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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 17.1899

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Nr. 9
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Hafner, Otto: Neu entdeckte Wandgemälde in der Gottesackerkapelle von Bieringen, Oberamt Horb, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15904#0092

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80

Im obereil Feld (80 cm hoch und 90 cm j
breit) ist nichts mehr erkenntlich. Das
untere Feld (110 cm hoch und 90 cm
breit) zeigt in der rechten Ecke einen
anscheinend beinahe nackten, scheinbar
bangenden, langen, hageren Leib, daneben
einen schlagenden Schergen in grau-
braunem Gewand, Gesicht unkenntlich. In
der Hand hat er einen gelben, gut inodel-
lirten Stock (Geißel). Wir haben hier
natürlich die G e i ß e l ttu g C h r i st i vor
lins. Die beiden Felder sind nach nußeil
eingerahmt durch einen breiten, gelben,
plumpen Pfosten, an beut sich eine braune
Spirallinie aufwindet, unter sich abgetheilt
dilrch einen kleinen, schmalen, gelben
Streifen.

B. Ostseite.

Die Ostwand unserer Kapelle, die, wie
bemerkt, geradlinig abfchließt, ist durch
das frühgothische Fenster in eine linke lind
rechte Hälfte getheilt.

I. Die linke Hälfte können lvir mit
der Bemerkung verlassen, daß nur ein
breiter gelber -Längs- itub Querbalken,
der auf eine kleilie Strecke erhalten ist, |
die Abtheilung in vier Felder verräth. Voll
beit Bildern selbst ist llichts mehr zu seheli.

II. Sehr interessant ist scholl architek- !
tonisch das oben gerade ab- und ein spitz- |
bogiges Doppelfenster Anschließende, mit
Verbilidullgsviereck und Mittelpfosten ver-
fehene frühgothische Ostfenster. Die
Höhe der Fensterleibnug beträgt 140 cm,
die Tiefe 80 cm. Jil der linken Leibung
erblicken wir den hl. Petrus mit dem
30 cm langen, gelben, massigeli Schlüssel
iil der Rechten. Der Heilige hat die
tonsrnm Bein und einen großen Heiligen- !
schein. Er trägt du bis zu den Füßen
reichelides, braungralles, ziemlich elig an-
liegelides Obergewand. Die Gestalt ist
115 cm hoch. Die Schultern sind niedrig,
der Brustkorb schmal, die Hände sind
groß gerathen, der Leib ist etwas gekrümmt,
der Gesichtsausdruck ist nicht mehr gut
erkenntlich. Das Ganze macht einen etwas
archaischen, grämlichen, plulnpen Eindruck.
Die Einfassung des Bildes ist ein romani-
sirender Ruudstab tu rothbrauller Farbe.

— Auf der rechten Fensterleibung stoßen
wir auf das Bild eines Bischofs, 100 cm
hoch. Das lauge Obergewand ist grau, j

| aber int Lauf der Zeit grün orpdiert.
lieber demselben liegt das Pallium. Auf
dem Gewandausschnitt am Hals sitzt ein
Halsanfschlag. Auf dem Haupte, zil
dessen Seitell wallende, röthlichbraune
Haare herabfallen (das Gesicht ist bartlos),
sitzt eilte ziemlich hohe, zweigehörnte Mitra.
In der linken Hand trägt der Bischof
einen nach innen gewundenen festen Stab,
unter dessen Krüinnulllgsring ein Tüchlein
sich befindet (suckeuium velum znin Trock-
nen des Handschweißes). Es hat die
Form eines kleinen (verzierten) Mäntel-
chens. Aiit der rechten Hand, deren drei
hintere Finger halb eingezogell sind, gibt
er den Segen. Er scheint Handschuhe
zu tragen. Die galize Gestalt, die aber
ohne Einfassung, kleiner als Petrus ist
und höher steht, ntacht wirklich einen
luajestätischell statuarischen Eindruck. Die
Lillienführulig ist sehr gut nnb sicher. Die
Hände silld etwas groß geworden. Der
Fluß der Haare nnb des Gewandes ist
recht gilt. Da kein Attribut beut Bischof
beigegeben und sollst nichts urkundlich
bekannt ist, so ist die Persönlichkeit llicht
sicher zu eruiren. Vielleicht ist es mit
Set. Petrus der Kirchenpatroll (Set. Boni-
fatius?). Da wir aber keinen Heiligen-
schein sehen, könnte es vielleicht auch ein
Bischof aus der Familie des Stifters fein.

III. Rechts voll beut Fenster ist die Wand
über dem gemalten Teppich wieder in
3—4 ungleich große Felder eingetheilt.
Oben ist llichts zil erkennen als da und
dort ein gelber oder rother Farbfleck. (Es
ist ailch noch nicht alles freigelegt.) Ge-
trellllt durch einen gelben Querbalken von
beut oberen und eilten vertikalen Balken
von der rechtell unteren Gruppe sehen wir
im linfeit unteren, 100 cm hohen und
90 cm breiten Feld die Kreuzigungs-
gruppe. Der Kruzisirus ist ein Knie-
stück, ungefähr 75—80 cm lang. Er
hat einen auffallend langen, dünnen, etwas
geschweiften Oberleib, bekleidet mit einem
langen, gut gefalteten, mit eilizeluen großen
Blutstropfen bedeckten weißen Lendentuch.
Seine Arrue sind ebenfalls sehr lang nnb
dünn. Das Haupt, umgebell mit einem
großen Heiligenschein, liegt ganz auf der
rechten Schulter nach vorne geneigt. Die
Dornenkrone ist llicht ersichtlich (vgl. die
Kreuzigungsgruppe tu der Reutlinger
 
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