Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 17.1899

DOI Heft:
Nr. 10
DOI Artikel:
Hafner, Otto: Neu entdeckte Wandgemälde in der Gottesackerkapelle von Bieringen, Oberamt Horb, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15904#0103

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
89

Mit dieser Datirung springt auch die ^
Bedeutung unserer Darstellungen für
die Kunstgeschichte (besonders Schwabens)
ins Auge. Es sind keine hervorragenden,
aber gute, aller Beachtung würdige Werke.
Sie füllen eine der vielen Lücken in der
Geschichte unserer vaterländischen Malerei
aus. Sie schließen sich hiemit an die von
Detzel (Archiv 1896, S. 6) ins Ende
des 13. oder in den Anfang des 14. Jahr-
hnnderts gesetzten Gemälde in Ehestetten,
sodann an die Gemälde in der alten Sa-
kristei der Reutlinger Marien-
kirche. (Nach Keppler im Archiv 1894
S. 107 ans dem Anfang des 14. Jahr-
hunderts.) Sie wären etwa gleichzeitig
mit den im Sommer 1893 auf der inneren
Westwand jener Marienkirche entdeckten,
aus der Hochgothik stammenden Gemälden.
(Archiv a. a. O. S. 108 f.) Sie ständen
endlich nicht serne den in der Kapelle von
Gaisb euren bei Reute, OA. Waldsee,
aufgedeckten Wandmalereien ca. 1400.
(Archiv a. a. O. S. 109.) Hob sich die
schwäbische Malerschnle im 15. und 16.
Jahrhundert zu schöner Blüthe, so ist doch
511 sagen, daß schon längere Zeit vorher
Tüchtiges und Gutes im Lande gemalt
wurde. Was fönnen wir über den Ur-
heber der Bilder, über den Meister
sagen? Ignoramus et ignorabimus?
Jedenfalls das erstere. Ans der Art der
Darstellung nach Formt rutd Inhalt ist
auf einen tüchtigen Meister zu schließen.
Die Patronatsherrschaft (wohl die Edlen
von Ehingen) wird auch einen solchen be-
stellt haben. Wir können uns mehr und
nrehr der Ansicht nicht verschließen, daß
die Bilder wohl aus derselben Zeit, aber
nicht aus derselben Hand geflossen sind.
Einzelne Figuren weichen doch nicht uner-
heblich non einander ab. Auch ist die Ein-
heitlichkeit nicht immer gewahrt. Da
werden Meister und Geselle gearbeitet
haben. Wo aber ist dieser Meister zu
suchen? In einem Kloster ihn ausfindig
51t machen, wie für die romanischen Burg-
selder rutd gothischen Ehestetter Bilder ge-
schieht (Archiv 1893, S. t3 fs. urrd 1896,
S.6), wäre ancf) für diese Zeit nicht von
der Harid zu weisen. Die ans guter Me-
ditation rutd Korttemplation beruhende,
inrnrerhirr noch strenge urrd errrste Wieder-
gabe würde dafür sprechen. Man körmte
wohl rricht so fest an eirrerr Insassen eines

Rottenburger Klosters als vielleicht an
einen solchen des Panlinenklosters in Rohr-
Halden bei Kiebingert, OA. Rotterrbrtrg,
beiden, das 1479 alternirend mit den
Herrn von Ehingen das Patronatsrecht
irr Bieringen ausübte. (OA.-Beschreibung
von Horb S. 147; vgl. über dieses Kloster,
welches 1364 vom Pfarrverband mit Sül-
chert gelöst wurde, die Woche über beit
Gottesdienst in dem zrtr Pfarrei Sülchen
gehörenden Kiebingen versah rtrtd 1787
aufgehoben rvurde, OA.-Beschreibung non
Rottenburg S. 179 ff.) Art das Kloster
Reichenau ist wohl kaum mehr für jene Zeit
31t denken. Hatte der Meister etwa Fühlung
mit Reutlinger Meistern? Doch satis! Kom-
binationen können gut sein, sind aber immer-
hin bei dem Fehlen jeglicher Nachricht und
Spur gewagt, jedenfalls wohlfeil wie
Brombeeren.

Was nun? Wie zum Eingang gesagt
gehen die Bilder den Weg alles Irdischen.
Das eine und andere Stück ist schon ab-
gefallen, was bei dem schlechten Malgrnnd
noch weiter bevorsteht. Besonders ist auch
der Weltenrichter Christus zu einem Noli
me tangere geworden, das nicht ungestraft
sich verletzen läßt. Das Gesicht jener
Madonna supplex ist schon hernnterge-
fallen. Unter diesen Umständen ist ein
weiteres Freilegen der Bilder, soweit über-
haupt möglich, etwas problematisch und
wohl nicht mehr lohnend. Wer thut's
und — last not least —• wer zahlt's?
An eine Restaurirung der Bilder ist nicht
mehr zu denken. Wenn aber die Sache
bald (etwa durch den Landeskonservator)
in die Hand genommen würde (die Kapelle
sollte bis Allerheiligen restaurirt sein nach
dem Wunsch des Herrn Pfarrverwesers
Wagner), ließe sich vielleicht durch Ab-
nehmen von Kopien, Durchpausen auf Kar-
ton, Aufhängen desselben in Scharniren
am Ort (vgl. Reichenau) oder Verbringung
nach Stuttgart (vgl. Burgfelder Bilder)
der immerhin recht interessante Fund ans
diese Weise erhalten. In meinem Auf-
trag stellte der in dieser Branche rühm-
lich bekannte Photograph S i n n e r sen.
von Tübingen mit viel Sorgfalt und Sach-
kenntitiß photographische Aufnahmen her,
die bei den eigenartigen Schwierigkeiten
reproduzirten was zur Wiedergabe kommen
konnte.
 
Annotationen