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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 16.1898

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Nr. 6
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Bach, Max: Ein Altarwerk aus Weingarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.15903#0061

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von dem übrigen zurück, denn Joachim
ist kinderlos, sein Opfer ist dein Höchsten
nicht angenehm. Verlegen senkt der Zn-
rückgewiesene sein ernstes, bedeutendes
Hanpt; Schmerz und Beschämung sucht
er zurückzuhalten, aber nian sieht es ihm
an, daß er tief im Innersten getroffen
ist. (5m Lernt, der neben dem Hohe-
priester steht, scheint durch seine gemessene,
finstere Haltung dessen Verfahren 31t bil-
ligen. Links in der Landschaft, läßt der
Künstler noch einnral Joachim sehen, wie
ihm, als er klagend in der Wüste irrt,
der tröstende und verheißende Engel er-
scheint.

Aus bem anderen Bilde führt uns der
Aialer in eine Augsburger Wochenstube
seiner Zeit. Die hl. Anna liegt 31t Bett,
vor ihr ist eine Dienerin beschäftigt, das
neu geborene Kind 31t baden, vorsichtig
prüft sie das Wasser mit dem nackten
Fuße, sie sitzt aus einem Rohrstuhl, dessen
Form für diese Zeit der noch vollen Go-
thik besonders charakteristisch ist. Eine
ältere Frau mit großen: Schlüsselbund
trägt einen Imbiß auf, eine zweite Magd
mit langen Zöpfen ist eben im Begriffe,
in: Keller einen frischen Trunk zu holen.
In der Ferne, da wo die freundliche Aus-
sicht auf Landschaft und Gebäude sich
öffnet, findet Joachim nach göttlichem Be-
fehl sein Weib Anna an der goldenen
Pforte des Tempels, beide froh, daß sie
sich wieder haben, daß die Gnade des
Herrn ihr Alter noch durch die Geburt
eines Kindes erfreuen will.

Betrachtet nran die Bilder näher und
vergleicht sie mit andern beglaubigten
Werken HolbeiRs, so entstehen gerechte
Zweifel. Holbein der Aeltere ist schon
ganz der Aialer der beginnenden Renais-
sance, er hat die typischen Formen der
alten Schule nahezu abgestreift, besonders
in den Köpfen tritt ein naturalistischer
Zug uns entgegen, welcher nt den eben
beschriebenen Bildern nirgends zu beobach-
ten ist. Der Maler, welcher die Kais-
heimer Darstellung im Tempel in der
Münchener Pinakothek gemalt hat, kann
unmöglich den gleichen Gegenstand im
Augsburger Don: gemalt haben. Da
sehen wir mit der inittelalterlichen Tra-
dition vollständig gebrochen, der Hohe-
priester ist nicht inehr im bischöflichen

Ornat dargestellt, sondern iit einem phan-
tastisch orientalischen Kostüm, die Heiligen-
scheine sind in Strahlen aufgelöst, die
reich gekleidete Dame rechts trägt das
Modekostüm der Zeit, Hut und wallende
Haare. Nur der Mantel der hl. Anna
ist noch in schönen Falten gelegt, ivie
es auch bei ben älteren Meistern üblich
war.

Auf Grundlage der vergleichenden For-
fchung wird also gewiß Rienrand die
Bilder dem Holbein zuschreiben, sondern
nur in Anbetracht der Inschrift, welche
sich aus denn Gürtel der weiblichen Figur
aus dem Bilde der Darstellung sich be-
finden soll. Diese Inschrift führt Wolt-
mann folgendermaßen an: „Michel. Ehr-
hart. Pildhaver. 1493. Hanns Holbain.
Maler. O mater. miserere nobis.“

Hinter dem Worte Aialer nitb noch an
zwei andern Stellen der Bilder soll sich
noch ein „bisher unbekanntes Monogramm"
Holbein's befinden. Ob diese Inschrift wirk-
lich dort steht, kann ich natürlich nicht
entscheiden, wenn sie aber vorhanden ist,
so nrnß sie gefälscht fein, mitsammt dem
Monogramm. Es ist ganz ungewöhnlich
nnb meines Wissens bis jetzt nirgends
nachgewiesen, daß die Aialer jener Zeit ans
Gürteln oder Gewandsäumett ihren Namen
angebracht haben. Alles, was darüber
bekannt geworden, beruht anf Fälschungen,
so der Raine Schasfner's anf dem Bilde
der Kreuzschleppung in Signraringen, der
Nanre E. Vos aus den: Bilde in der
Stuttgarter Gallerte u. s. w. Auch die
ganze Fassung der Inschrift ist sehr zweifel-
haft. Rach meinen Forschungen („Archiv"
1896 Rr. 2) wird niemals Bildhauer
und Aialer zugleich als Verfertiger eines
Altarschreins auf dem Werke selbst ge-
nannt; und in der That waren es ja
meift nur Schreiner oder Bildschtiitzer,
welche sich dabei betheiligt haben. Bild-
hauer nennen sich gewöhnlich nur die
Steinbildhauer, selbst Syrlin nennt sich
ttiemals Bildhauer. In einen: Vertrag
von 1469 ft steht: „Jörg Sürlin der

Schreiner Burger zu Ulme"; Hans Ainlt-
scher, welcher inschristlich das Steinbild-
werk im Dom zu Uln: fertigte, wird auch
in: dortige:: Bürgerbuch ausdrücklich Bild-

9 Klemm, Münsterbl. IV. S. 81.
 
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