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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 19.1901

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Nr. 9
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Rohr, Ignaz: Die christliche Kunst auf den Ausstellungen im Glaspalast und dem königl. Kunstausstellungsgebäude zu München, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15906#0074

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66

für sich betrachtet und werden gut thnn,
es wieder so zu halten. Es ist dies ein
sehr reiches Gebiet. Wie sollte auch das
Auge des Künstlers unempfindlich bleiben
für ein so mannigfaltiges, im Leben des
Volkes hochbedeutsaules, an malerischeil,
farbenprächtigen, gedankentiefen Scenen
überreiches Gebiet? So werden wir denn
öfter ins Kloster und Pfarrhaus, in die
Kirche uub aus den Kirchweg geführt und
was nur dabei zu sehen bekommen, das
ist fast durchweg erfreulich. Wohl ist
Grützners Bruder Kellernwister (986)
etivas rundlich geratheil, ltitb die vier Krüge
in seinerHand unb die Rettiche hinter seinein
Brustlatz macheil feilten sonderlich asee-
lischen Eindruck, aber die Ria che ist so
glänzend, daß das Bild dennoch der
Betrachtung werth ist, und der gute Bruder
Cellerarius sieht beit Beschauer so gemäch-
lich an, daß mmt sich sagen muß, es ist
auch ein gutes Werk, wenn er durch einen
guten Trunk den Bücherwürmern, Skrnpu-
lanten nnb Teilfelsbeschwörern unter sei-
neil Alitbrüdern die Daseiilsfrende in
seiner Weise auffrischt. Dasselbe gilt von
Kohrs „Goldklar" (956) einenl Franzis-
kaner, der mit einem Gläschen goldklaren
Weines liebäugelt. Daß übrigens auch
im Bewußtsein der Küiistler die Kloster-
leilte noch Wichtigeres zil thliil haben, beweist
Ferraris betender Mönch (l 965). Daß
das Leben eines Mönchs auch seine
Kämpfe hat, hat Gysis gezeigt (86). Ein
durchgeistigtes Antlitz hat R. Müllers
Franziskaner (1222). Auch die Glanz-
pilnkte im Klosterleben, das Chorgebet
(Davini „Klosterfriedeil" 462), Palm-
sonntag (Batta g lia 291), die Pflege der
Alilsik (Linderunl 1076), die Uebnng
des Gesanges (1545 Al a x S ch o lz „An
der Orgel zu Ettal") sind zur Geltling
gekommen.

Wer einmal in Ettal war, bem zau-
bert das zuletzt geilannte Bild beit ganzen
Reiz jenes herrlicheil Gotteshauses vor
die Seele, belebt nnb gehoben durch edle
Gestalteil im Mönchsgewand. Stelzners
„Alodell an der Klosterpforte" (1650) ist
wohl ein Tribut der Achtung des Ktinst-
lers ail seine Kollegeil hinter den Kloster-
inaneril. Cederströms „Kardinal" (435)
ist jedenfalls ilicht der Jntrignant, den
seine Standesgenossen in so manchen iilv- j

berneit Litteratnrerzeilgilissen abgeben inüs-
feit, und „In der Stiftsbibliothek zil St.
Galteil" hat der schon geiiaiinte Scholz
zivei geistliche Würdenträger znsauliileil-
gesührt (1546), die sicherlich ein volles
Verständiiiß haben für den geistigen Wert
nnb die historische Bedeutung der dort
ailfgehänfteil Schätze. Wnildern iilnß man
sich nm, warum die Künstler die Vene-
diktiner lind Franziskaner fast ausschließ-
lich berücksichtigen und ilicht ans die male-
rische, freundlichere Tracht so inancher an-
dern Orden ihr Augeninerk richten.

Fügeii wir beit Alöncheii die Einsiedler
aii, so darf vor altem das nrgemüthliche
Herrlein ilicht unerwähnt bleibeii, das
mit deil Thiereil der Wildniß so be-
friedigt einherwandelt ivie ein Bäuerlein
inmitten seines Viehstandes. Drum ist
er ailch von dem ans den „Fliegenden
Blättern" geiingsaul bekannten Hengeler
gemalt. Ernster gefaßt ist der „Prediger"
von Helsted (743).

Unter deil Darstellungen von Kloster-
fraueil fällt zilnächst das Marmorbild von
Cailonica „Nach dem Gelübde" (2243)
in die Augen. Eiile jugendliche Nonne
brütet, an etil Gitter gelehnt, über weh-
inüthigen Gedanken. Man möchte dem
Bild das Motto geben: „Ach, ach ich
annes Klostersränlein." 11 nt so befrie-
digender muthet Kerns „Maienabend" an
(913): eiile bannherzige Schwester trägt ein
Kind durch den Garten; nnb 1428a: Ritz-
bergers Samaritanerin (eine Schwester
am Krankenbett). Alan fann in ihnen
den Zoll des Dankes der leidenden
Menschheit an diese Eiigel der Barm-
herzigkeit sehen.

An liturgischen Sceiieil und Darstel-
luiigen ails bem kirchlichen Leben ver-
dienen Beachtung: der nächtliche Gottes-
dienst von Z eilig teil zi (1873: „Wachet
nnb betet."); die Krankenprovision Pel-
lizzas (1323 „Alis bem Heuboden").
In der „Wallfahrt" (52) hat Gysis
die menschliche Hilfsbedürstigkeit in packen-
der Weise dargestellt (eiile Frau kauert
mit ihrer Tochter im Schein einer aus
dem Bodeil anfgepflanzten Kerze am
Moor); Defreggers „Wallfahrt" (486)
ist ein allerdings glänzend ausgesührtes
Genrebild, aber auch nicht mehr. Von der
Wallfahrt ist nur der zweite, „praktische
 
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