Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 17.1899

DOI Heft:
Nr. 3
DOI Artikel:
Mayer, Franz Xaver: Zwei interessante romanische Gebäude in Comburg
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15904#0036

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das e r st e Thor, von Dekan Guttenberg
>1695—1736) erbaut, ist bekrönt mit dein Wappen
Comburgs (leopardierter Löivenkopf mit Sparren)
zwischen zwei Genien des Segens und der Fülle;
geschlossen kann dieses steinerne Thor werden durch
ein schmiedeisernes Gitter. Schreitet der Wanderer
aus dem Weg zwischen den Mauern mit Schieß-
scharten weiter, so gelangt man in das zweite
Thorgebäude, slankirt nach Norden durch
einen runden Thurm mit dein Wappen des Dekans
und späteren Probstes Neustetter, genannt Stürmer,
und der Jahrzahl 1572 an der Nordostecke. Ge-
schlossen konnte dieses Thorgebäude werden durch
zwei Thore nach Osten und Westen, heute durch
eine eisenbeschlagene Thüre. Ueber dem Thor-
bogen und unter der Mauerverstärkung mit Rund-
bögen befindet sich eine Tafel mit den Worten
(vergoldete, lateinische, große Buchstaben):

>Iaesc> aut exhausto defensori patria*.

Am Thorbogen steht die Jahrzahl 1560. Auf
der rechten Seite des Eintretenden befindet sich
die Wachstube. Am inneren Thorbogen ist das
Wappen Comburgs und des Dekans Neustetter mit
der Jahrzahl 1575 in Stein gehauen von dem
Haller Steinmetz Kaspar Kölbel (Müller 16, S. 2).
(An beiden Thürposten unter den Gesims Stein-
inetzenzeichen.) Eiitgetreteu durch dieses Thor hat
man links die Prob st e i (erbaut von Probst
Seyfried vom Holtz (P 1504), von Dekan Neu-
stetter 1570 zu Chorherrnwohnungen eingebaut)
mit dem schönen Nenaissance-Kellerportal mit
den Wappen Comburgs und Neustetters (und
Steinmetzenzeichen); unmittelbar vor sich sieht
inan ben dritten romanischen Thor-
Lau mit seinen Thürmen und der Michaels-
kapelle.

Dieser romanische Sandsteinbau ist nach Otte, Ge-
schichte der romanischen Baukunst 1874, S. 673 s.
zur Klosterzeit im 12. Jahrhundert verändert
worden. Er ist ein breiter, rechteckiger, massiver
Bau mit einer ansteigenden Durchfahrt mit einem
Tonnengewölbe (11,7 m lang), das durch Quer-
gurten verstärkt ist. Die Seitenwände dieser
Durchfahrt sind in schiefer Böschung ausgemauert.
Einen prächtigen Anblick gewährt die O st s a s s a d e
mit breiten Ecklisenen, Rundbogenfries mit Kon-
solen (ähnlich der romanischen Aegidiuskirche im
Kleincomburg 1108) und Zahnschnittfries. Darüber
erhebt sich eine Säulengallerie mit acht roma-
nischen Zwergsäulchen unter einem Pultdach. Die
Basen dieser Säulcheu bestehen aus zwei über-
eiuanderliegenden eckblattlosen Wülsten oder Pfüh-
len und tragen stark sich verjüngende Schäfte mit
einfachen Würfelknaufen. Sie stehen auf einer
Brustwehr (80 cm hoch) zur Deckung für den
Vertheidiger in dem Gang von 1,26 m Breite.
(Die Säulen der Dachgallerien rheinländischer
Kirchen stehen unmittelbar auf dem Mauergaug.)
Das Pultdach dieser Gallerie lehnt sich an zwei
viereckige, luftige, roinanische Thürmchen (von zwei
Stockwerken mit gekuppelten Fenstern unter dem
Ruudbogenfries) an den beiden Enden der Gallerie
und an die dazwischenliegende Michaelskapelle
über der Durchfahrt an. lieber dem Thorbogen
dieser Einfahrt, welche aus der Zeit der Kocher-
gaugrasen stamnten soll (1060) sehen wir einen
Bild rahmen mit Schachbrett- und Blütter-
ornament, dessen beiden Seitentheile aus Löweu-

30 —

köpfen ruhen. Innerhalb dieses Bildrahmens war
einst aus himmelblauen Grund ein thronender
Christus gemalt, zu jeder Seite ein knieender
Heiliger, darüber Spruchbänder, welche 1840 nicht
mehr entziffert werden konnten; heute sind kaum
noch Spuren erkennbar, wie auch au der gegen-
überliegenden Rückseite des zweiten Thores. Die
M i ch a e l s k a p e l l e selber, welche von Süden
zugänglich ist, scheint nicht mehr die ursprüngliche
zu sein, welche in der Klosterordnung von 1343
genannt wird, oder ist sie später unter Neustetter
umgebaut worden, dessen Wappen sie an der West-
fassade mit der Jahrzahl 1588 trügt. Sie war
die Privatkapelle des jeweiligen Dekans im ade-
ligen Ritterstift s„aus der Michaelis-Kirchen alß
privat- und Hauß-Capellen des Herrn Dechants"
aus Leich-Begängnus des Dekan von Guttenberg
9. Mai 1736). Die im Innern ganz verwahr-
loste Kapelle zeigt Spuren von Malereien (Orna-
mente). Sie soll unter dem 26. Abt Ernsried 1.
von Vellberg (1402—1421 f 24. Januar) von
den von „Hohenstain" (Gemeinde Sulzdorf, OA.
Hall) „gebaut und gestüfit ihrem Bruder zu lieb,
der ein Mönch zu Comburg gewesen", resp. um-
gebaut worden sein, „mit zweien ausgehaueneu
Staininthurn"; „soll eine Abkonterseyung sein
St. Michaelis-Münster uff dein Berg Gorgona,
da etwan bey unser Bätter Zeitten die jungen
Knaben gelingen Hauffen weiß Hingewalt haben"
(Meyer Beiträge zur Geschichte Comburg S. 44).
1458 wallten nach der „Widmann'schen Chronik"
am Donnerstag nach Pfingsten über 100 Knaben
von Hall nach Gorgan in Apulien und kamen alle
wieder unverletzt zurück.

Bon diesem drittelt Thorbau, der früher durch
zwei Thore geschlossen tverden konnte, zieht sich
links vom Eintretenden eine 5'/s m hohe Mauer
als Stütze des stark ansteigenden Terrains bis
zum Archiv, während rechts die alte Dekane^i
(erbaut von: 10. Dekan Neustetter 1573 und 1637
von dem 15. Dekan Joh. Adam Truchses von
Höfingen OA. Leonberg (1623—1637) — Wappen
beider und Steininetzenzeichen und Spuren von
Bemalung —) und die neue Dekan ei sich be-
findeit. Letztere großartig angelegt und aus Sand-
stein massiv in zwei Stockwerken zur Hälfte aus-
gebaut unter dem 18. Probst Johann Beit von
Würzburg (1716—1756) und den: 18. Dekan Wilh.
Illr. von Guttenberg (1695—1736), deren Wap-
pen mit deneit der Chorherren von Erthal, von
Ostein und von Hutten über den Fenstern in
Stein angebracht sind, mit beit drei Stiftern des
Klosters Comburg: Gras Burkard, Heinrich und
Rugger als Schildhalter im Giebelfeld des Mittel-
baus. Gegenüber die treue Dekattei, 1807 bis
1810 Wohnung des Prinzen Paul vott Württem-
berg und seiner Gemahlin, welche ihm hier am
21. Februar 1808 deu Prinzen Friedrich gebar,
der Bater unseres Königs ist.

ll. Das Archiv,

ein sehr altes, höchst interessantes, romanisches
Sexagon, das jedem Besucher wegen seiner origi-
nellen Anlage und massiven Mauern und gedrück-
ten pyramidalen Dach in die Augen fällt. Dieses
Sechseck wurde auch schon als Tauskapelle
angesehen (Meyer S. 46 s., Schönhuth 1. 368),
aber wohl mit Unrecht, denn wozu sollte ein
 
Annotationen