Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 19.1901

DOI Heft:
Nr. 12
DOI Artikel:
Damrich, Johannes: Antonius der Einsiedler, [2]: eine legendarisch-ikonographische Studie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15906#0099

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
so werden die heiligen Gebeine im Triumphe
heimwärts geführt. Wohin der heilige
Leib kommt, geschehen zahllose Wunder
an Kranken nnd Presthasten, die Dämonen
aber heulen in beu Lüften: „Antoni, dlt
großer Heiliger, deine Heiligkeit brennt
uns gar sehr."

Ein vornehmer Jüngling, Effron, war
unschuldig vernrtheilt ltub gehenkt nwrden,
doch sein nnd seiner Eltern Vertrauen
auf des Antonius Fürbitte, dessen Reli-
guien eben in der Stadt weilen, wird
wunderbar belohnt; acht Tage hangt er
um Galgen, doch ohne Schaden zu neh-
men, denn St. Anton hatte ihn bei beu
Haaren und dessen Gehilfe bei beu Hän-
den gehalten. lj Effron und zwei Ge-
birgswölfe, die ans Antons Fürbitte ge-
raubte Kinder wiedergebracht, schließen sich
dem Geleit der heiligen Gebeine an. Als
ein schwerer Sturm das Schiss 311 ver-
nichten droht, erscheint der Heilige mit
mildem, klarein Antlitz und beruhigt die
empörten Wogen. Nachdem das Schiss
das Abenteuer bei der Tenfelsinsel (nne
es H. v. Fritzlar erzählt) glücklich über-
standen, werden die Reliquien iu Kon-
stantinopel gelandet und des Kaisers Tochter
geheilt. Die beiden Wölfe aber und die
Leoparden bleiben als Wächter bei dem
herrlich gezierten Grabe des großen An-
tonius.

Noch die im Jahre 1493 erschienene
Legende des Letrus de natalibus
erzählt iu der gleichen Weife „6e inven-
tione corporis S. Antonii".

Seit der Reformation ist die Antonius-
Legende, wie tiberhaupt alle Legenden,
nicht ntehr weiter ansgebildet worden.
Nur auf dem Boden jenes naiv-kindlichen,
kritiklosen Glaubens des Mittelalters —
der freilich auch seine bedeutenden Schat-
tenseiten, selbst für jene Zeit hatte --
konnte die Märchenblnme der Legenden-
dichtnng gedeihen.

Es wäre sicherlich eine ganz falsche
Auffassung, wollte man sich über jene er-
eifern, die beut Volke tut Mittelalter
„historisch nicht nachweisbare Heiligenge-
schichten als Wahrheit hütstellten". Die
Ansschmücker solcher Legendett wollten tticht

ch Dieselbe Legende wird anderswo von St. Ja-
kobus mus. unD UOll St. Doininikus Calciatensis
erzählt. (Cahier cliaracterisüque des Saints.)

Geschichte fälschen, sie schriebeit Weit als
Dichter, und es ist kaunt anzunehnten,
daß auch nur ein größerer Theil dcS
Volkes in solchen phantasievollett Heiligen-
erzählnngen etwas Anderes sah, als eben
Dichtnn gen.

Atiffallend könnte es uns erscheinen,
daß bei der großen Popularität unseres
Heiligen, dessen poetisch dltrchaus nicht un-
dankbare Legende im Mittelalter so wenig
in dichterischer Fornt behandelt mürbe.

Int Deutschen ist itris nur ein aus dem
14. Jahrhundert stammendes Fragment
einer poetischen Bearbeitung bekannt. Dariit
ist unter Anderent sehr anschaulich die Ver-
sttchung des Heiligen geschildert:

„waffen über di manhait," ruft da
der Satan aits, „di disent ntann ist be-
rail", uub dann wird der Angriff des
H ö ll e n h e e r e s geschildert:

„di umitt glnnt sich entsloz
do durch zlt int in lief
dez tenfels her daz grözleich ries,
in ntaniger haut styntmeit
begnitden sp do grpntnten
dar chant ein yegelich schedleich tir
leo per wols vnd stir.
ntaniger Hand pöz würnt
chert auf in sein ftürnt
die nater mit ir sibilio
erpot sich im mit grozzer dro.
er fach den aynhürn
vit gern gen int zürn,
daz etverstvein lief iu ait
uut pot tut vast seinen zan,
er ntnst leideit auch daz droit
der frayßanten leon,
den er sach vor int brynnen,
er sach in zorn grpututett
di pertt sich flizzen
fallt si iu motten zerrizzelt
hi vltder ntnst er spulen
der srapßantelt wols wulen
lvaz in beut gelndem starkch
lvaz ltntb iu waz daz wnz nrkch ..."
II. Charakter des Heiligen int
Glauben des Volkes.

1. Der historische Antoitius war ägypti-
scher Herkunft und bewohnte die thebaische
Wüste. In der Vorstellung nnd Phan-
tasie des Mittelalters aber hat er alles

') Or. K. Roth, „Denkmäler der deutschen
Sprache vom' 8. - 14. Jahrhundert".
 
Annotationen