künst-
lerische Wandschmuck nicht vor diese Zeit
fallen. In der zweiten Hälfte des 15.
Jahrhunderts wurde in die Nordwand des
Chores zwischen dem 9. und 10., 14.
und 15. Bilde ein Sakramentshänschen
im spätgolhisehen Stile, eine schöne Ar-
beit ans grauem Sandstein, eingelassen,
das mit den Wappen der Monlsort ge-
schmückt ist. Infolge dessen sind, ivie wir
schon oben bei Betrachtung der Bilder ge-
funden, einzelne Darstellungen fast ganz
zerstört worden; cs sind also die Bilder
vor der zweiten Hälfte des 15. Jahrhun-
derts schon dagewesen. Folglich fällt die
Bemalung des Chores mit diesen beiden
Cyklen ungefähr in die Mitte des
15. I a h r h u n d e rt s. Prof. Or. Endres
schreibt in dieser Beziehung (Allg. Gc-
schichlsfrennd 1897): „Daß die Wand-
gemälde ungefähr dieser Zeit angehören,

darüber kann Anbetrachts ihres ganzen
Knnstcharakters kein Zweifel sein. Aber
wir vermögen die Zeit ihres Ursprungs
noch genauer abzugrenzen. Eine der Fi-
guren in den Fensterleibungen stellt, ivie
wir sehen, den hl. Nikolaus von Tolen-
tino dar, welcher im Jahre 1446 von
Papst Engen IV. canonisiert wurde. Bor
jenem Zeitpunkt konnte er als Heiliger
nicht dargestellt werden, wohl aber mochte
man unmittelbar nach seiner Canonisation
sich veranlaßt sehen, dem neuerdings mit
der Gloriota Geschmückten eine Stelle im
Zeller Kirchlein auzuweisen. Nach dieser
Annahme wären die Wandbilder einige
Jahre nach Herstellung des Hanptaltars
zu Zell erst fertig geworden, welcher nach
Ausweis seiner Inschrift 1442 von Joh.
Strigel vollendet wurde." So strikte ist
übrigens der Beweis nicht, da die Iko-
nographie der Heiligen uns zeigt, daß
manche im Rufe der Heiligkeit verstorbene
GottcSmänncr schon vor ihrer Canonisation
selbst mit dem Nimbuß dargestellt worden
sind. Die obige Inschrift legt uns übri-
gens die Frage nahe, wer wohl der
Meister der Zeller Wandmalereien sein
möge, ob nicht vielleicht der gleiche Ver-
treter der bekannten Memmingcr Maler-
und Bildhauerfamilie, welcher den Altar
vollendete, auch die Wandgemälde verstellte?
Allein der Altar ist vollständig übermalt
und läßt sich, solange er nicht kunstgerecht
restauriert ist, ein Urtheil nicht wohl ab-
geben. „Indes; werden wir wohl kaum
irregehen, wenn wir annehmen, daß ein
Mitbürger des Hans Strigel (und —
fügen wir hinzu — wohl unzweifelhaft,
ein Mitglied der Strigelyehen Künstler-
familie) in der blühenden Reichsstadt,
deren künstlerischer Ruf damals weit nach
Süden gedrungen zu sein scheint, sich mit
den letzteren in die Ausstattung der Kapelle
von Zell theilte."

Die Gemälde waren im Laufe der Zeit
übertüncht worden und erst vor ca. zehn
Jahren durch Ablösung der Kalkkrusten
wieder bloß gelegt. Es ist dies ein be-
sonderes Verdienst der anwohnenden Ge-
schwister Allger, welche fortivährend auf
Bloßlegung und Nestanration der Bilder
bedacht waren. Selbstverständlich erfuhren
die Malereien durch die Bloßlegung einige
Beschädigungen und ebenso wurden einige
 
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