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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 18.1900

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Nr. 10
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Rohr, Ignaz: Die christliche Kunst auf den Ausstellungen im Glaspalast und in der Secession in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.15905#0095

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88

Noch weiter als Feuerstein und Hackl
führt uns Fritz Kunz zurück mit fernem
Triptychon: Ave Maria, ecce ancilla
domini, et verbum caro factum est. Er
repräsentirt die Beurouer Kunst. Wohl
ist ihrer Farbengebung etwas mehr Glnth
eingehaucht und ihren Figuren etwas
mehr Bewegung gegeben, aber das Be-
fremdliche, Archaistische, das allen ihren
Werken eigen ist, findet sich auch hier,
und in dieser Umgebung ist es doppelt
auffällig. Wer sich über diese Eigenart
orientiren will, möge die Begleitworte zu
dem Beurouer Kreuzweg Nachlesen. Bloß
wäre der Beurouer Charakter gewahrt
geblieben, auch wenn der Kopf des Jesns-
kindes eirt ganz klein wenig kleiner und
die Augenlider der Muttergottes etwas
weniger schwer ausgefallen wären. Dm
Schluß dieser Gruppe möge unser Lands-
mann Füget bilden, nicht als ob er
gothisirte oder ägpptisirte; er steht in der
Technik auf den Schultert! der Modernen.
Auch seine Gestalten sind individueller,
realistischer, tnitunter auch derber, als wir
es von der klassischen intb klassizistischen
Malerei her gewöhnt sind. Seine Fehler
hat er auch schon gemacht und man hat
nicht verfehlt, sie ihm vorzurechnen. Aber
von den Extravaganzen der heutigen Kunst
hat er sich freigehalten. Die vielen Auf-
träge, die ihm in seiner eigenen Heimath
geworden sind, mögen ihm ein Beweis
sein, daß man seine Kunst zu schätzen
weiß. Es sind rneift tnonnmentale Werke,
Wand- und Deckengetnälde. Die beiden
in München ausgestellten Altarflügel,
Kreuztragung und Kreuzabnahme (271a
und 271 b) zeigen, daß er auch auf diesem
Gebiet seinen Mann stellt und reihen sich
würdig an sein Abendniahl.

P l a st i k.

Die christliche Plastik ist verhältnißmäßig
stark und — wir können's jetzt gleich ver-
rathen — gut vertreten. Busch's „ver-
logner Sohn" ist zwar ettvas drastisch
und seinem heiligen Antonius möchte tnan
ein wenig tnehr heilige Scheu wünschen,
wenn es ein Kirchenbild sein soll. Da-
gegen ist sein heiliger Benediktns eine
imponirende Gestalt, nicht so sentimental,
wie tnan es jenseits der Vogesen liebt,
aber auch ttichl so derb, daß er, in eine

braune statt in eine schwarze Kutte ge-
hüllt , als Pelzmärte figuriren könnte.
B. Schmitt's Altar für Großheubach ist,
was beit Aufbau und den figürlichen
Schmuck betrifft, ein gelungenes Werk;
ebenso feine heilige Fatnilie. Vosnick-
Prag ist Realist, aber feitte Madontta wie
seit! Christus in der Wüste sind itntnerhitt
noch würdige Gestalten. Dietsche's Kruzifix
klingt an die romanische Kunst an, ohtie
steif zu sein.

Waderes heiliger Georg ist eine glück-
liche (Kombination von Demttth nttb Kraft-
bewtlßtsein uttd auch feine beiden Gruppen-
bilder zeigen ihn ans der Höhe, aut der
wir ihn in früheren Jahren sahen.
Weniger individnelleKraftverräth Winkler's
Madonna. Barcaglia's Ucee horao spricht
an, auch ttoch Beyrer's Eäeilia, dagegen
ist die vott Hitttersetzer schon mehr moderne
Porträtbüste.

So zeigt auch diese Ausstellung, daß
die christliche Kunst überall da Tüchtiges
leistet, wo sie sich ihrer Ahnen tticht
schämt, die Fühlung mit der Natur und
detn Leben tticht verliert ttnb sich ihres
christlichen Charakters und ihrer idealen
Aufgabe bewußt bleibt; daß es ihr anderer-
seits schwer fällt, ihre Würde zu bewahren,
wo sie über die eine ober andere der an-
gedeuteten Schranken sich hitttvegfetzt.

Und tunt zu den Secefsionisten.

II. Die

e c e 11 iott.

Sie hat ihren Nntnen von der vor
Jahren erfolgten Absonderung, nttb daß
ihre Mitglieder, wenigstens was die
| religiöse Malerei betrifft, Sottderlinge
j sind, kann matt ihnett bezeugen. Aller-
dings haben sie sich im Lauf der Jahre
gehäutet, und zwar so gründlich, daß
demnächst nichts tnehr übrig bleibt.
Itntnerhitt ist die religiöse Kunst diestnal
gnädiger weggekotntneti, als es in früheren
Jahren der Fall war. Nur tnnß tnan
dabei von Böcklin u. a. absehen. Man
hat ihn einen der größten Geister der
Gegenwart genannt, und wer seine Werke
ketttlt, wird tticht viel dagegen einzuwenden
haben. Schade, daß er bei seiner „Ma-
dottttn" von diesetn Geist einen so über-
aus bescheidenett Gebrauch getnacht hat.
Das lebenstrotzetide Weib, das er so be-
nenni, mit dem Kranz im Haar und den
 
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